Wer einen Kredit aufnimmt, kann sich mit einer Restschuldversicherung gegen den Ernstfall absichern. Verliert der Kreditnehmer unverschuldet seinen Job oder wird krank, springt die Versicherung für die Raten ein. Doch zählen diese Versicherungszahlungen beim Bürgergeld als Einkommen? – Nein, sagt das Bundessozialgericht.
Jobcenter sieht Rückbuchungen als Einkommen
Ein Ehepaar hat einen Kredit über gut 44.000 € aufgenommen und zeitgleich eine Restschuldversicherung abgeschlossen. Als der Ehemann wenig später arbeitslos wurde, überwies die Versicherung die fälligen 767 € monatlich direkt auf das Kreditkonto der Bank. Weil die Bank – wie üblich – die Rate zunächst per Lastschrift eingezogen hatte, buchte sie den gleichen Betrag nach Eingang der Versicherungszahlung anschließend auf das Girokonto der Familie zurück. Genau diese Rückbuchungen wertete das Jobcenter als „Zufluss“ und rechnete sie als Einkommen auf das Bürgergeld an.
Neue Schulden statt Bürgergeld: BSG setzt Jobcentern Grenzen
Widerspruch und Klage zunächst erfolglos
Die Familie legte umgehend Widerspruch ein und argumentierte, die Rückbuchungen seien zweckbestimmt und daher nicht als Einkommen anzurechnen. Das Jobcenter blieb aber bei seiner Zufluss-Theorie und wies den Widerspruch zurück.
Vor dem Sozialgericht Köln bekam das Paar erneut kein Recht. Das Gericht übernahm die Linie der Behörde: Entscheidend sei, dass Geld „tatsächlich auf dem Konto landet“. Wofür es gedacht sei, spiele keine Rolle. Eine Pflicht, den erstatteten Betrag sofort wieder an die Bank abzuführen, habe nicht bestanden, deshalb sei das Geld wirtschaftlich einsetzbar gewesen. (S 37 AS 2108/15)
Auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen bestätigte die Anrechnung des Jobcenters. Allerdings ließ es die Revision zu, weil bis dato eine höchstrichterliche Klärung zur Restschuldversicherung fehlte. Damit war der Weg nach Kassel frei. (L 7 AS 834/16)
BSG entscheidet im Sinne der Kläger
Das Bundessozialgericht hob alle Vorentscheidungen auf. Maßgeblich sei nicht der bloße Zufluss auf dem Konto, sondern ein wertmäßiger Zuwachs, der zum Lebensunterhalt bereitsteht. Die Rückbuchung stelle nur den Kontostand wieder her, den die Abbuchung kurz zuvor gemindert habe – ein Nullsummen-Spiel ohne echten Gewinn. (B 14 AS 42/18 R)
Die Versicherungsrate sei von Anfang an rechtlich gebunden: Sie dürfe ausschließlich die Darlehensschuld tilgen. Dieses Zusammenspiel von Bank- und Versicherungsvertrag nehme den Versicherten jede Verfügungsmöglichkeit, deshalb fehle es an „bereiten Mitteln“ im Sinne des § 11 SGB II.
Das BSG verwarf auch den Einwand, die Eheleute hätten freiwillig einen Vertrag geschlossen und müssten die Folgen tragen. Anders als bei frei verfügbaren Darlehen oder Dispokrediten handle es sich hier um verbundene Geschäfte – Kredit und Restschuldversicherung seien wirtschaftlich eine Einheit. Eine bewusste Entscheidung, vorhandenes Einkommen anderweitig einzusetzen, habe es nicht gegeben.
Bürgergeld Anrechnung: Kredit ist kein Einkommen
Restschuldversicherung kein Einkommen
Damit steht höchstrichterlich fest, dass solche Versicherungsleistungen nicht den Charakter von Einkommen haben. Zahlungen der Restschuldversicherung – selbst wenn sie nur kurz über das Girokonto der Betroffenen laufen – verändern den Vermögensstand nicht und können deshalb das Bürgergeld nicht mindern. Die Überweisung an die Bank und die anschließende Rückbuchung an das Ehepaar bleiben für die Leistungsberechnung folgenlos.
Folgerichtig verurteilte der 14. Senat das Jobcenter zur rückwirkenden Auszahlung der gekürzten Beträge und legte der Behörde die Kosten sämtlicher Instanzen auf.