Zum Inhalt springen

Mehr im Portemonnaie: Bürgergeld für Durchschnittsverdiener

Geld im Portemmonaie

Schluss mit dem Bürgergeld Hass. Dafür könnte ein Reformvorschlag sorgen, der viele Arbeitnehmer zu Leistungsempfängern macht. Die Idee: Arbeiten, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen, macht vielen Haushalten zu schaffen – und ist nebenbei einer der Gründe, warum auf Bürgergeld Bedürftigen herumgehackt wird. Das Problem ließe sich lösen, indem an einer Stellschraube der Grundsicherung gedreht würde: den Zuverdienstmöglichkeiten. Wenn Einkommen oberhalb von 1.200 bzw. 1.500 Euro nicht mehr zu 100 Prozent angerechnet werden, profitierten auch Hunderttausende Durchschnittsverdiener.

Die Zuverdienstregeln

Nach den letzten Erhebungen der Agentur für Arbeit sind von den knapp 3,9 Millionen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Bürgergeld Bezug etwa 780.000 Aufstocker (19,8 Prozent), die Einkommen aus entweder einer Vollzeit-, Teilzeit- oder geringfügigen Beschäftigung beziehen.

Der Zuverdienst war eines der großen Themen bei der Einführung des Bürgergelds. Hier sollte sich das Credo der FDP widerspiegeln: Arbeit muss sich lohnen. Daher wurden die Grenzen neu gezogen. Mit dem Bürgergeld bleiben 100 Euro komplett anrechnungsfrei. Von 101 bis 520 Euro werden 20 Prozent nicht angerechnet, von 521 bis 1.000 Euro 30 Prozent und von 1.001 bis 1.200 Euro bzw. 1.500 Euro (für Bürgergeld Bedürftige, die ein minderjähriges Kind haben) 10 Prozent. in Zahlen ausgedrückt: Es bleiben aktuell höchstens 348 Euro bzw. 378 Euro mit minderjährigen Kindern vom Bürgergeld Zuverdienst anrechnungsfrei.

Höhere Freibeträge

Welche Auswirkungen es hätte, wenn diese Werte verändert werden, haben das Ifo-Institut und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ermittelt. Nicht aus dem blauen Dunst heraus, sondern im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums. Heißt: Der Ampel scheint durchaus bewusst zu sein, dass sich etwas ändern muss, damit der Fachkräftemangel behoben wird.

Berücksichtigt werden auch Einkommen über 2.000 Euro

Der Reformvorschlag sieht vor, dass bis 100 Euro nach wie vor keine Kürzung des Bürgergelds erfolgt. Auch die 80-prozentige Anrechnung von Einkommen zwischen 101 und 520 Euro bleibt. Die entscheidende Änderung kommt mit der nächsten Stufe. Sie wird von 521 auf bis zu 2.000 Euro ausgedehnt und sieht eine Anrechnung von nur noch 70 Prozent vor. Bei einem Zuverdienst von über 2.000 Euro werden 65 Prozent angerechnet.

ZuverdienstbisherVorschlag
bis 100 Euro100 % anrechnungsfrei100 % anrechnungsfrei
101 bis 520 Euro20 % anrechnungsfrei20 % anrechnungsfrei
521 bis 1.000 Euro30 % anrechnungsfrei30 % anrechnungsfrei
1.001 bis 1.200 (1.500) Euro10 % anrechnungsfrei30 % anrechnungsfrei
1.201 (1.501) bis 2.000 Euro0 % anrechnungsfrei30 % anrechnungsfrei
ab 2.001 Euro0 % anrechnungsfrei35 % anrechnungsfrei

Musterrechnungen

Eine solche Bürgergeld Reform würde viele Arbeitnehmer besserstellen. Das belegen Musterrechnungen.

  • Demnach hätte ein Single mit einem Bruttoeinkommen von 1.500 Euro monatlich 80 Euro mehr, bei 2.000 Euro sogar 130 Euro und bei 2.500 Euro 70 Euro.
  • Ein Ehepaar ohne Kinder hätte bei einem Bruttoeinkommen von 2.000 Euro etwa 80 Euro mehr im Portemonnaie. Bei 2.500 Euro und 3.000 Euro steigt das Plus auf 100 Euro.
  • Alleinerziehende mit zwei Kindern kämen bei einem Bruttoeinkommen von 3.000 Euro auf rund 270 Euro (66 Euro bei 1.500 Euro und 160 Euro bei 4.000 Euro).
  • Und ein Ehepaar mit zwei Kindern könnte sich bei einem Bruttoeinkommen von 5.000 Euro über rund 330 Euro freuen (70 Euro bei 3.000 Euro und 130 Euro bei 7.000 Euro).

Win-Win mit 136.000 neuen Beschäftigten

Rentieren würde sich die Bürgergeld Reform auf jeden Fall. Etwa 136.000 Menschen kämen in Lohn und Brot und trügen dazu bei, den Arbeitskräftemangel zu beheben. Ferner rechnen die Experten mit über einer Milliarde Euro an Steuern und Sozialabgaben. Vor allem aber: Anders als das Bürgergeld würde diese Neuerung auf breite Akzeptanz stoßen, betont Maximilian Blömer vom Ifo-Institut. Das erleichtere die Umsetzung. Ebenso die Tatsache, dass Arbeitsanreize durch höhere Freibeträge bereits im Koalitionsvertrag verankert seien.

Sanktionen bringen nichts

Untersucht wurde auch, ob sich Leistungsminderungen – besser bekannt als Sanktionen – positiv auswirken. Nein, das wäre nicht der Fall. Soziale Härten beim Bürgergeld würden Betroffene in andere Grundsicherungsleistungen treiben, aber nicht dafür sorgen, dass mehr Menschen in Arbeit gebracht werden. Oder anders ausgedrückt: Um Probleme anzugehen, braucht es Zuckerbrot und keine zusätzliche Peitsche.

Bild: Vitalii Stock/ shutterstock.com