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Bürgergeld muss bis zur Bewilligung vorrangiger Leistungen gewährt werden

Jobcenter darf Antrag nicht ablhenen

Das Bürgergeld und andere Sozialleistungen zu entzerren, ist der Ampelkoalition bislang nicht gelungen. Daher kommt es mitunter zu Rechtsstreitigkeiten, weil das Jobcenter auf vorrangige Leistungen verweist und kein Bürgergeld zahlt. Dadurch sind Betroffene oft wochenlang ohne Unterstützung. Das darf nicht sein, sagt das Sozialgericht Kiel. Bürgergeld muss in einem solchen Fall zumindest übergangsweise gewährt werden.

Jobcenter verweigert Bürgergeld

Eine alleinerziehende Mutter mit zwei minderjährigen Kindern hatte beim Jobcenter Kiel einen Weiterbewilligungsantrag für den Zeitraum ab dem 1. Dezember 2022 gestellt (damals noch Hartz IV). Diesem Wunsch kam die Behörde nicht nach. Sie lehnte den Antrag ab. Begründet wurde der Schritt damit, dass die Familie ihren Lebensunterhalt mithilfe des Wohngeldes und des Kinderzuschlags decken könne.

Nachrangige und vorrangige Leistungen

Grundlage für diese Einschätzung ist §12a Satz 1 SGB II:

„Leistungsberechtigte sind verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist.“

Denn das Bürgergeld ist – im Gegensatz etwa zum Wohngeld – „nur“ eine nachrangige Sozialleistung.

Hinweis: Aufgrund der Übergangsregelung aus Anlass des Wohngeld-Plus-Gesetzes nach § 85 SGB II waren Hilfebedürftige mit am 31.12.2022 laufendem Bewilligungszeitraum abweichend von den Regelungen des § 12a SGB II nicht verpflichtet, im Zeitraum 01.01.2023 bis zum 30.06.2023 Wohngeld zu beantragen.

Vier Monate Bearbeitungszeit

Die Mutter hat umgehend auf den ablehnenden Bescheid des Jobcenters reagiert und am 25. November Wohngeld und Kinderzuschlag beantragt. Gleichzeitig machte sie das Amt darauf aufmerksam, dass die Bearbeitung der Anträge sehr lang – bis zu vier Monate – dauern werde. Sie bat um die Weiterbewilligung von Hartz IV, bis die vorrangigen Leistungen abschließend bewilligt sind. Das lehnte das Jobcenter ab.

Behörde muss in Vorleistung gehen

Das Sozialgericht Kiel widersprach dem Jobcenter. §12a SGB II verpflichte zwar, vorrangige Leistungen, zu beantragen. Die Regelung ermächtige den Leistungsträger (in dem Fall das Jobcenter) jedoch nicht, mit Verweis auf den Vorrang anderer Leistungen die Zahlung von Hartz IV (Bürgergeld) gänzlich zu verweigern.

Liegen die Voraussetzungen vor, müsse das Jobcenter bis zur Zahlung der vorrangigen Hilfen in Vorleistung gehen und gegebenenfalls einen Erstattungsanspruch gegen den Leistungsträger (unter anderem die Familienkasse) anmelden.

Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 12.12.2022, S 41 AS 92/22 – rechtskräftig.

Bild: megaflopp/ shutterstock.com