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Bürgergeld: Jobcenter wollen mehr Druck ausüben

Mann am Schreibtisch mit mahnendem Zeigefinger

Das Bürgergeld kommt bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Jobcentern gar nicht gut an. Mit wenigen Ausnahmen stehen sie den Neuerungen, die das Bürgergeld in 2023 mit sich brachte, skeptisch gegenüber. Oder, um es auf den Punkt zu bringen: Sie lehnen den Hartz-IV-Nachfolger weitgehend ab. Einer der größten Kritikpunkte: Die Mittel und Möglichkeiten, Betroffenen mit Sanktionen Feuer unter dem Hintern zu machen, wurden zu sehr beschnitten.

Jubel vor der Reform

Blickt man eineinhalb Jahre zurück, in die Zeit, als eifrig über die größte Sozialreform seit Jahrzehnten gesprochen und das Gesetz in Form gegossen wurde, klang das Echo aus den Jobcentern noch freundlicher. Kein Wunder – bei der Tour durch die Behörden mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wird sich kaum jemand getraut haben, Bedenken zu äußern.

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Bereicherung und Chance

Stattdessen hat man etwa in Solingen die Änderungen „mit offenen Armen angenommen“. Der Fokus auf die Qualifizierung sei als Bereicherung empfunden worden, hatte Hubertus Heil nach einem Jahr Bürgergeld geschrieben. Jobcenterleiter sprachen seinerzeit von einer Chance. Nachzulesen unter anderem beim Portal „Servicestelle SGB II“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS).

Jetzt herrscht wieder Normalität

Inzwischen ist wieder „Normalität“ eingekehrt. Die Freude, auf Augenhöhe mit Bürgergeld Bedürftigen zusammenarbeiten zu können, ist dem alltäglichen Frust gewichen. Das spiegelt sich in einer Studie wider. Hierfür wurden 1.900 Beschäftigte in sieben nordrhein-westfälischen Jobcentern per Fragebogen um ihre Meinung gebeten. Die Auswertung durch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und die Universität Bochum enthüllt eine klare Tendenz gegen das Bürgergeld.

Kritik an Regelsätzen

59 Prozent der Befragten monierten, dass Bürgergeld Bedürftige seit der Einführung des Bürgergelds weniger motiviert seien. Auch das Bemühen, die Hilfsbedürftigkeit hinter sich zu lassen, habe nachgelassen, so 62 Prozent der Beschäftigten. Eine Verschlechterung sehen die Mitarbeiter auch hinsichtlich der Möglichkeiten, Druck auszuüben. Sanktionen umzusetzen sei schwieriger und langwieriger geworden. Dagegen spricht sich eine Mehrheit der Umfrageteilnehmer aus – ebenso gegen die höheren Regelsätze und das höhere Schonvermögen. Denn: Die Bereitschaft, eine Arbeit aufzunehmen, sei seither verschwindend gering, behaupten 63 Prozent.

Jobcenter werden kaputtgespart

Immerhin gib es auch Lichtblicke: Mehr Geld für Kinder, die bessere Betreuung von Langzeitarbeitslosen und der Verzicht, Kleinstbeträge einzufordern. Unter dem Strich bleibt aber ein eher düsteres Bild. Dass sich die Jobcenter mehr Druckmittel gegen Bürgergeld Bedürftige wünschen, spricht nicht unbedingt für die versprochene Augenhöhe. Vielleicht ist Kritik auch nur ein Zeichen dafür, dass die Behörden völlig überlastet sind. Kein Geld, keine Mitarbeiter, keine Zeit – eine toxische Mischung, unter der beide Seiten vom Schreibtisch leiden.

Titelbild: takasu / shutterstock.com

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