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Erschreckend: Bürgergeld Regelsatz deckt Stromkosten nicht

Hängende Stromstecker mit Eurp-Geldscheinen

Auch wenn der Bürgergeld Regelsatz 2024 scheinbar großzügig erhöht wurde, von 502 auf 563 Euro für Alleinstehende Erwachsene, deckt er weiterhin nicht die monatlichen Kosten für den Haushaltsstrom, die Leistungsbezieher aus dem Regelsatz bestreiten müssen – viele von Ihnen zahlen Monat für Monat drauf, das Geld fehlt an anderer Stelle.

Zurecht fordern Betroffene wie auch Sozialverbände, dass die Stromkosten endlich aus dem Regelsatz herausgenommen und zusätzlich als Kosten der Unterkunft gezahlt werden. Zudem erscheint es höchst ungerecht und unfair, wenn der Strom als Pauschale in der Regelleistung eingerechnet wird. Einerseits weil die Strompreise in den vergangenen Jahren stärker gestiegen sind als die Bürgergeld Anpassung. Andererseits werden bei dieser fixen Pauschale keine regionalen Unterschiede berücksichtigt, wie es folgerichtig etwa bei den Wohnkosten der Fall ist.

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Alleinstehende besonders von Stromkosten betroffen

Nach den aktuellen Statistiken der Jobcenter sind mehr als die Hälfte der Bedarfsgemeinschaften im Bürgergeld Bezug Single Haushalte – diese sind besonders gebeutelt, da sie bspw. unwesentlich niedrigere Kosten als ein Zwei-Personen-Haushalt haben, ihnen aber nur knapp halb so viel im Monat für die Stromrechnung zugestanden wird. Schließlich zahlt man pro Haushalt nur einmal die monatliche Grundgebühr für den Strom und hat in der Regel nur einen Kühlschrank, nur einen Elektroherd, Beleuchtung etc. im Haushalt.

Lesetipp: So viel Bürgergeld bekommen Alleinstehende im Monat

1.200 kWh Verbrauch für eine Person

Durchschnittlich liegt der Verbrauch für einen Ein-Personen-Haushalt in einem Mehrfamilienhaus bei etwa 1.500 kWh pro Jahr – da Bürgergeld Bedürftige besonders sparsam sein müssen, gehen wir daher von einem reduziertem Verbrauch von „nur“ 1.200 kWh aus.

Zum Vergleich: Ein kleiner, sehr günstiger Kühlschrank mit Gefrierfach und einem Gesamtvolumen von etwa 100 bis 120 Litern verbraucht auf Jahressicht ca 160-200 kWh bei Energieeffizienzklasse F. Teure Geräte mit Klasse C oder besser verbrauchen nur die Hälfte oder weniger, liegen aber weit über dem Budget von Bürgergeld Bedürftigen.

Stromkosten Übersicht – 25 Städte

In der nachfolgenden Tabelle haben wir die aktuellen Tarife (vom 10.07.2024) für den Strompreis in der Grundversorgung für Ein-Personen-Haushalte verglichen, die einen rechnerischen Abschlag von durchschnittlich 52,23 Euro im Monat ergeben. Im Bürgergeld Regelsatz sind für 2024 hingegen nur 45,72 Euro monatlich für Strom vorgesehen – die Rechnung kann für Betroffene also nicht aufgehen.

StadtArbeitspreis je kWhGrundpreis mtl.Gesamtkosten mtl.Defizit mtl.Defizit p.a.
Bremen0,35 €10,02 €45,23 €-0,49 €-5,88 €
Düsseldorf0,38 €7,43 €45,86 €0,14 €1,68 €
Hannover0,39 €8,06 €46,65 €0,93 €11,16 €
Dresden0,39 €9,21 €47,96 €2,24 €26,88 €
Rostock0,40 €7,51 €47,98 €2,26 €27,12 €
München0,38 €10,70 €48,27 €2,55 €30,60 €
Nürnberg0,41 €8,37 €49,16 €3,44 €41,28 €
Magdeburg0,37 €12,99 €49,51 €3,79 €45,48 €
Kiel0,42 €8,36 €50,05 €4,33 €51,96 €
Duisburg0,36 €14,79 €50,33 €4,61 €55,32 €
Mannheim0,39 €11,40 €50,40 €4,68 €56,16 €
Leipzig0,37 €14,00 €51,31 €5,59 €67,08 €
Berlin0,41 €10,20 €51,61 €5,89 €70,68 €
Halle0,39 €12,76 €51,96 €6,24 €74,88 €
Schwerin0,39 €13,51 €52,05 €6,33 €75,96 €
Erfurt0,38 €16,37 €53,96 €8,24 €98,88 €
Gelsenkirchen0,44 €10,63 €54,27 €8,55 €102,60 €
Hamburg0,42 €12,95 €54,91 €9,19 €110,28 €
Saarbrücken0,44 €11,10 €55,18 €9,46 €113,52 €
Dortmund0,42 €13,90 €55,45 €9,73 €116,76 €
Frankfurt0,48 €7,62 €55,45 €9,73 €116,76 €
Essen0,40 €16,58 €56,10 €10,38 €124,56 €
Wuppertal0,46 €11,76 €57,97 €12,25 €147,00 €
Stuttgart0,42 €17,42 €59,13 €13,41 €160,92 €
Köln0,42 €23,11 €65,01 €19,29 €231,48 €
Durchschnitt0,40 €12,03 €52,23 €6,51 €78,12 €

Während alleinstehende Hilfebedürftige aus Bremen am Jahresende in unserem Beispiel auf ein kleines Plus von 5,88 Euro kommen, zahlen alle anderen drauf. Beginnend bei Düsseldorf mit „nur“ 1,68 Euro über das Jahr hinweg bis zu 231,48 Euro Defizit jährlich in Köln. Das, was Bürgergeld Bedürftige in Köln für die gleiche Leistung draufzahlen müssen wie in der günstigsten Stadt Bremen, liegt bei über dem fünffachen des im Bürgergeld Regelsatzes vorgesehenen Anteils für Strom.

Bürgergeld Regelsatz muss bei 813 Euro liegen

Durchlauferhitzer erhöht Defizit

Noch härter trifft es Hilfebedürftige, die Warmwasser mit einem Durchlauferhitzer oder einem Boiler erwärmen. Während die Warmwasseraufbereitung über die Zentralheizung als Heizkosten vom Jobcenter übernommen werden, müssen Bürgergeld Bedürftige diese bei dezentraler Wassererwärmung über die Stromkosten selbst tragen. In diesem Fall leistet das Jobcenter eine Pauschale von 2,30 Prozent des Regelsatzes als Mehrbedarf für Warmwasser, ganze 12,95 Euro im Monat für einen Single.

Im Vergleich zu den tatsächlichen Kosten für einen Boiler oder Durchlauferhitzer ist dieser Mehrbedarf nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ausgehend von einem angemessenen Verbrauch für einen Durchlauferhitzer von 700 kWh im Jahr, wie es das LSG Niedersachsen-Bremen (L 13 AS 207/18 ZVW) feststellte, müsste die Kilowattstunde in 2024 bei 0,22 Euro liegen. Real sind die aktuellen Strompreise nahezu doppelt so hoch.

StadtDefizit Haushaltsstrom p.a.Defizit Warmwasser p.a.Unterdeckung gesamt p.a.
Bremen-5,88 €91,07 €85,19 €
Düsseldorf1,68 €113,61 €115,29 €
Hannover11,16 €114,73 €125,89 €
Dresden26,88 €115,85 €142,73 €
Rostock27,12 €127,89 €155,01 €
München30,60 €107,59 €138,19 €
Nürnberg41,28 €130,13 €171,41 €
Magdeburg45,48 €100,24 €145,72 €
Kiel51,96 €136,43 €188,39 €
Duisburg55,32 €93,38 €148,70 €
Mannheim56,16 €117,60 €173,76 €
Leipzig67,08 €105,77 €172,85 €
Berlin70,68 €134,47 €205,15 €
Halle74,88 €119,00 €193,88 €
Schwerin75,96 €114,38 €190,34 €
Erfurt98,88 €107,73 €206,61 €
Gelsenkirchen102,60 €150,08 €252,68 €
Hamburg110,28 €138,32 €248,60 €
Saarbrücken113,52 €153,16 €266,68 €
Dortmund116,76 €135,45 €252,21 €
Frankfurt116,76 €179,41 €296,17 €
Essen124,56 €121,24 €245,80 €
Wuppertal147,00 €168,07 €315,07 €
Stuttgart160,92 €136,57 €297,49 €
Köln231,48 €137,90 €369,38 €
Durchschnitt78,12 €126,00 €204,13 €

Tatsächliche Stromkosten für die dezentrale Warmwasseraufbereitung übernimmt das Jobcenter nur, wenn für den Durchlauferhitzer oder Boiler ein eigener Stromzähler vorhanden ist, Schätzwerte für den Mehrbedarf sind nicht zulässig. Die Kosten für die Einbau eines Stromzählers müssen Hilfebedürftige jedoch selbst tragen, wenn der Vermieter sich nicht dazu bereit erklärt. Das Jobcenter selbst muss die Kosten der Installation übrigens nicht übernehmen. (LSG Az. L 11 AS 415/22 B ER vom 27.10.2022)

Strompreise vergleichen lohnt sich

Um die Stromkosten zu senken, kann einerseits der Verbrauch reduziert werden, wo es noch machbar ist. Eine weitere Möglichkeit ist ein Stromanbieter Wechsel, der mit nur wenigen Klicks unkompliziert und kostenlos erledigt ist. Insbesondere die Grundversorgung ist in den meisten Fällen die teuerste Option und mit einem anderen Anbieter lassen sich schnell 10, 20 oder mehr Euro im Monat sparen, zumal gerade Neukunden von einem Wechselbonus profitieren. Um zu prüfen, wie hoch die Ersparnis ist, braucht es lediglich die Postleitzahl und den Jahresverbrauch.

Politik muss dringend handeln

Wie bereits Eingangs erwähnt, sind die Stromkosten im Regelsatz nicht nur unzureichend bemessen sondern auch noch höchst unfair, wenn man die regionalen Unterschiede zusätzlich berücksichtigt. Bürgergeld Bedürftige zahlen für die gleiche Leistung innerhalb der Bundesrepublik enorm unterschiedliche Preise. Während beispielsweise in Bremen die Unterdeckung bei den Stromkosten mit Durchlauferhitzer bei 85,19 Euro liegt, müssen Bürgergeld Bedürftige in Köln noch 369,38 Euro zusätzlich mehr aus dem Regelsatz draufzahlen, bei gleichem Bedarf und Verbrauch. Um dies fair zu gestalten, müssen die Stromkosten zwingend aus dem Regelbedarf raus und zusätzlich in tatsächlicher Höhe im Rahmen der Kosten für Unterkunft vom Jobcenter übernommen werden.

Titelbild: Veja / shutterstock

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