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Jobpflicht: Rechtsruck würde Bürgergeld Bedürftige in Ketten legen

Frau mit Ketten um die Hände

Scharf, schärfer, rechts – dass sich am Bürgergeld die Geister scheiden, ist nicht neu. Inzwischen dient die Grundsicherung allerdings eher dazu, das eigene Profil abzustecken. In dieser Phase der Selbstfindung haben CDU und CSU jetzt schon mehrfach deutlich gemacht: So geht es nicht weiter. Deshalb soll im Grundsatzprogramm, das im kommenden Jahr spruchreif sein wird, eine Jobpflicht verankert werden. Anders ausgedrückt: Man kommt dem Begriff Zwangsarbeit gefährlich nah.

Union will ihr Profil schärfen

Offenbar wissen die Wähler nicht mehr, woran sie bei den Unionsparteien sind. Das ist einer der Gründe, warum man sich neu aufstellen möchte und dazu auch externe Experten hört – so wie jetzt am Wochenende während eines Konvents. Zehn Fachkommissionen sind dazu gebildet worden, die jetzt auf Ideensuche sind.

Jobpflicht und Sachleistungen

Beim Thema Soziales oder genauer dem Bürgergeld hat CDU-Vize Carsten Linnemann schon sehr deutlich gemacht, wohin die Reise gehen soll. Für Arbeitslose, die arbeiten könnten, sollte aus seiner Sicht eine Jobpflicht eingeführt werden. Alle andere, die aus physischen oder psychischen Gründen nicht in der Lage sind, zu arbeiten, sollen vom Staat unterstützt werden.

Leistungskürzungen konsequent nutzen

Konkret: Wer nach sechs Monaten keinen Job hat, dem wird Arbeit durch die Kommunen zugewiesen. Als Beispiele nennt Carsten Linnemann die Niederlande und Dänemark, wo es bereits ähnliche Systeme gibt. Dabei rede er nicht von Zwangsarbeit. Vielmehr müsse der Spielraum bei Leistungskürzungen genutzt werden und die Möglichkeit, Sach- statt Geldleistungen zu erbringen.

Auch die AfD fordert Zwangsarbeit

Diese Aussagen des CDU-Vize erinnern stark an das, was die AfD im Rahmen der Debatte zur Einführung des Bürgergelds forderte. Im Wahlprogramm der AfD finden sich nur wenige Zeilen zu einer aktivierenden Grundsicherung und der Forderung, dass Erwerbstätigen ein spürbarer Anteil des eigenen Verdienstes bleiben soll.

15 Stunden Bürgerarbeit

In einem späteren Antrag wird man dann konkret: Nach einer Karenzzeit von sechs Monaten sollen die Leistungen für Arbeitssuchende nach dem SGB II an die Teilnahme an einer Bürgerarbeit von 15 Wochenstunden geknüpft sein. Ausnahme: Es besteht eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von 20 Stunden pro Woche. Und statt Barmitteln sollen Arbeitsverweigerer nur noch eine Sachleistungs-Debitkarte erhalten.

Keine Abgrenzung nach rechts außen

Das ist interessant: Denn während Friedrich Merz als Unionschef klar zum Ausdruck bringt, man möchte sich von der AfD distanzieren, käut sein Vize den Bürgergeld-Antrag der AfD mit leichten Abwandlungen wieder. Das passt auch zu dem, was seitens der Jungen Union (JU) gerade geäußert wird. JU-Chef Johannes Winkel möchte auf AfD-Wähler zugehen. Schließlich seien nicht alle rechtsextrem, sondern vornehmlich Protestwähler.

Fischen am rechten Rand

Dass die Union eine Brandmauer zur AfD errichten kann, hält Bayerns stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den „Freien Wählern“ schlicht für unmöglich. Die CDU habe kein konservatives Profil mehr. Aiwanger selbst lässt derzeit keinen Zweifel daran, wo er steht. Bayerns Wirtschaftsminister wird nicht müde, gegen die Ampel zu wettern und nutzt dabei allzu gerne stilistische Mittel der AfD.

Der Kurs des Hubert Aiwanger

Bei jeder Veranstaltung wiederholt er inzwischen seine Forderung, arbeitsfähigen Bürgergeldempfängern die Leistungen zu streichen. Oder anders ausgedrückt: Bürgergeld nur für Bedürftige. Einer seiner neueren Aufrufe auf Twitter:

„Der Ansporn zur Aufnahme einer zumutbaren Arbeit muss erhöht werden.“

Gegeneinander ausgespielt

Freie Wähler in Bayern, die AfD und die Unionsparteien: Ihre Bürgergeldgeldkritik ist ziemlich gleichlautend. Sie mündet bei allen in Zwangsarbeit. Das hat einen triftigen Grund: die Wähler. Denn was ist leichter, als Arbeiter und Angestellte gegen Bürgergeld Bedürftige aufzuwiegeln? Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, wird unterstellt, anderen nur auf der Tasche zu liegen, nichts zu leisten und den Wohlstand zu gefährden.

Spaltung der Gesellschaft

Wenn dann der Hinweis auf pflegende Angehörige, Alleinerziehende, Alte und Kranke kommt, folgt meist nur ein „ja, aber …“ oder der Versuch, doch noch zu differenzieren. Gleich, wie man es nimmt: Wer Menschen auf diese Weise gegeneinander aufspielt, spaltet die Gesellschaft. Vielleicht sollten alle, die jetzt noch jubeln, einfach mal überlegen: Verlieren sie den Job, liegen auch sie demnächst in Ketten.

Bild: Kues/ shutterstock.com