Kurzfassung – Mehrbedarf bei Behinderung
- 35 % Zuschlag: Sie sind erwerbsfähig und erhalten bereits eine Leistung zur Teilhabe oder Eingliederungshilfe.
- 17 % Zuschlag: Sie sind voll erwerbsgemindert und haben eine Schwerbehinderung (GdB min. 50) mit Merkzeichen G oder aG.
- Höhe 2025: Alleinstehende bekommen 95,71 € (17 %) oder 197,05 € (35 %) zusätzlich zum Regelbedarf von 563 €.
- Nachweise: Bescheid zur Teilhabe / Eingliederungshilfe bzw. Schwerbehindertenausweis und Bescheid über volle Erwerbsminderung.
- Auszahlung: Das Jobcenter zahlt rückwirkend ab dem Monat, in dem Ihr Antrag eingeht (§ 37 SGB II).
Menschen mit Schwerbehinderung oder von Behinderung bedrohte, erwerbsfähige Hilfebedürftige können einen Mehrbedarf zusätzlich zum Bürgergeld erhalten, sofern sie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes oder Eingliederungshilfen erhalten.
Inhaltsverzeichnis
Anspruchsvoraussetzungen
Grundlegend für die vorliegenden Voraussetzungen für den Mehrbedarf im Falle einer Behinderung ist die Erwerbsfähigkeit und die das damit einhergehende Mindestalter von 15 Jahren.
Erwerbsfähigkeit
Grundsätzlich muss Erwerbsfähigkeit vorliegen, damit überhaupt ein Bürgergeld Anspruch besteht. Diese Grundvoraussetzung ist demnach ebenfalls für den Anspruch auf den Mehrbedarf bei Schwerbehinderung maßgeblich.
Erwerbsfähigkeit bedeutet, dass er in der Lage sein muss, mindestens drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Vorübergehende Arbeitsunfähigkeiten haben keinen Einfluss.
Vorliegen einer Behinderung
Eine Behinderung liegt vor, wenn die körperlichen Funktionen, die geistigen Fähigkeiten oder der seelische Zustand des betroffenen um mindestens sechs Monate vom alterstypischen Zustand abweichen. Ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 50% wird in der Regel ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt, der als Nachweisdokument vorgelegt werden kann.
Teilnahme an Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben
Erwerbsfähige Bürgergeld Bedürftige mit Behinderung müssen an Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben, sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes oder Eingliederungshilfen teilnehmen, um Anspruch auf Mehrbedarf zum Bürgergeld zu haben. Darunter fallen bspw. Hilfen zur Ausbildung oder Weiterbildungen.
Kein Anspruch für Auszubildende
Da es sich hierbei um einen ausbildungsbedingten Bedarf handelt, haben behinderte Auszubildende, deren Ausbildung nach dem BAföG oder nach den Leistungen zur Förderung der Berufsausbildung (§§ 60 bis 62 SGB III) förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf diesen Mehrbedarf, da sie nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen sind.
Höhe des Mehrbedarfs
Ausgehend vom aktuellen Eck-Regelsatz in Höhe von 563 Euro ergeben sich folgende Beträge:
- Alleinstehende: 35% von der 100%igen (maßgeblichen) Regelleistung, also 197,05 Euro
- volljährige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft: 35% der 90%igen (maßgeblichen) Regelleistung, also 177,10 Euro
- sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft (§ 20 Abs. 3 S. 1 SGB II): 35% der 80%igen (maßgeblichen) Regelleistung, also 157,85 Euro
Mehrbedarf beantragen
Der Bürgergeld Mehrbedarf bei Behinderung muss nicht beantragt werden. Es reicht lediglich aus mit der Benachrichtigung über eine vorliegende Behinderung eine Kopie des Behindertenausweises an das Jobcenter zu schicken. Eine Bescheinigung über die Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben vom Träger der Maßnahme sollte ebenfalls mitgeschickt werden.
Keine rückwirkende Beantragung möglich
Den Mehrbedarf bei Behinderung rückwirkend zu erhalten ist nicht möglich. Gezahlt wird erst ab Beantragung bzw. der darauf folgenden Bewilligung.
Das Bundessozialgericht in Kassel hatte mit einer Entscheidung am 25. April 2018 die rückwirkende Zahlung des Mehrbedarfs in einem Fall abgelehnt, in dem eine Klägerin mit Merkzeichen „G“ Mehrbedarf ab Vorliegen der Voraussetzung seit dem 21. Oktober 2013 geltend machen wollte, obwohl das Versorgungsamt ihr erst am 24. April 2014 einen Bescheid mit Bewilligung des Mehrbedarfs erteilt hatte. Den Mehrbedarf sollte sie demnach ab dem 01. April 2014 erhalten, was vom Bundessozialgericht bestätigt wurde. Es besteht keine Verpflichtung zur rückwirkenden Zahlung des Mehrbedarfs. (Az: B 8 SO 25/16 R)
Voll erwerbsgeminderte Leistungsempfänger
Handelt es sich bei dem Leistungsbezieher um eine voll erwerbsgeminderte Person oder bezieht diese Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt) nach SGB XII und ist im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen „G“ (eingeschränkte Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr, Gehbehinderung), so beträgt der Mehrbedarf bei dieser Behinderung 17% des maßgeblichen Bürgergeld Regelbedarfs.
Beispielrechnung: 506 Euro x 17% = 86,02 Euro Mehrbedarf (76,67 Euro bis 31.12.2023)
Achtung: Voraussetzung ist, dass die nicht erwerbsfähige Person mit einer erwerbsfähigen Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.
Barbetrag (Taschengeld) in stationären Einrichtungen
Ist der behinderte Leistungsempfänger in einer stationären Einrichtung untergebracht, beträgt der Mehrbedarf (sog. Barbetrag oder Taschengeld) mindestens 27% des maßgeblichen Regelbedarfs. Beim aktuellen Regelsatz von 563 € für einen Alleinstehende sind es somit 152,01 € im Monat.
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Häufige Fragen zum Mehrbedarf bei Behinderung
Wer hat Anspruch auf den 35-Prozent-Zuschlag?
Alle erwerbsfähigen Bürgergeld-Beziehenden, die aktuell eine bewilligte Leistung zur Teilhabe oder Eingliederungshilfe erhalten.
Wer erhält den 17-Prozent-Zuschlag?
Voll erwerbsgeminderte Personen mit einer anerkannten Schwerbehinderung (Grad mindestens 50) und Merkzeichen G oder aG – sofern sie mit mindestens einer erwerbsfähigen Person im selben Haushalt Bürgergeld beziehen.
Bekomme ich den Zuschlag auch, wenn ich allein lebe?
Ja, aber dann stellen Sie den Antrag bei der Sozialhilfe (Grundsicherung nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch). Der Prozentsatz bleibt gleich.
Muss ich den Mehrbedarf gesondert beantragen?
Ja. Ein formloser Antrag genügt, dem Sie die erforderlichen Nachweise beilegen. Das Jobcenter oder Sozialamt prüft aber auch von Amts wegen.
Welche Unterlagen werden als Nachweis akzeptiert?
Für 35 %: der aktuelle Bewilligungsbescheid zur Teilhabe oder Eingliederungshilfe. Für 17 %: Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen G / aG, dazu der Bescheid über die volle Erwerbsminderung.
Wie lange wird der Zuschlag rückwirkend gezahlt?
Er wird bis zum ersten Tag des Monats gezahlt, in dem Ihr Antrag eingeht. Eine Nachzahlung für frühere Monate ist nicht vorgesehen.
Kann der Mehrbedarf mit anderen Zuschlägen kombiniert werden?
Ja, aber alle Mehrbedarfe zusammen dürfen den Regelbedarf nicht überschreiten. Das regelt § 21 Absatz 8 des Sozialgesetzbuchs II.
Gilt der Zuschlag auch für Minderjährige?
Ja, sobald Kinder oder Jugendliche (ab 15 Jahren) die jeweiligen Voraussetzungen erfüllen, wird der Prozentsatz auf ihre Regelbedarfsstufe angewandt.
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