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BSG: Anspruch auf Bürgergeld auch ohne Postanschrift

Bundessozialgericht

Keine Postanschrift, kein Bürgergeld. Das war einmal. Dank der neuen Erreichbarkeitsverordnung (ErrV) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) haben viele Obdachlose jetzt ein Problem weniger. Auch sie dürfen Bürgergeld beantragen, müssen aber sicherstellen, dass sie Mitteilungen der Behörde zur Kenntnis nehmen können. Der Fall landete vor dem Bundessozialgericht, wurde letztlich aber über einen Vergleich gelöst.

Jobcenter verlangte Adresse

Die Vorgeschichte spielte sich in Stuttgart ab. Das dortige Jobcenter hatte einen Obdachlosen aufgefordert, eine Postadresse einzurichten. Begründet wurde dieser Schritt damit, dass die postalische Erreichbarkeit Leistungsvoraussetzung für Hartz IV (heute Bürgergeld) sei. Der Mann könne seine Post nicht länger direkt bei der Behörde abholen.

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Erfolglose Klagen eines Obdachlosen

Dagegen klagte der Obdachlose. Er legte dar, dass sich die Erreichbarkeit nicht auf die Post, sondern ausschließlich auf den Aufenthaltsort beziehe. Das Jobcenter wiederum bezog sich auf die alte Anordnung zur Erreichbarkeit von der Bundesagentur für Arbeit. Das Sozialgericht Stuttgart folgte den Ausführungen des Jobcenters, ebenso das Landessozialgericht Baden-Württemberg.

Vergleich und neue Erreichbarkeitsverordnung

Da eine erste Zwischenberatung des Bundessozialgerichts eine klare Tendenz aufwies, wonach Jobcenter von einem Obdachlosen keine Postanschrift fordern dürfen, kam Bewegung in den Fall. Die Anordnung der Bundesagentur für Arbeit wurde ersetzt. An ihrer Stelle trat am 8. August 2023 die Erreichbarkeitsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in Kraft. Der Obdachlose und das Jobcenter schlossen einen Vergleich, weil kein Interesse mehr an einer Klärung bestand.

Werktägliche Kenntnisnahme

Mit der neuen Verordnung gilt jetzt laut § 2 Abs. 1 ErrV:

„Die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person hat sicherzustellen, dass sie Mitteilungen und Aufforderungen des zuständigen Jobcenters werktäglich zur Kenntnis nehmen kann.“

Dazu reicht es, wenn die Mitteilung über Dritte zur Kenntnis genommen werden – etwa über Bekannte oder Sozialarbeiter, die alle Informationen an die betroffene Person weitergeben.

Persönliches Erscheinen

Konkrete Vorschriften für Obdachlose enthält Absatz 4. Demnach sind die Vorgaben aus Absatz 1 erfüllt, wenn die Dienststelle einmal monatlich persönlich aufgesucht wird und man mitteilt, „auf welchem Weg eine Kontaktaufnahme möglich ist“.

Verfahrenshergang:
Bundessozialgericht, Az.: B 4 AS 12/22 R vom 20.09.2023
LSG Baden-Württemberg, Az.: L 13 AS 2528/20 vom 07.07.2021
SG Stuttgart, Az.: S 14 AS 2297/20 vom 12.08.2020

Bild: Bild: A. Kiro/ shutterstock.com