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Bürgergeld-Urteil: Jobcenter darf Stromguthaben nicht mit Gasnachzahlung verrechnen

Stromrechnung mit Guthaben und orangenem Kabel mit Stecker

Zu den Missverständnissen beim Bürgergeld und zuvor bei Hartz IV zählt, dass die Stromkosten vom Amt übernommen werden. Nein: Strom muss aus dem Regelsatz bestritten werden. Wer dann sparsam haushaltet, hat auch als Bürgergeld Bedürftiger Anspruch auf das Guthaben. Es darf auch nicht gegen eine mögliche Gasnachzahlung aufgerechnet werden, wenn man beide Leistungen vom selben Versorger bezieht. Das geht aus einem Urteil des Sozialgerichts Schleswig hervor.

Guthaben und Nachforderungen

Dass Strom und Gas vom selben Anbieter geliefert werden, kommt oft vor. Wenn dann auf der einen Seite eine Nachforderung fällig ist und auf der anderen ein paar Euro Guthaben vorhanden sind, rechnen viele Unternehmen einfach gegen. So auch im Fall einer Familie mit drei Kindern, die seinerzeit Hartz IV (heute Bürgergeld) bezog.

Jobcenter zahlt nur Differenz

2017 hatten die Stadtwerke auf der Rechnung 611,79 Euro Stromguthaben ausgewiesen. Beim Gas wiederum sollte die Familie 649,24 Euro nachzahlen. Unter dem Strich blieb eine Forderung von 37,45 Euro, die das Jobcenter übernahm. Die Familie erhob Widerspruch. Sie forderte die komplette Gas-Nachzahlung in Höhe von 649,24 Euro, weil ihr das Stromguthaben zustehe. Das Amt weigerte sich. So landete der Fall vor Gericht.

Hintergrund: Strom muss aus dem Regelsatz bezahlt werden, so dass auch ein entsprechendes Guthaben bzw. Erstattung für vorausgezahlte Leistungen beim Bürgergeld Bedürftigen anrechnungsfrei zurückgezahlt werden können. Heizkosten dagegen werden separat vom Jobcenter im Rahmen der Kosten für Unterkunft und Heizung erbracht – Guthaben daraus können die Jobcenter zurückfordern und Nachzahlungen, sofern diese angemessen sind, müssen vom Jobcenter erbracht werden.

Betroffenen darf kein Nachteil entstehen

Dort betonten die Richter, dass die durch den Versorger vorgenommene interne Verrechnung vom Jobcenter außer Betracht zu bleiben hat. Die Kammer sei der Überzeugung,

„dass den Klägern durch den Bezug von Strom und Gas aus einer Hand kein Nachteil entstehen darf“.

Denn: Hätte der Versorger Strom und Gas gesondert abgerechnet, hätte den Bürgergeldempfängern das Guthaben aus der Stromabrechnung anrechnungsfrei zugestanden. Hierbei berief sich das Sozialgericht auf ein Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2011 (Aktenzeichen: B 14 AS 185/10 R).

Einsparungen sind kein Einkommen

Ferner gelte:

„Einnahmen, die aus Einsparungen bei den Regelbedarfen resultieren, [sind] über den jeweiligen Bezugszeitraum hinweg von der Berücksichtigung als Einkommen freizustellen.“

Auch diesbezüglich verwiesen die Richter auf das Bundessozialgericht (Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 185/10 R). Eine Gegenrechnung, wie vom Versorger und dann auch vom Jobcenter vorgenommen, käme de facto einer Anrechnung des Guthabens als Einkommen gleich.

Heißt: Stromguthaben muss aus Sicht des Sozialgerichts Schleswig an Bürgergeld Betroffene ausgezahlt und eine Nachforderung für Heizgas über die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II erstattet werden – unabhängig davon, ob man die Leistungen von einem oder von unterschiedlichen Versorgern bezieht.

Sozialgericht Schleswig, Urteil vom 10.08.2022, S 35 AS 635/18.

Revision beim Bundessozialgericht ist anhängig: Aktenzeichen B 7 AS 21/22 R.

Bild: gopixa/ shutterstock.com