165 Euro. Das ist die Grenze für einen Zuverdienst beim Arbeitslosengeld I – brutto wie netto. Wer mehr verdient, bekommt weniger ALG ausgezahlt. Wer mehr arbeitet, verliert schlimmstenfalls seinen Anspruch ganz. Und das, obwohl das Geld aus der Arbeitslosenversicherung stammt, in die vorher jahrelang eingezahlt wurde.
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Wenige machen es – und wenn, dann vorsichtig
Knapp 108 000 Menschen mit ALG-I-Bezug haben zuletzt einen Nebenjob gemeldet. Das entspricht rund 11 Prozent der Leistungsbezieher. Ihr durchschnittlicher Zusatzverdienst lag bei 152 Euro im Monat – also nur knapp unter der gesetzlich erlaubten Grenze. Viele bewegen sich exakt an diesem Limit. Nicht, weil sie nicht mehr wollen – sondern weil das System es nicht zulässt.
Dabei gäbe es Arbeit. Mini-Jobs in Handel, Logistik, Gastronomie oder Reinigung sind genug vorhanden – oft sogar flexibel und stundenweise. Nur: Wer mehr als 14 Stunden und 59 Minuten pro Woche arbeitet, gilt nicht mehr als arbeitslos. Und wer mehr als 165 Euro verdient, dem wird jeder zusätzliche Euro vom Arbeitslosengeld abgezogen (§ 155 SGB III). Unterm Strich lohnt sich der Einsatz kaum.
Viel Theorie, wenig Praxis
Rechnet man die 165 Euro durch den aktuellen Mindestlohn von 12,82 Euro, bleiben gerade einmal rund 12 bis 13 Stunden pro Monat übrig. Das reicht nicht mal für zwei reguläre Arbeitstage – geschweige denn für eine dauerhafte Aushilfstätigkeit. Für Arbeitgeber ist das unbrauchbar: Wer einen Minijob vergibt, braucht planbare Einsätze, nicht einzelne Stunden, die sich um eine Grenze herumschlängeln. Das Ergebnis: Arbeitslose dürfen zwar offiziell dazuverdienen – aber real passt das kaum zu den Anforderungen des Arbeitsmarkts.
Kaum Spielraum bei niedrigem Einkommen
Das Arbeitslosengeld richtet sich nach dem letzten Nettoeinkommen – 60 Prozent für Kinderlose, 67 Prozent mit Kind. Laut Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit (Stand: März 2025) erhielten im Januar rund 1,02 Millionen Menschen Arbeitslosengeld. Davon bekamen 28 Prozent den erhöhten Satz von 67 Prozent, die Mehrheit von 72 Prozent lediglich 60 Prozent des letzten Nettogehalts. Besonders für Beschäftigte im Mindestlohnbereich bedeutet das häufig weniger als 1.000 Euro pro Monat.
Im Durchschnitt lag der Anspruch im Januar 2025 bei 1.268 Euro. Viel Spielraum bleibt da nicht – vor allem nicht für riskante Experimente mit Nebeneinkommen.
Bürgergeld trotz Job: Mindestlohn schlicht zu niedrig
Die Ausnahme, die fast nie greift
Es gibt sie – die Möglichkeit, mehr als 165 Euro behalten zu dürfen: Wer schon vor der Arbeitslosigkeit einen Nebenjob hatte oder selbständig war, kann sich auf eine Sonderregelung berufen. Wer diesen Job mindestens 12 Monate am Stück innerhalb der letzten 18 Monate ausgeübt hat, darf seinen damaligen Durchschnittsverdienst anrechnungsfrei als Freibetrag weiterhin behalten. Aber genau daran scheitert es oft. Ein paar Wochen Pause reichen, und der Anspruch ist weg. Die Regel bleibt meist graue Theorie.
Bürgergeld: höherer Freibetrag, weniger Einzahlung
Was vielen sauer aufstößt: Beim Bürgergeld liegt der anrechnungsfreie Zuverdienst bei einem Minijob bei rund 190 Euro – also mehr als im Arbeitslosengeld. Möglich ist das durch gestaffelte Freibeträge, die je nach Einkommen bis zu 378 Euro reichen können. Und das gilt auch für Menschen, die noch nie in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Beim Arbeitslosengeld – für das man zuvor möglicherweise jahrelang eingezahlt hat – bleibt es dagegen bei starren 165 Euro. Seit 23 Jahren unverändert. Das ist kein Angriff auf das Bürgergeld. Das Problem liegt nicht dort – sondern in der falsch austarierten Regelung beim Arbeitslosengeld.
Arbeitslosengeld Freibetrag im historischen Vergleich
Jahr | ALG Freibetrag | Gesetzlicher Mindestlohn | Minijob-Grenze |
---|---|---|---|
2002 | 165 € (Umrechnung 315 DM) | – | 325 € (Umrechnung 630 DM) |
2007 | 165 € | – | 400 € |
2013 | 165 € | – | 450 € |
2015 | 165 € | 8,50 € | 450 € |
2017 | 165 € | 8,84 € | 450 € |
2019 | 165 € | 9,19 € | 450 € |
2020 | 165 € | 9,35 € | 450 € |
2022 | 165 € | 12,00 € | 520 € |
2024 | 165 € | 12,41 € | 538 € |
2025 | 165 € | 12,82 € | 556 € |
Nur 109 Euro Kaufkraft
Der Zuverdienst-Freibetrag beim Arbeitslosengeld liegt seit dem 1. Januar 2002 bei pauschal 165 Euro – damals umgerechnet aus 315 D-Mark. Seitdem wurde er nie angepasst, weder an steigende Lebenshaltungskosten noch an die Lohnentwicklung. Rechnet man den Betrag inflationsbereinigt in heutige Kaufkraft um, bleiben nach unseren Berechnungen gerade einmal rund 109 Euro übrig. Ein Blick in die Verbraucherpreisstatistik des Statistischen Bundesamts zeigt: Seit 2002 ist der Preisindex um fast 52 Prozent gestiegen – der Freibetrag blieb stehen.