Wer Bürgergeld bezieht, hat nicht nur Anspruch auf finanzielle Unterstützung, sondern auch bestimmte Pflichten gegenüber dem Jobcenter. Diese sogenannten Mitwirkungspflichten sollen sicherstellen, dass die Hilfe gerecht verteilt wird und Leistungsberechtigte aktiv an ihrer Integration in Arbeit mitwirken.
Konkret heißt das: Leistungsberechtigte müssen alle relevanten Informationen und Unterlagen bereitstellen, Termine wahrnehmen und an Maßnahmen teilnehmen, die die berufliche Eingliederung fördern. Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich in den §§ 60 bis 67 SGB I sowie ergänzend im SGB II.
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Was ändert sich durch die geplante Bürgergeld-Reform?
Bitte beachten Sie: Das derzeitige Bürgergeld soll voraussichtlich Mitte 2026 durch eine „Neue Grundsicherung für Arbeitsuchende“ ersetzt werden. Die Regierungskoalition plant beim zukünftigen Grundsicherungsgeld Verschärfungen im Bereich der Pflichten und Sanktionen:
| Geplante Änderung | Aktuelle Bürgergeld-Regelung |
|---|---|
| Entzug des Regelbedarfs (100 % Sanktion) bei willentlicher Ablehnung einer zumutbaren Arbeit oder bei drei aufeinanderfolgenden Meldeversäumnissen. | Volle 100 % Sanktionen sind nicht vorgesehen. Ablehnung von Arbeit folgt dem Stufenmodell (max. 30 % Kürzung). |
| Sanktionen könnten ab der 2. Pflichtverletzung sofort 30 % des Regelsatzes betragen und dies gilt als neuer Standard. | Sanktionen sind gestaffelt (10 % / 20 % / 30 %). |
| Es gilt ein klarer Vermittlungsvorrang: Jobcenter fokussieren sich primär auf die sofortige Vermittlung in Arbeit statt auf langfristige Qualifizierung. | Das „Fördern“-Prinzip der Qualifizierung stand aktuell stärker im Vordergrund. |
| Zumutbarkeit für Eltern gilt bereits ab dem ersten Geburtstag des Kindes (bei verfügbarer Betreuung). | Zumutbarkeit gilt in der Regel erst ab dem dritten Geburtstag des Kindes. |
Bürgergeld wird Grundsicherungsgeld: Das ändert sich 2026
Welche Mitwirkungspflichten gelten gegenüber dem Jobcenter?
Die wichtigsten Pflichten im Zusammenhang mit dem Bürgergeld lassen sich in drei Gruppen gliedern:
1. Informations- und Mitteilungspflichten
Leistungsberechtigte müssen alle Angaben machen, die für die Berechnung des Bürgergeldes relevant sind, und Änderungen unverzüglich melden. Dazu gehören:
- Einkommen und Vermögen (z. B. Jobaufnahme, Nebenjobs, Erbschaften, Schenkungen).
- Änderungen der Wohnsituation oder Haushaltsgröße (z. B. Einzug/Auszug von Personen, Umzug).
- Familienstand (Heirat, Trennung) oder neue Bedarfsgemeinschaft.
- Konto- oder Adressänderungen.
Wer solche Änderungen nicht rechtzeitig meldet, riskiert eine Rückforderung zu viel gezahlter Leistungen oder gar Sanktionen.
2. Erreichbarkeit und Ortsabwesenheit (Meldepflicht)
Das Jobcenter muss Leistungsberechtigte zur Klärung des Leistungsanspruchs und zur Vermittlung in Arbeit oder Maßnahmen jederzeit erreichen können.
- Erreichbarkeit: Leistungsberechtigte müssen grundsätzlich an jedem Werktag (inklusive Samstag) postalisch erreichbar sein und Mitteilungen des Jobcenters zur Kenntnis nehmen können.
- Ortsabwesenheit (Urlaub): Der Aufenthalt außerhalb des „zeit- und ortsnahen Bereichs“ ist innerhalb eines Kalenderjahres für maximal 21 Kalendertage (3 Wochen) möglich.
- Genehmigungspflicht: Wichtig: Die Zustimmung des Jobcenters muss vorab eingeholt werden. Bei unerlaubter oder verspätet gemeldeter Ortsabwesenheit drohen Sanktionen und der Entzug der Leistungen.
3. Mitwirkung bei Eingliederungsmaßnahmen und Terminen
Leistungsberechtigte müssen aktiv an allen Terminen und Maßnahmen teilnehmen, die das Jobcenter zur Beendigung der Hilfebedürftigkeit anordnet.
- Grundlage Kooperationsplan: Die Pflichten zur aktiven Arbeitssuche und Teilnahme an Maßnahmen werden im Kooperationsplan festgehalten.
- Teilnahme und Verhalten: Dazu zählt die Annahme einer zumutbaren Maßnahme oder Arbeit. Leistungsberechtigte sind gehalten, den Ablauf nicht schuldhaft zu beeinträchtigen, z.B. durch unentschuldigtes Fernbleiben oder fehlende Pünktlichkeit.
- Abbruch: Bei eigenständigem Abbruch einer Maßnahme oder wenn Leistungsberechtigte selbst Anlass für den Abbruch geben, liegt eine Pflichtverletzung vor (§ 31 SGB II).
- Meldepflicht bei Krankheit: Eine eingetretene Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer muss unverzüglich gemeldet werden. Die ärztliche Bescheinigung (Attest) über die Arbeitsunfähigkeit muss spätestens vor Ablauf des dritten Kalendertages nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit vorgelegt werden.
Trotz Bürgergeld: Man muss nicht auf jedes Angebot des Jobcenters eingehen
Leistungsminderungen (Sanktionen) und die Folgen
Wer seinen Pflichten ohne wichtigen Grund nicht nachkommt, muss als Konsequenz mit Leistungskürzungen rechnen.
Sanktionen wegen Meldeversäumnis und Pflichtverletzung
| Art der Pflichtverletzung | Kürzungshöhe | Dauer |
|---|---|---|
| Meldeversäumnis (Termin ohne wichtigen Grund versäumt) | 10 % des Regelsatzes | 1 Monat |
| 1. Pflichtverletzung (z. B. Ablehnung einer Maßnahme/Arbeit) | 10 % des Regelsatzes | 1 Monat |
| 2. Pflichtverletzung (Wiederholung) | 20 % des Regelsatzes | 2 Monate |
| 3. Pflichtverletzung (Weitere Wiederholung) | 30 % des Regelsatzes | 3 Monate |
Sanktionen wegen unwirtschaftlichem Verhalten (Sperrzeitfiktion)
Leistungsminderungen sind auch vorgesehen, wenn Leistungsberechtigte:
- Einkommen/Vermögen in Schädigungsabsicht vermindert haben, um einen Anspruch auf Bürgergeld zu begründen oder zu erhöhen.
- Unwirtschaftliches Verhalten trotz entsprechender Belehrung nicht ändern.
- Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit im Arbeitslosengeld 1 Bezug erfüllen würden (sogenannte Sperrzeitfiktion), was zum Ruhen oder Erlöschen eines Bürgergeld-Anspruches führen würde.
- Vollständige Versagung: Können die Anspruchsvoraussetzungen durch fehlende Mitwirkung nicht aufgeklärt werden (z.B. fehlende Kontoauszüge), kann die Leistung vollständig versagt werden, bis die Mitwirkung nachgeholt wird.
- Leistungsbetrug: Bei Täuschung oder Verschweigen von Einkommen kann das Jobcenter Strafanzeige wegen Leistungsbetruges (§ 263 StGB) stellen.
Wichtig: Vor jeder Sanktion muss das Jobcenter den Sachverhalt prüfen und die Betroffenen anhören. Eine Bestrafung ohne Begründung oder rechtliches Gehör ist unzulässig.
Wo liegen die Grenzen der Mitwirkungspflichten?
Nicht jede Forderung des Jobcenters ist automatisch zulässig. Es gibt klare rechtliche Grenzen der Mitwirkung.
- Keine Pflicht zur Selbstschädigung oder Offenlegung intimer Details: Leistungsberechtigte müssen keine Informationen preisgeben, die das Persönlichkeitsrecht verletzen – etwa zu privaten Beziehungen, Gesundheitsdaten oder religiösen Überzeugungen, sofern sie für die Leistung irrelevant sind.
- Zumutbarkeit ist entscheidend: Eine Arbeit oder Maßnahme darf nur verlangt werden, wenn sie zumutbar ist (§ 10 SGB II). Unzumutbar sind Tätigkeiten, die:
- gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßen,
- die Gesundheit gefährden,
- mit Pflege- oder Erziehungsaufgaben kollidieren,
- unvereinbar mit früheren Qualifikationen oder religiösen Überzeugungen sind.
- Verhältnismäßigkeit muss gewahrt bleiben: Das Jobcenter darf keine unverhältnismäßigen Anforderungen stellen, etwa wöchentliche Nachweise über Dutzende Bewerbungen ohne realistische Erfolgsaussicht.
Wie können Bürgergeld-Empfänger ihre Rechte gegenüber dem Jobcenter wahren?
Bürgergeld-Empfänger sollten jeden Schritt dokumentieren: Gesprächsprotokolle mit dem Jobcenter, Briefe, E-Mails und Nachweise über Bewerbungen. Wenn eine Anordnung des Jobcenters unklar oder übertrieben wirkt, kann man:
- schriftlich eine Begründung verlangen,
- Widerspruch gegen den Bescheid des Jobcenters einlegen (innerhalb eines Monats),
- sich an Beratungsstellen oder einen Anwalt für Sozialrecht wenden.
Tipp: Eine ruhige, sachliche Kommunikation mit dem Jobcenter wirkt oft deeskalierend und kann Missverständnisse vermeiden.
Häufige Fragen
Kürzung bei Ablehnung einer zumutbaren Bürgergeld-Maßnahme?
Wird eine zumutbare Maßnahme ohne wichtigen Grund abgelehnt, kann das Jobcenter das Bürgergeld um 10 % kürzen. Bei berechtigten Einwänden (z. B. gesundheitliche Einschränkungen) müssen diese sofort schriftlich mitgeteilt werden.
Muss ich jede vom Jobcenter vorgeschlagene Arbeit annehmen?
Nein. Nur zumutbare Arbeit ist verpflichtend. Tätigkeiten mit sittenwidrigem Lohn, gesundheitlicher Gefahr oder Unvereinbarkeit mit familiären Pflichten sind nicht verpflichtend.
Was tun bei Krankheit, Terminen und Bürgergeld-Maßnahmen?
Wer krankgeschrieben ist, muss keine Termine oder Maßnahmen wahrnehmen. Wichtig ist, Atteste unverzüglich einzureichen. Das Jobcenter darf dann keine Sanktionen verhängen.
Darf das Jobcenter private oder intime Daten verlangen?
Nur, wenn sie leistungsrelevant sind – etwa bei Bedarfsgemeinschaften oder Einkünften. Persönliche Beziehungen oder private Kommunikation gehören nicht dazu.
Muss ich dem Jobcenter meine Kontoauszüge vorlegen und darf ich schwärzen?
Ja. Zur Prüfung von Einkommen und Vermögen müssen Leistungsberechtigte dem Jobcenter die Kontoauszüge der letzten drei Monate vorlegen. Ausgabenempfänger dürfen aus Datenschutzgründen auf dem Kontoauszug geschwärzt werden, Einnahmen und Kontostände jedoch nicht.
Wie kann ich Widerspruch gegen eine Jobcenter-Sanktion einlegen?
Es sollte schriftlich Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt und ggf. aufschiebende Wirkung beim Sozialgericht beantragt werden. Beratungsstellen oder Anwälte für Sozialrecht können helfen, Fehler des Jobcenters aufzudecken.
Fazit: Mitwirkung ja – aber mit Augenmaß
Die Mitwirkungspflichten beim Bürgergeld sind ein zentraler Bestandteil des Leistungsbezugs. Sie sollen Eigenverantwortung stärken, dürfen aber nicht zur Überforderung oder Rechtsverletzung führen. Wer die Rechte und Pflichten kennt, kann sicherstellen, dass das Jobcenter fair und rechtmäßig handelt.


