Der Berliner Verein Sanktionsfrei hat die Ergebnisse seiner repräsentativen Bürgergeld-Studie „Wie geht es den Menschen im Bürgergeldbezug?“ vorgestellt. Basis ist eine Online-Befragung von 1.014 Bürgergeld-Empfängern im Alter von 18 bis 67 Jahren, die das Institut Verian durchgeführt hat. Die Zahlen zeichnen ein belastendes Bild: Täglicher Verzicht, kaum Erwerbsperspektiven und ausgeprägte Existenzängste gehören für viele Hilfebedürftige zum Alltag.
Mehr als die Hälfte der Eltern verzichtet auf Essen
In über 50 % aller Haushalte sorgen Engpässe dafür, dass nicht alle Familienmitglieder satt werden – bei Eltern steigt der Druck besonders: 54 % geben an, regelmäßig auf eigene Mahlzeiten zu verzichten, damit ihre Kinder genug zu essen haben. “Da läuft etwas grundlegend falsch”, kommentiert Vereinsvorsitzende Helena Steinhaus die Situation.
Bürgergeld Regelsatz müsste 813 EUR betragen
Regelsatz deckt nicht das Nötigste
Nur jeder Zweite (50 %) bestätigt, dass im eigenen Haushalt alle satt werden – und 72 % bewerten den monatlichen Regelsatz von 563 € als unzureichend, um ein „würdevolles Leben“ zu führen. Trotz einer leichten Anpassung im Vorjahr hat der Betrag faktisch stagniert, während Mieten und Energiepreise weiter steigen.
Geringe Aussicht auf Jobunabhängigkeit
Der Wunsch, unabhängig vom Bürgergeld zu werden, ist mit 74 % groß. Gleichzeitig glauben aber nur 26 %, tatsächlich eine Stelle zu finden, die den Bezug beendet. Viele Betroffene sehen Jobcenter-Angebote als “bedenklich wenig hilfreich” an und kämpfen mit körperlichen, psychischen und strukturellen Hindernissen bei der Arbeitssuche.
Scham, Stigma und Angst vor Verschärfungen
Neben materiellen Entbehrungen prägen psychische Belastungen den Alltag: 42 % der Befragten schämen sich, Bürgergeld zu beziehen, während nur 12 % sich gesellschaftlich zugehörig fühlen. 72 % fürchten außerdem neue Leistungskürzungen oder Totalsanktionen, die sie als existenzgefährdend einstufen.
Paradigmenwechsel beim Bürgergeld: Linnemann will an die Substanz gehen
Forderungen von Sanktionsfrei
Auf Basis der Umfrageergebnisse fordert der Verein konkret:
- Bedarfsdeckender Regelsatz von 813 €, berechnet vom Paritätischen Gesamtverband
- Abschaffung aller Sanktionen bei Pflichtverletzungen
- Umfassende Qualifizierung und Weiterbildung statt einseitigem Vermittlungsvorrang
- Betroffenenbeteiligung bei künftigen Reformen
Diese Maßnahmen sollen laut Sanktionsfrei sicherstellen, dass das Bürgergeld nicht nur existenziell, sondern auch sozial integrierend wirkt.
Quelle: Sanktionsfrei Studie