Die Sorge, ein höheres Bürgergeld würde Geringverdiener dazu verleiten, zu kündigen und fortan von der Grundsicherung zu leben, ist wissenschaftlich nicht haltbar. Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat mittels Simulationsrechnungen nachvollzogen, wie sich die einzelnen Bausteine des dritten Entlastungspakets inklusive des Bürgergelds auf den Arbeitsmarkt und das Arbeitsangebot auswirken.
Lohnt sich Arbeit noch?
Die Debatte darüber, ob sich Arbeit im Niedriglohnsektor angesichts von 53 Euro mehr Bürgergeld Regelsatz überhaupt rentiere, hallt nach. Zwischendurch tauchen immer wieder Meldungen auf, wonach Handwerksmeister über die allzu üppige Grundsicherung schimpfen – um sich dann vorwerfen zu lassen, mit einem höheren Lohn vermutlich weniger Personalsorgen zu haben.
Folgen der Debatte
Teilweise war die Frage, ob das Bürgergeld die Arbeitsmoral tangiert, auch dafür verantwortlich, dass die ursprünglichen Pläne für den Hartz IV Nachfolger auf Drängen von CDU und CSU ausgedünnt wurden. Das gilt etwa für die Dauer der Karenzzeit, die von 24 auf zwölf Monate reduziert wurde.
Bürgergeld Kompromiss: Respekt und Vertrauen bleiben auf der Strecke
Wissenschaftliche Simulationen zum Bürgergeld
Dass durch Arbeit unter dem Strich mehr im Portemonnaie bleibt, wurde durch zig Beispiele von Gewerkschaften und Sozialverbänden bereits hinlänglich nachgewiesen. Jetzt gibt es durch das IAB die wissenschaftliche Bestätigung, bei der alle Aspekte einfließen, die seitens der Ampelkoalition im dritten Entlastungspaket gebündelt wurden.
Geringverdiener profitieren von Entlastungen
Vorweg stellt das IAB klar: „Für sich genommen dürfte eine Erhöhung der Regelbedarfe tatsächlich negative Auswirkungen auf das Arbeitsangebot im unteren Einkommensbereich haben.“ Aber: Es gebe auch gegenläufige Effekte, unter anderem durch die weiteren Entlastungen, von denen Geringverdiener profitierten.
So wirkt sich das Bürgergeld aus
Nur für sich betrachtet, würde das Bürgergeld laut IAB zu einem Rückgang des Arbeitsangebots um „150.000 in Vollzeit arbeitenden Personen (Vollzeitäquivalente) führen“. Sobald in die Simulation auch die Preis- und Lohnentwicklung integriert werden, sinke dieser Wert auf 100.000. Dafür zeichne hauptsächlich der höhere Mindestlohn verantwortlich.
Wohngeldreform und Kinderzuschlag
Da für Geringverdiener mit der Wohngeldreform und dem Kinderzuschlag weitere Maßnahmen zur Entlastung ergriffen worden seien,
„tritt insgesamt so gut wie keine Änderung des Arbeitsangebots mehr auf“,
schreibt das IAB. Zu Buche stünden dann plus 1.000 Vollzeitäquivalente.
Heizkosten
Fügt man in einem letzten Schritt die steigenden Heizkosten in die Simulation ein, wendet sich das Blatt, da bei Bürgergeld-Empfängern angemessene Heizkosten übernommen werden. Dadurch ergebe sich ein „moderat negativer Gesamteffekt“ von 80.000 Vollzeitäquivalenten, erklären die Autoren der Studie. Dieser Effekt trete entlang der gesamten Einkommensverteilung auf.
Fazit des IAB
Das Fazit: Die Anpassung der Bürgergeld-Regelsätze führe unter Berücksichtigung aller Maßnahmen des Entlastungspakets nicht zu einem negativen Effekt auf das Arbeitsangebot in der untersten Einkommensgruppe. Jedoch seien, abhängig von der Entwicklung der Heizkosten, im Bereich der unteren Einkommen negative Reaktionen möglich, gesamtwirtschaftlich „aber kaum relevant“.
Quelle:
Bruckmeier, Kerstin; Wiemers, Jürgen (2023): Energiepreiskrise: Die geplanten finanziellen Entlastungen dürften das Arbeitsangebot nur wenig beeinflussen, In: IAB-Forum 16. Januar 2023, https://www.iab-forum.de/energiepreiskrise-die-geplanten-finanziellen-entlastungen-duerften-das-arbeitsangebot-nur-wenig-beeinflussen/, Abrufdatum: 17. Januar 2023.
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