Zweifel und Kritik am geplanten Bürgergeld nimmt die Ampelkoalition schon gar nicht mehr wahr. Die Regierung steuert mit Tunnelblick auf das selbst gesteckte Ziel zu, sich am 1. Januar 2023 von Hartz IV zu verabschieden und damit teils eigene Altlasten abzuwerfen. Die „Augen zu und durch“-Mentalität betrifft inzwischen jede Art von Widerstand. Allerdings droht die Bastion von innen heraus zu bröckeln.
Wunsch nach Sozialgipfel ignoriert
Dass man sich nicht von außen in die Sozialreform „reinquatschen“ lassen möchte, zeichnet sich bereits seit Mitte August ab. Seinerzeit hatte ein breites Bündnis mit dem Sozialverband VdK Deutschland, dem Sozialverband Deutschland (SoVD), dem Deutschen Mieterbund (DMB) und der Tafel Deutschland e.V. um einen Sozialgipfel gebeten, um drängende Probleme zu besprechen.
Nicht mit Betroffenen gesprochen
Darauf ist die Bundesregierung bis heute nicht eingegangen. Der Vorwurf, „mit den wirklich Betroffenen und ihren Vertretern wurde bislang nicht geredet“, steht nach wie vor im Raum. Dabei geht es zwar in erster Linie um gezielte und schnelle Entlastungen. Doch auch die Hartz IV Reform hätte bei einem Sozialgipfel ganz sicher auf der Agenda gestanden. Schließlich betrifft es die Zukunft von Millionen Menschen.
Kein Respekt seitens des Kanzlers
VdK-Präsidentin Verena Bentele wirft Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) daher vor, die Tür für die Menschen verschlossen zu halten, „denen er im Wahlkampf mehr Respekt versprochen hat“. Da Respekt auch beim Bürgergeld eine große Rolle spielen soll, in Form einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe, wäre die Regierung gut beraten, sich ihrer Vorbildfunktion bewusst zu werden.
Kein Interesse am Meinungsaustausch
Indem man einen Sozialgipfel ablehnt, beweist man: Es besteht keinerlei Interesse daran, sich im direkten Gespräch mit den Verbänden zu Forderungen wie einem fair berechneten Regelsatz und den Verzicht auf Sanktionen zu äußern. Stattdessen schweigt man lieber zu jedweder Kritik und lässt die Worte an sich abperlen.
Bundesrechnungshof wird abgekanzelt
Das betrifft auch jene, die sich für Sanktionen und mehr Härte aussprechen, zum Beispiel der Bundesrechnungshof. Er hatte in einem Gutachten sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Pläne für Hartz V als „kontraproduktiv“ betrachtet. Statt Anreize zur Arbeit zu setzen, öffne man Betrügern Tür und Tor, indem man selbst hohe Vermögen (bis 60.000 Euro bei einem Single) in den ersten zwei Jahren nicht antaste oder die Größe der Wohnung unberücksichtigt lasse.
Bundesrechnungshof rügt geplantes Bürgergeld
Behörde darf keinen Sachverständigen stellen
Diese Kritik hätte der Bundesrechnungshof auf Wunsch der CDU/CSU im Rahmen der öffentlichen Anhörung zum Bürgergeld am 7. November wiederholen sollen. Doch SPD, Grüne und FDP lehnten es im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales ab, dass ein Vertreter der Behörde als Sachverständiger benannt wird.
Die Nerven liegen blank
„Ganz offensichtlich will die Ampel berechtigte Kritik seitens des Bundesrechnungshofes am Gesetzentwurf zum Bürgergeld in einer öffentlichen Sachverständigenanhörung nicht zulassen“,
so der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Stracke (CSU). Er glaubt, bei der Ampel liegen die Nerven blank
FDP will Änderung am Bürgergeld-Gesetz
Das könnte der Fall sein. Denn die Geschlossenheit, mit der man sich bislang präsentiert hat, steht auf sehr wackligen Beinen. FDP-Parteivize Johannes Vogel wagte es jetzt, gegenüber der Süddeutschen Zeitung offen Kritik am Bürgergeld zu äußern. Er fordert, dass die Heizkosten auch in den ersten zwei Jahren nur in angemessener Höhe übernommen werden, um zum Sparen anzuregen.
Es kriselt in der Ampel
Generell dürften viele Aspekte des Bürgergelds nicht dem entsprechen, was die FDP sich für eine Hartz IV Nachfolge vorgestellt hätte. Doch bis jetzt hält man zusammen und vermittelt den Eindruck, als wolle man das Bürgergeld mit aller Macht durchboxen, komme, was da wolle. Die Kritikfähigkeit bleibt dabei auf der Strecke.
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