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Bürgergeld trotz Arbeit: Mehr als 825.000 auf Jobcenter angewiesen

Mann im Arbeitsanzug auf dem Weg zum Jobcenter, symbolisch für Bürgergeld trotz Job

Nach jahrelangem Rückgang ist die Zahl der erwerbstätigen Bürgergeld-Bezieher 2024 erstmals wieder angestiegen: 826.444 (Jahresdurchschnitt) Menschen mussten ihr Einkommen mit SGB-II-Leistungen des Jobcenters ergänzen, wie aus einer Regierungsantwort auf eine Schriftliche Anfrage des Linken-Abgeordneten Cem Ince hervorgeht. Das sind knapp 30.000 mehr Aufstocker als im Vorjahr.

6,99 Mrd. € Kosten

Für diese aufstockenden Leistungen der Jobcenter zahlte der Bund 6,99 Mrd. € – nach 6,19 Mrd. € im Jahr 2023. Rechnet man ganze Bedarfsgemeinschaften, in denen mindestens eine erwerbstätige Person Bürgergeld bekommt, mit ein, summieren sich die Leistungen sogar auf stolze 11,61 Mrd. €.

Bürgergeld: Wie sich das Jobcenter ausnehmen lässt

20 % stocken auf

Insgesamt bezogen 2024 etwa 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld, darunter rund ein Drittel Kinder und Jugendliche. Betrachtet man nur die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, waren es im Jahresdurchschnitt 3,99 Millionen. Von ihnen mussten 826.444 trotz Arbeit aufstocken – das entspricht gut 20 %.

Wer muss aufstocken – und warum?

Von den 826.444 Betroffenen arbeitet knapp die Hälfte in einem Minijob oder kurzer Teilzeit, etwa zwei Drittel erhalten deutlich unter dem Durchschnittslohn. Niedrige Stundenlöhne, geringe Stundenzahlen und steigende Wohnkosten sind laut Regierungsdaten die Hauptgründe, warum das Einkommen nicht reicht.

Aktuelle Zahlen

Laut den jüngsten Erhebungen der Jobcenter ist die Zahl der Aufstocker etwas zurückgegangen. Im April 2025 wurden 810.849 Erwerbstätige mit aufstockenden Leistungen dokumentiert, während es im Januar noch 822.565 waren.

Zeitraum Anzahl Aufstocker
∅ 2022 812.828
∅ 2023 795.846
∅ 2024 826.444
Januar 2025 822.565
Februar 2025 813.766
März 2025 811.172
April 2025 810.849
Anzahl der erwerbstätigen Leistungsberechtigten in Deutschland, die mit Bürgergeld aufstocken müssen (Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Statistik SGB II, Stand April 2025).

Mindestlohn ein Dauerthema

Der gesetzliche Mindestlohn liegt seit Anfang 2025 bei 12,82 € pro Stunde. Beschlossen ist bereits eine Anhebung in zwei Schritten: Zum 1. Januar 2026 steigt er auf 13,50 €, ab 2027 dann auf 14,60 €. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte zwar 15 € bis 2026 als „erreichbar und wünschenswert“ bezeichnet, durchgesetzt wurde jedoch ein längerer Stufenplan. Arbeitgeberverbände verweisen weiterhin auf Arbeitsplatzrisiken, während Gewerkschaften und Sozialverbände die Entwicklung als zu zögerlich kritisieren und die hohe Zahl der Aufstocker als Beleg für die Notwendigkeit schnellerer und deutlicherer Lohnerhöhungen anführen.

Jahr Mindestlohn (brutto/Stunde)
2024 12,41 €
2025 12,82 €
2026 13,50 €
2027 14,00 €
Gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland 2024 bis 2027 (Quelle: Mindestlohnkommission, Bundesministerium für Arbeit und Soziales).

Ernüchternde Bilanz

Knapp sieben Milliarden Euro und mehr als 800.000 Erwerbstätige, die arbeiten und dennoch Bürgergeld angewiesen sind, zeigen: Ein Job schützt nicht automatisch vor Hilfebedürftigkeit – und die Diskussion um faire Löhne bleibt weiterhin hochaktuell.