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Beim Bürgergeld-Nachfolger werden Sprach- und Integrationskurse zur Pflicht

Junge Migranten besuchen einen Sprach- und Integrationskurs

Das Grundsicherungsgeld, der voraussichtliche Nachfolger des Bürgergelds, setzt ein deutliches Zeichen: Sprach- und Integrationskurse werden verbindlich – wer Termine schwänzt oder Kurse abbricht, spürt Kürzungen. Parallel sollen Eltern in der Regel ab dem ersten Geburtstag des Kindes aktiviert werden, statt wie bisher erst ab dem dritten. Das klingt klar, trifft in der Praxis aber auf knappe Betreuungsplätze und starre Kurszeiten. Erst im nächsten Schritt wird sichtbar, woher der Kurs kommt: Der Referentenentwurf zum Grundsicherungsgeld zieht die Zügel bewusst an und verankert Verbindlichkeit.

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Kern der Reform: Pflicht statt Empfehlung

Der Kooperationsplan bleibt der rote Faden – wird aber schärfer. Künftig dürfen Jobcenter per Verwaltungsakt verpflichten, wenn Gesprächstermine ohne wichtigen Grund platzen oder verabredete Schritte aus dem Kooperationsplan nicht erfolgen. Die Verpflichtung umfasst ausdrücklich auch Integrationskurse nach § 43 AufenthG und berufsbezogene Deutschförderung nach § 45a AufenthG. Damit wird aus der Empfehlung eine einklagbare Pflicht.

Die Sanktionsarchitektur zieht an. Bei Pflichtverletzungen – dazu zählen Nichtantritt, Abbruch oder verursachter Abbruch von Integrations- und Berufssprachkursen – gilt ein einheitlicher Minderungszeitraum von drei Monaten mit 30 Prozent Kürzung des Regelbedarfs. Wiederholte Meldeversäumnisse führen ebenfalls zu 30 Prozent. Bei hartnäckiger Terminverweigerung kann der Regelbedarf zeitweise vollständig entzogen werden, während Unterkunftskosten weiterlaufen.

Migrationssignal: Pflichten verdichten und Anreize senken

Der Entwurf ist mehr als Verfahrenspflege. Er verankert den Vorrang der Vermittlung gesetzlich und betont klare, durchsetzbare Regeln – mit dem erklärten Ziel, Mitwirkung einzufordern und Haushaltsmittel zu schonen. Als Konsolidierungsbeiträge nennt die Begründung ausdrücklich den geplanten Rechtskreiswechsel für Flüchtlinge aus der Ukraine. Hinter der Pflicht zu Sprach- und Integrationskursen steht damit auch ein migrationspolitisches Signal: Integration zuerst, Leistungen an Mitwirkung binden.

Aktivierung der Eltern ab 1. Geburtstag des Kindes

Parallel rückt der Aktivierungszeitpunkt für Eltern vor. Ab Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes sind Arbeit, Maßnahmen oder Sprachkurs in der Regel zumutbar – allerdings nur bei vorhandener Betreuungsmöglichkeit. Die Begründung verweist darauf, dass längere Schonfristen vor allem Frauen schaden und Erwerbstätigkeit eine Vorbildfunktion für Kinder habe. Damit wird der bisherige Rahmen um zwei Jahre verkürzt.

Die Verpflichtung zum Besuch eines Sprachkurses ist grundsätzlich zu begrüßen – Integration beginnt nun mal mit dem Erwerb der Sprache. Offen bleibt jedoch, ob diese Pflicht zwingend schon bei Eltern so junger Kinder greifen muss. Solange Betreuungsplätze fehlen und Eingewöhnung Zeit braucht, droht aus einem richtigen Ziel ein Sanktionsdruck ohne realistische Umsetzung zu werden.

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Wahlfreiheit der Eltern schrumpft

Für Eltern im Grundsicherungsgeld-Bezug bedeutet die Verschiebung mehr als einen früheren Beratungstermin. Sobald eine Betreuungsmöglichkeit als vorhanden gilt – Kita oder Tagespflege, notfalls im größeren Umkreis – kann das Jobcenter die Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen verbindlich anordnen.

Wer sein Kind bewusst erst später in die Kita geben möchte, verliert faktisch die Wahlfreiheit, wenn die Eltern Leistungen nach dem SGB II erhalten. Der spätere Kita-Start wird zum begründungspflichtigen Sonderweg. Wird die Teilnahme an Kursen trotz „vorhandener“ Betreuung verweigert, greifen die Minderungen. Sprache wird zum Dreh- und Angelpunkt – und zum Hebel, Eltern ab Jahr eins in die Pflicht zu nehmen.

Wo die Praxis hakt: Betreuungsplätze sind knapp

Die Reform setzt auf Verbindlichkeit, das Betreuungsnetz tut es nicht. Der Entwurf macht keine Vorgaben zu Wegezeiten, Öffnungszeiten oder Eingewöhnungsphasen. „Vorhandene Betreuungsmöglichkeit“ bleibt als Bedingung abstrakt – genau das öffnet Konflikte mit Jobcentern, wenn ein Platz nur weit entfernt zu bekommen ist, Randzeiten fehlen oder Gruppen kurzfristig schließen. In solchen Fällen wird es am Ende auf Dokumentation ankommen – Anmeldungen, Absagen, Wartelisten, Schließzeiten. Ohne real verfügbare Betreuung fehlt die Grundlage für eine Verpflichtung ab Jahr eins. Mit einem Platz auf dem Papier – auch mit eingeschränkten Zeiten – kann die Pflicht dennoch ausgelöst werden.

Für Grundsicherungsgeld-Empfänger entstehen reale Risiken.

  1. Längere Wege und Mehrkosten, wenn der einzige Platz im größeren Umkreis liegt.
  2. Ein Zeitkonflikt, weil Integrations- und Berufssprachkurse in festen Blöcken und Präsenzformaten laufen, während Kitas mit verkürzten Zeiten oder Notbetrieb arbeiten.
  3. Sanktionsdruck, wenn eine formal auferlegte Pflicht – etwa Kursantritt – an unplanbaren Betreuungslücken scheitert. Die Minderung greift pauschal mit 30 Prozent für drei Monate.

Der Entwurf richtet Verhältnismäßigkeitsprüfungen zwar vor, überlässt ihre Anwendung aber der Praxis.

Verwaltungsakt als Hebel

Neu ist der direkte Zugriff: Wer ohne wichtigen Grund nicht zum Gespräch erscheint oder verabredete Schritte nicht umsetzt, kann sofort per Verwaltungsakt verpflichtet werden – einschließlich Teilnahme an Integrationskurs oder Berufssprachkurs. Der Kooperationsplan dient dabei als Grundlage, bleibt aber kein Schutzschild. Diese Konstruktion verknüpft Beratung und Zwang enger als bisher und macht die Sprachförderung zum zentralen Hebel der Aktivierung.

Die Konsequenz ist bewusst spürbar. Der Gesetzgeber schreibt einen dreimonatigen, einheitlichen Minderungszeitraum fest und ergänzt den Leistungskatalog um einen zeitweisen Entzug des Regelbedarfs bei mehrfachen Meldeversäumnissen. Damit werden Lücken der bisherigen Sanktionspraxis geschlossen – mit der klaren Botschaft, Pflichten zur Integration und Sprachförderung nicht nur anzubieten, sondern durchzusetzen.

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Was das alles bedeutet

Für die Jobcenter bedeutet der Entwurf mehr Steuerungssicherheit, schnelleres Handeln, sichtbarer Druck. Für Familien heißt er: früherer Kurs- und Arbeitsmarktzugang – aber nur, wenn Betreuung real existiert. Für Migranten heißt er vor allem: Sprach- und Integrationskurse sind nicht mehr Randthema, sondern Kernelement der Leistungsgewährung.

Wer sich entzieht, muss mit Kürzungen rechnen. Politisch ist das die Umsetzung des Koalitionsvertrags: Leistungen stärker an Integration binden, Anreize zur Einwanderung in die Sozialsysteme senken und die Arbeitsmarktintegration beschleunigen – begleitet vom Ziel, den Staatshaushalt zu entlasten.

Entscheidend wird, ob die Infrastruktur mithält. Ohne zusätzliche Betreuungsplätze, flexible Kursmodelle und verlässliche Randzeiten droht die Reform, Eltern ab Jahr eins zwischen Kursplan, Kita-Mangel und Sanktionsrecht einzuklemmen – genau dort, wo Integration eigentlich beginnen soll.