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Bürgergeld zu stark gestiegen – Nullrunde droht

Finanzminister Christian Lindner (FDP) droht mit Bürgergeld Nullrunde

Entgegen der Erwartungen war die Inflation nicht so ausgeprägt wie ursprünglich angenommen, was dazu geführt hat, dass der Bürgergeld Regelbedarf zum 01.01.2024 – nach Ansicht des Finanzministers Christian Lindner (FDP) – zu stark erhöht wurde. Um dies zu kompensieren, sollen Bürgergeld Bedürftige in 2025 keine weitere Anpassung mehr erhalten. Seine Forderung nach einer Nullrunde für 2025 hatte der Finanzminister kürzlich in der Sendung „Maybrit Illner“ noch einmal bekräftigt.

Neu ist der Vorschlag allerdings nicht. Bereits Anfang Dezember hatten wir über einen Kompromiss berichtet: Nullrunde beim Bürgergeld – 2025 keine Erhöhung. Hier hatte sich die Ampel-Regierung mit dem Koalitionspartner FDP darauf geeinigt, dass der Regelbedarf im Jahreswechsel 2023 zu 2024 um 12,2 Prozent angehoben wird, wenn im Gegenzug in 2025 keine weitere Anpassung kommt. Dieser Vorschlag der Nullrunde scheint nun wieder Fahrt aufzunehmen und die 61 Euro monatlich mehr für Alleinstehende sowie die neue Berechnungsgrundlage sind der FDP ein Dorn im Auge.

Konkret behauptete der Finanzminister am vergangenen Donnerstag im TV, dass die Inflation nicht so hoch ausgefallen sei, wie ursprünglich bei der Planung zum Bürgergeld angenommen wurde was dazu geführt hätte, dass das Bürgergeld überproportional gestiegen sei. Um diese übermäßige Erhöhung wieder auszugleichen, dürfe es seiner Ansicht nach keine weitere Anpassung in 2025 geben. Ebenso müsse die Berechnungsmethode auf den Prüfstand.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) reagierte auf die Aussagen Lindners damit, dass der Bürgergeld Regelbedarf „nicht gewürfelt“ würde und nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts das Existenzminimum sichere. Eine pauschale Nullrunde wird es seinen Angaben zu Folge nicht geben und die Daten zur Inflation des Statistischen Bundesamtes werden Aufschluss über eine Erhöhung in 2025 geben.

403,11 Euro Bürgergeld fehlten

Problematisch für diese Diskussion über die Höhe ist, dass der Finanzminister nur auf die Zukunft bzw. höchstens Gegenwart schaut. Betrachtet man aber die Vergangenheit, wird schnell deutlich, wie lange der Bürgergeld Regelbedarf im Minus gelaufen ist.

Hinweis: Das ist der (klein gerechnete) Regelbedarf, den die Regierung für existenzsichernd hält. Der Paritätische Sozialverband hat dagegen bereits in eigenen Ermittlungen festgestellt, dass der Regelsatz bei 813 Euro angemessen wäre.

Dies soll nachfolgendes Diagramm verdeutlichen, in dem wir den regelbedarfsrelevanten Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes mit dem tatsächlich vom Gesetzgeber festgelegten Regelbedarf vergleichen:

Diagramm Bürgergeld Regelbedarf vs. VPI eingefärbt

Auffallend sind die roten Flächen, die den Zeitraum zeigen, in denen der Bürgergeld Regelbedarf niedriger gewesen ist als er hätte durch die Inflation sein müssen. So kam im Jahr 2022 ein Defizit von 391,15 Euro zusammen, die durch einen 200 Euro Sofortzuschlag im August des selben Jahres ein wenig abgemildert wurden – unter dem Strich sind es 191,15 Euro weniger und dies nur beim Regelbedarf.

Im Jahr 2023 summiert sich der Kaufkraftverlust auf 403,11 Euro, so dass Bedürftige insgesamt auf beide Jahre gerechnet monatlich 16,80 Euro zu wenig erhalten haben. Hinzu kommt, dass durch den zu niedrigen Regelbedarf auch die Mehrbedarfe nicht in ausreichender Höhe erbracht wurden – insbesondere für Strom und Lebensmittel, weil sie sich am Regelsatz orientieren. Dazu zählen bspw. der Mehrbedarf für Warmwasser, Mehrbedarfe für Alleinerziehende sowie Schwangere, Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Mit einer vorsichtigen Schätzung lässt sich das gesamte Defizit der letzten 24 Monate auf insgesamt 450 Euro beziffern.

Bis August 2024 noch Unterdeckung

Wenn Finanzminister Lindner nun behauptet, der Regelbedarf sei 2024 überproportional gestiegen, erscheint dies mit Blick auf die Vergangenheit wie blanker Hohn. In fünf von sechs Jahren lang der Regelbedarf unter der Inflation für die regelbedarfsrelevante Ausgaben, davon in den beiden letzten Jahren mehr als deutlich. Würde man nun die letzten 24 Monate (450 Euro Defizit) ins Verhältnis zur Anpassung von 61 Euro setzen – ausgehend davon dass es in 2024 keine Preissteigerungen gibt, bräuchte es 7,4 Monate, damit der Kaufkraftverlust ausgeglichen wird, was bedeutet, dass Bürgergeld Bedürftige bis Mitte August 2024 nicht einen einzigen Cent an Plus hätten. Und das sind nur die Werte für Alleinstehende. Bei größeren Bedarfsgemeinschaften ist der Verlust noch ausgeprägter.

Bild: photocosmos1/ shutterstock