Zum Inhalt springen

Ungerecht: Bürgergeld Erhöhung 2024 deckt Stromkosten nicht

Stromzähler mit Geld

Trotz der Erhöhung des Bürgergeldes in 2024 in der Regelbedarfsstufe 1 von bisher 502 Euro auf 563 Euro ist das Bürgergeld weiterhin unzureichend bemessen, um die Stromkosten decken zu können. Zurecht fordern Betroffene als auch Sozialverbände, dass die Stromkosten für den Haushaltsstrom endlich aus dem Regelsatz herausgenommen und zusätzlich als Kosten der Unterkunft und Heizung gezahlt werden. Zudem erscheint es höchst ungerecht und unfair, wenn der Strom als Pauschale in der Regelleistung eingerechnet wird.

Einerseits weil die Strompreise in den vergangenen Jahren stärker gestiegen sind als die Regelsatzanpassungen. Andererseits werden bei dieser fixen Pauschale im Regelbedarf keine regionalen Unterschiede gemacht, wie beispielsweise bei den Kosten der Unterkunft und Heizung. Hierzu haben wir 25 Städte bundesweit im Tarif der Grundversorgung vergleichen verglichen und das Ergebnis ist erschreckend. Am teuersten (mit Nutzung eines Durchlauferhitzers) ist in unserem Vergleich Köln mit einer jährlichen Unterdeckung von 291,21 Euro, am günstigsten Bremen mit einer Unterdeckung von 85,19 Euro pro Jahr.

Single Haushalte besonders von hohen Stromkosten betroffen

Nach den neusten Statistiken der Bundesagentur für Arbeit sind über 55 Prozent der Bedarfsgemeinschaften im Bürgergeld Bezug Single Haushalte – diese sind besonders gebeutelt, da sie bspw. unwesentlich niedrigere Kosten als ein Zwei-Personen-Haushalt haben, aber ihnen nur knapp halb so viel im Monat für die Stromrechnung zusteht. Schließlich zahlt man pro Bedarfsgemeinschaft nur einmal die Grundgebühr pro Anschluss und hat in der Regel nur einen Kühlschrank, nur einen Elektroherd, Beleuchtung etc. im Haushalt.

1.200 kWh Verbrauch für eine Person

Durchschnittlich liegt der Verbrauch für einen Ein-Personen-Haushalt in einem Mehrfamilienhaus bei 1.500 kWh pro Jahr – da Bürgergeld Bedürftige besonders sparsam sein müssen, gehen wir daher von einem Verbrauch von „nur“ 1.200 kWh aus.

Zum Vergleich: ein kleiner, sehr günstiger Kühlschrank mit Gefrierfach und einem Gesamtvolumen von etwa 100 bis 120 Litern verbraucht auf das Jahr gerechnet etwa 160-200 kWh bei Energieeffizienzklasse F. Teure Geräte mit Klasse C oder besser verbrauchen nur die Hälfte oder sogar weniger, liegen aber weit über dem Budget von Bürgergeld Bedürftigen.

Für die Ermittlung der Stromkosten wurden die Grundversorger der jeweiligen Städte abgeglichen. Sicherlich gibt es günstigere Tarife und auch Boni, jedoch haben nicht alle Bürgergeld Bedürftigen mangels Bonität Zugang zu diesen.

Stromkosten Übersicht – 25 Städte

In der nachfolgenden Tabelle haben wir die aktuellen Werte (vom 29.12.2023) für den Strompreis in der Grundversorgung bei Ein-Personen-Haushalten verglichen, die einen monatlichen Abschlag, berechnet aus den Verbrauchskosten zuzüglich der Grundgebühr, von 50,20 Euro ergeben. Ab 2024 sind für eine alleinstehende Person im Regelsatz monatlich 45,72 Euro vorgesehen – im Durchschnitt schon monatlich 4,48 Euro bzw. fast zehn Prozent über dem vorgesehenen Anteil für Strom im Regelsatz.

StadtArbeitspreis € je kWhGrundpreis mtl.Gesamtkosten mtl.
Defizit mtl.Defizit Haushaltsstrom p.a.
Bremen0,35 €10,02 €45,23 €-0,49 €-5,88 €
Düsseldorf0,38 €7,43 €45,86 €0,14 €1,68 €
Mannheim0,38 €7,64 €46,04 €0,32 €3,84 €
Saarbrücken0,38 €8,10 €46,23 €0,51 €6,12 €
Hannover0,39 €8,06 €46,65 €0,93 €11,16 €
Kiel0,38 €8,36 €46,85 €1,13 €13,56 €
Magdeburg0,34 €12,99 €46,91 €1,19 €14,28 €
Duisburg0,34 €13,30 €47,04 €1,32 €15,84 €
Dresden0,39 €9,21 €47,96 €2,24 €26,88 €
Rostock0,40 €7,51 €47,98 €2,26 €27,12 €
München0,38 €10,70 €48,27 €2,55 €30,60 €
Schwerin0,38 €11,01 €49,12 €3,40 €40,80 €
Stuttgart0,37 €11,83 €49,14 €3,42 €41,04 €
Nürnberg0,38 €11,14 €49,58 €3,86 €46,32 €
Wuppertal0,40 €11,15 €51,03 €5,31 €63,72 €
Leipzig0,37 €14,00 €51,31 €5,59 €67,08 €
Berlin0,41 €10,20 €51,61 €5,89 €70,68 €
Halle0,39 €12,76 €51,96 €6,24 €74,88 €
Frankfurt0,45 €7,62 €52,29 €6,57 €78,84 €
Gelsenkirchen0,42 €10,63 €52,30 €6,58 €78,96 €
Erfurt0,38 €16,37 €53,96 €8,24 €98,88 €
Hamburg0,42 €13,06 €55,02 €9,30 €111,60 €
Essen0,40 €16,58 €56,10 €10,38 €124,56 €
Dortmund0,43 €13,90 €56,94 €11,22 €134,64 €
Köln0,40 €19,81 €59,68 €13,96 €167,52 €
Durchschnitt0,39 €11,34 €50,20 €4,48 €53,79 €

Durchschnitt bedeutet, dass es immer Verlierer und Gewinner gibt und bei Bürgergeld Bedürftigen verlieren die meisten. In unserer Berechnung liegt das durchschnittliche Defizit auf das Jahr gerechnet bei 53,79 Euro oder das 1,18-fache des monatlichen Regelsatzes für Strom in Höhe von 45,72 Euro ab 2024.

Während alleinstehende Hilfebedürftige aus Bremen am Jahresende bei unserer Berechnung einen kleinen Überschuss von 5,88 Euro hätten, zahlen alle anderen drauf. Beginnend bei Düsseldorf mit „nur“ 1,68 Euro über das Jahr hinweg bis zu 167,52 Euro Defizit jährlich in Köln. Das was Bürgergeld Bedürftige in Köln für die gleiche Leistung draufzahlen müssen wie in der günstigsten Stadt Bremen liegt bei über dem dreieinhalbfachen des im Bürgergeld Regelsatzes vorgesehenen Anteils für Strom.

Dezentrale Warmwasseraufbereitung erhöht das Defizit

Noch dramatischer trifft es Hilfebedürftige, die das Warmwasser dezentral in ihrem Haushalt mit einem Durchlauferhitzer oder einem Boiler erwärmen. Während bei einer Warmwasseraufbereitung über die Zentralheizung die Kosten vom Jobcenter über die Heizkosten in tatsächlicher Höhe gezahlt werden – wenn diese angemessen sind – müssen Bürgergeld Bedürftige diese bei einer dezentralen Wassererwärmung über die Stromkosten selbst bezahlen. In diesem Fall leisten die Jobcenter lediglich eine kleine Pauschale von 2,3 Prozent des Regelsatzes, was ab 2024 einen monatlichen Betrag von 12,95 Euro für den Mehrbedarf Warmwasser entspricht. Dieser Betrag ist im Vergleich zu den Kosten für einen Boiler oder Durchlauferhitzer nicht einmal ein Trostpflaster sondern ein ganz schlechter Witz. Ausgehend von einem angemessenen Verbrauch für einen Durchlauferhitzer von 700 kWh, wie es das LSG Niedersachsen-Bremen (L 13 AS 207/18 ZVW) in seiner Entscheidung feststellte, müsste die Kilowattstunde in 2024 bei 0,22 Euro liegen, um kostendeckend zu sein, was utopisch ist, da die aktuellen Preise für Strom teilweise doppelt so hoch sind.

Auf Basis der selben Preise wie in der ersten Tabelle ergeben sich somit für Bürgergeld Bedürftige mit einem Stromverbrauch von 1.200 kWh für den Haushaltsstrom und zusätzlich 700 kWh für einen Durchlauferhitzer folgende Beträge, die zu einer durchschnittlichen Unterdeckung von 170,46 Euro pro Jahr führen. Wobei hier die „günstigste“ Unterdeckung mit 85,19 Euro in Bremen liegt und Köln mit 291,21 Euro heraussticht.

StadtDefizit Haushaltsstrom p.a.Defizit Warmwasser p.a.Unterdeckung gesamt p.a.
Bremen-5,88 €91,07 €85,19 €
Magdeburg14,28 €82,04 €96,32 €
Duisburg15,84 €80,78 €96,62 €
Düsseldorf1,68 €113,61 €115,29 €
Mannheim3,84 €113,40 €117,24 €
Saarbrücken6,12 €111,51 €117,63 €
Hannover11,16 €114,73 €125,89 €
Kiel13,56 €114,03 €127,59 €
München30,60 €107,59 €138,19 €
Dresden26,88 €115,85 €142,73 €
Stuttgart41,04 €105,77 €146,81 €
Schwerin40,80 €111,37 €152,17 €
Rostock27,12 €127,89 €155,01 €
Nürnberg46,32 €113,68 €160,00 €
Leipzig67,08 €105,77 €172,85 €
Wuppertal63,72 €123,76 €187,48 €
Halle74,88 €119,00 €193,88 €
Berlin70,68 €134,47 €205,15 €
Erfurt98,88 €107,73 €206,61 €
Gelsenkirchen78,96 €136,29 €215,25 €
Frankfurt78,84 €157,29 €236,13 €
Essen124,56 €121,24 €245,80 €
Hamburg111,60 €138,32 €249,92 €
Dortmund134,64 €145,88 €280,52 €
Köln167,52 €123,69 €291,21 €
Durchschnitt53,79 €116,67 €170,46 €

Die tatsächlichen Stromkosten für die dezentrale Warmwasseraufbereitung würde das Jobcenter nur übernehmen, wenn für den Durchlauferhitzer oder Boiler ein eigener Stromzähler vorhanden ist. Schätzwerte für den Mehrbedarf sind nach dem SGB II nicht zulässig. Leider müssten Bürgergeld Bedürftige die Kosten für die Installation eines Stromzählers selbst tragen, wenn der Vermieter sich dazu nicht bereit erklärt. Auch muss das Jobcenter die Kosten der Installation nicht zahlen – so auch die Entscheidung des LSG Niedersachsen Bremen unter Az.: L 11 AS 415/22 B ER vom 27.10.2022.

Politik muss dringend handeln

Wie bereits Eingangs erwähnt, sind die Stromkosten im Regelsatz nicht nur unzureichend bemessen sondern auch noch höchst unfair, wenn man die regionalen Unterschiede zusätzlich berücksichtigt. Bürgergeld Bedürftige zahlen für die gleiche Leistung innerhalb der Bundesrepublik enorm unterschiedliche Preise.

Während beispielsweise in Bremen die Unterdeckung bei den Stromkosten mit Durchlauferhitzer bei 85,19 Euro liegt, müssen Bürgergeld Bedürftige in Köln noch 206,02 Euro zusätzlich mehr aus dem Regelsatz draufzahlen, bei gleichem Bedarf und Verbrauch.

Um dies fair zu gestalten, müssen die Stromkosten zwingend aus dem Regelbedarf raus und zusätzlich in tatsächlicher Höhe im Rahmen der Kosten für Unterkunft und Heizung beim Bürgergeld übernommen werden.

Titelbild: Lisa-S/ shutterstock.com