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30% Fehlerquote – Jobcenter setzen Bürgergeld falsch um

gelangweilter Mitarbeiter im Jobcenter

Fehlerhafte Rechtsanwendung ist der Grund, warum fast ein Drittel der Bürgergeld Widersprüche gegen das Jobcenter erfolgreich sind und ganz oder teilweise stattgegeben werden. Angesichts dessen, dass es sich um das Existenzminimum handelt, über welches das Jobcenter hier entscheidet, kann man nur von einer katastrophalen Bilanz zu Ungunsten der Hilfebedürftigen sprechen.

Digital und unkompliziert: Zwei Begriffe, die im Koalitionsvertrag das Bürgergeld flankieren. Der Aspekt „digital“ wird so langsam umgesetzt, mit App und Co. Bei „unkompliziert“ sind indes Zweifel angebracht. Aus dem „Bürokratiemonster“ Hartz IV ist mit dem Bürgergeld beileibe noch kein für jeden verständliches Konstrukt geworden. Im Gegenteil: Selbst die Mitarbeiter in den Jobcentern scheinen mit dem Bürgergeld völlig überfordert zu sein. Eine durchschnittlich 30-prozentige Fehlerquote aufgrund einer falschen Rechtsanwendung spricht für sich. Und dies sind nur die Fälle, in denen tatsächlich ein Widerspruch gegen einen Bescheid erhoben wurde – die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein.

Zahlen für den Giftschrank

Die Monatszahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu Widersprüchen und Klagen rund um das SGB II, also das Bürgergeld, landen glücklicherweise nicht im Giftschrank, sondern sind für jedermann einsehbar. Sie sind das Spiegelbild eines gnadenlosen Versagens, einer überbordenden Bürokratie und leider auch überforderter Mitarbeiter. Die Zahl der Widersprüche summierte sich im März 2024 absolut auf 96.859. Ausgehend von 2.930.434 Bedarfsgemeinschaften entspricht das einer Quote von 3,3 Prozent. Bei Klagen gegen das Jobcenter standen absolut 100.739 zu Buche (3,4 Prozent).

Fehlerhafte Rechtsanwendung durch Jobcenter

Taucht man etwas tiefer in die Materie und das Zahlenwerk der BA ein, findet man auch Hinweise dazu, warum Widersprüchen stattgegeben oder zumindest teilweise stattgegeben wurde. Von den 12.180 Fällen im März war der Grund 3.678-mal eine fehlerhafte Rechtsanwendung. Kurzum: Der zuständige Sachbearbeiter hat sich nicht an die Grundlagen des Bürgergeldgesetzes und generell der Sozialgesetzgebung gehalten.

Das Bürgergeld ist ein Bürokratiemonster

Vorsatz? Wohl eher nicht. Vermutlich ist es schlicht Unwissenheit oder Unkenntnis – was eigentlich nicht sein dürfte. Denn wer dafür zuständig ist, anderen das Existenzminimum zu gewähren oder unter Umständen auch zu entziehen, sollte das Bürgergeld-Regelwerk aus dem Effeff kennen. Das heißt nicht, jeden Paragrafen auswendig zitieren zu können, sondern zu wissen, wo man im Zweifelsfall nachschlagen oder bei Kollegen nachfragen kann. Auf „gut Glück“ und mitunter auch wider besseres Wissen einen Bescheid zu verschicken und einen Widerspruch zu riskieren, belastet das System, kostet Zeit, Geld und viel schlimmer noch, auch Vertrauen.

Versprechen nicht gehalten

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat viel versprochen und über Hartz IV geschimpft, es sei zu kompliziert. Doch statt genau dort anzusetzen, verkrustete Strukturen aufzubrechen und für – im wahrsten Sinne des Wortes – Erleichterung zu sorgen, ist nichts passiert. Dabei wurde im Koalitionsvertrag zumindest ein Schritt in diese Richtung fest verankert.

Es mangelt an Personal

„Eine passgenaue und ganzheitliche Unterstützung erfordert einen ausreichend dimensionierten Betreuungsschlüssel und gut qualifiziertes Personal bei den Jobcentern“,

ist in dem Papier zu lesen. Wäre das Personal gut qualifiziert, gäbe es keine so hohe Fehlerquote. Und von einem ausreichenden Betreuungsschlüssel können viele Jobcenter nur träumen. Dank des strikten Sparprogramms werden weder neue Stellen geschaffen noch vakante Positionen besetzt. Die Personaldecke wird immer dünner und die Belastung immer größer.

Bürgergeld Bedürftige sind die Leidtragenden

Die Leidtragenden sind Bürgergeld Bedürftigen, bei denen der Bescheid fehlerhaft ist und Widerspruch eingelegt oder sogar geklagt werden muss. Mehr Personal, eine bessere Ausbildung und ein neues Regelwerk könnten Abhilfe schaffen. Vielleicht auch die geplante KI für die Bescheide. Nur leider bleibt vieles davon Zukunftsmusik. Oder anders: Die Aktenberge in den Sozialgerichten wachsen weiter.

Bild: Timurpix/ shutterstock

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