Rolle rückwärts beim Schutz des Ersparten – ausgerechnet unter Sozialdemokraten. Die Schutzfunktion, die das Bürgergeld 2023 gebracht hat, steht mit dem Grundsicherungsgeld vor dem Aus. Das dokumentiert der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zum 13. SGB-II-Änderungsgesetz. Der damalige SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil sprach von Respekt vor Lebensleistung und davon, dass kleines Erspartes nicht angetastet werden muss. Jetzt plant das SPD-geführte Arbeitsministerium unter Bärbel Bas die Vermögens-Karenzzeit zu streichen. Statt Schonfrist greift sofort eine Altersstaffel, Erspartes zählt ab Antrag. Gleichzeitig sinken die Vermögensfreibeträge deutlich, vor allem für Jüngere. Besonders hart trifft es Erstantragsteller nach Jobverlust.
Bürgergeld wird Grundsicherungsgeld: Das ändert sich 2026
Inhaltsverzeichnis
Was tatsächlich vorgesehen ist
Der Entwurf streicht die Karenzzeit vollständig und ordnet das Schonvermögen nach Alter. Geplant sind Freibeträge von
- 5.000 Euro bis 20 Jahre
- 10.000 Euro von 21 bis 40 Jahren
- 12.500 Euro von 41 bis 50 Jahren
- 15.000 Euro ab 51 Jahren
jeweils pro Person in der Bedarfsgemeinschaft. Damit liegen die Vermögensfreibeträge überwiegend deutlich unter dem Niveau des Bürgergeld-Karenzjahres. Nicht genutzte Freibeträge dürfen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft weiterhin übertragen werden. Geschützte Altersvorsorge mit wirksamem Verwertungsausschluss, ein angemessenes Kfz und selbstbewohntes, angemessenes Wohneigentum bleiben außen vor. Bei den Unterkunftskosten bleibt eine Karenzzeit, aber gedeckelt. Beim Vermögen entfällt der Start-Airbag.
Warum die Karenzzeit mehr als ein Schutz ist
Die Karenzzeit in Kombination mit höheren Vermögensfreibeträgen war das sichtbarste Schutzversprechen der SPD-Reform zum Bürgergeld. Hubertus Heil begründete sie mit Respekt vor Lebensleistung. Kleines Erspartes sollte im ersten Jahr unangetastet bleiben. Zugleich sollte die Regel Druck aus der Anfangsphase nehmen und die Verfahren in den Jobcentern vereinfachen. Nun droht ausgerechnet unter einem SPD-geführten Arbeitsministerium das Ende dieser Schonfrist. Das erhöht die Brisanz und wirkt wie eine Rolle rückwärts hin zu bekannten Hartz-IV-Regeln.
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Wen die Reform tatsächlich trifft
Die Änderungen treffen vor allem Neuzugänge. Nicht die, die seit Jahren im Leistungsbezug sind, sondern diejenigen, die nach einer Kündigung erst Arbeitslosengeld beziehen und danach in die Grundsicherung rutschen. Für sie entfällt der Karenzzeit-Puffer gleich zu Beginn – Erspartes zählt sofort bei gleichzeitiger Absenkung der Vermögensfreibeträge.
Parallel wird eine Vereinheitlichung der ALG-I-Dauer auf zwölf Monate für alle diskutiert. Beschlossen ist das aber noch nicht. Heute gilt: Unter 50 Jahren maximal 12 Monate ALG I, ab 50 bis 54 bis zu 15 Monate, ab 55 bis 57 bis zu 18 Monate, ab 58 bis zu 24 Monate – jeweils bei ausreichenden Beitragszeiten. Eine Vereinheitlichung würde längere Schutzzeiten älterer Arbeitsloser kappen und den Wechsel in die Grundsicherung beschleunigen. Genau dort greift künftig die sofortige Vermögensprüfung.
Arbeitsmarkt mit Gegenwind
Große Unternehmen melden seit Monaten Personalabbauprogramme. Umfragen zeigen, dass ein relevanter Anteil der Betriebe Stellen abbauen oder nicht nachbesetzen will. Offene Entlassungswellen sind nicht überall sichtbar, doch der Trend geht zu zurückhaltender Personalplanung. Wer nach Ablauf des ALG I keinen Anschluss findet, landet schneller im Grundsicherungsgeld – ohne Karenzzeit und mit engeren Freibeträgen.
Vermittlungsvorrang zurück – Druck statt Entlastung
Der Entwurf sieht zudem vor, den Vorrang der Vermittlung ausdrücklich wieder festzuschreiben. Das bedeutet schnellere Zuweisung in jede zumutbare Arbeit und gleichzeitige Verschärfung beim Kooperationsplan. In Kombination mit einer möglichen kürzeren ALG-I-Bezugsdauer entsteht ein Dreiklang aus beschleunigtem Übergang, sofortigem Einsatz des Ersparten und mehr Druck am Anfang. An den Transferentzugsraten (Anrechnung des Einkommens auf Sozialleistungen) ändert die Reform nichts. Dabei würde eine niedrigere Entzugsrate den finanziellen Anreiz zur Arbeitsaufnahme spürbar erhöhen. Das Thema steht seit 2023 auf der Agenda, bleibt aber weiterhin offen.
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Beispiel Familie: 85.000 Euro frei heute – 30.000 Euro künftig
Fall: Eltern beide Mitte 30, zwei minderjährige Kinder, erstmaliger Antrag. Kein unangemessenes Eigenheim, keine geschützte Altersvorsorge, ein übliches Auto. Heutige Rechtslage Bürgergeld:
- Erstes Jahr: Vermögen zählt nur, wenn es „erheblich“ ist. Schwelle 40.000 Euro für die erste Person plus 15.000 Euro je weitere Person. Bei vier Personen 85.000 Euro.
- Ab Monat 13: allgemeines Schonvermögen 15.000 Euro je Person. Bei vier Personen 60.000 Euro.
- Geplant ab 2026: Keine Vermögens-Karenzzeit. Altersstaffel ab Antrag: Eltern je 10.000 Euro, Kinder je 5.000 Euro. Zusammen 30.000 Euro.
Im Beispiel einer vierköpfigen Familie sinkt das Schonvermögen im Erstantrag von 85.000 Euro auf 30.000 Euro.
| Vermögen der Familie | Heute: erstes Jahr (Karenzzeit) | Heute: ab Monat 13 | Neu 2026: ab Antrag |
|---|---|---|---|
| 30.000 € | frei | frei | frei |
| 50.000 € | frei | frei | 20.000 € einsetzen |
| 70.000 € | frei | 10.000 € einsetzen | 40.000 € einsetzen |
| 85.000 € | an der Karenzgrenze – meist frei | 25.000 € einsetzen | 55.000 € einsetzen |
| 100.000 € | regelmäßig keine Leistungen | 40.000 € einsetzen | 70.000 € einsetzen |
Die Verschiebung ist massiv. Für die Beispiel-Familie sinkt der sofort freie Betrag im Erstantrag von 85.000 auf 30.000 Euro. Das würde den Leistungsbeginn um Jahre nach hinten verschieben, bis das Vermögen die neue Grenze erreicht.
Was geschützt bleibt – und worauf es ankommt
Geschützt bleiben Altersvorsorge mit Verwertungsausschluss, ein angemessenes Kfz und selbstbewohntes, angemessenes Wohneigentum. Frei verfügbares Geldvermögen oberhalb der deutlich niedrigeren und altersabhängigen Freibeträge ist vorrangig einzusetzen.
Politische Einordnung und schärferer Sanktionskurs
Die SPD hat die Karenzzeit eingeführt, um Neuzugänge zu schützen und Verfahren zu vereinfachen. Jetzt droht unter SPD-Führung die Rolle rückwärts. Im Sommer betonte SPD-Chef Lars Klingbeil sinngemäß, man habe sich zu stark um das Bürgergeld gekümmert und zu wenig um die Fleißigen. Das passt zur aktuellen Linie und erklärt, warum das Ministerium beim Vermögen auf Sofortprüfung umstellt.
Parallel sieht der Entwurf einen schärferen Kurs bei Sanktionen vor. Geplant sind schnellere und bundeseinheitliche Minderungen bei Pflichtverletzungen und Terminversäumnissen. Minderungen sollen länger fortwirken. Eine Nachholung beendet sie nicht sofort, sondern frühestens nach einem Monat. Auch der Kooperationsplan wird straffer gefasst. Das wirkt wie ein politisches Signal: mehr Druck am Anfang statt Puffer.
Die Gleichzeitigkeit von Umfragedruck, rhetorischer Neuausrichtung und Regelverschärfung ist auffällig. Eine direkte Kausalität ist naturgemäß nicht belegbar, aber auch nicht unbedingt unplausibel.

