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Einigung erzielt: Kindergrundsicherung kommt 2025

Mädchen sieht aus Fenster

Nach zähen Verhandlungen und teils harten Diskussionen hat die Ampel-Koalition einen Durchbruch bei der Kindergrundsicherung erzielt. Die Eckpunkte verkündeten Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in einer gemeinsamen Pressekonferenz am 28.08.2023. Ab 2025 plant die Bundesregierung Mehrausgaben von rund 2,4 Milliarden Euro für dieses Vorhaben – ursprünglich waren über 12 Milliarden von der Bundesfamilienministerin dafür vorgesehen. Doch was genau bedeutet diese Neuregelung für die Familien in Deutschland?

Ein langer Weg zur Einigung

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) betonte, dass nach Jahrzehnten der Diskussion endlich eine Antwort auf die Kinderarmut in Deutschland gefunden wurde.

„Bis zu 5,6 Millionen armutsbedrohte Familien und ihre Kinder bekommen dadurch die Leistungen schneller, einfacher und direkter.“

Durch diese Reform sollen viele Familien erreicht werden, die bisher, oft wegen Unkenntnis oder bürokratischer Hürden, ihre ihnen zustehenden Gelder nicht abrufen konnten.

Bürgergeld-Regelsätze zementieren Kinderarmut

Kindergrundsicherung im Detail

  • Bündelung von Leistungen: Die neue Kindergrundsicherung soll bestehende Leistungen, wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder und den Kinderzuschlag, zusammenfassen.
  • Einkommensunabhängiger Kindergarantiebetrag: Dieser Garantiebetrag soll das Kindergeld ersetzen, welches aktuell noch bei 250 Euro je Kind im Monat beträgt. Neu wäre, dass dieser Garantiebetrag nicht auf Bürgergeld oder andere Sozialleistungen angerechnet wird. Zudem soll dieser in regelmäßigen Abständen von zwei Jahren anhand des Existenzminimumberichts angepasst werden.
  • Einkommensabhängiger Kinderzusatzbetrag: Ergänzt wird der Kindergarantiebetrag um einen Kinderzusatzbetrag, der sich am Einkommen der Eltern orientiert.
  • Neubemessung des Existenzminimums: Ein zentraler Aspekt der Reform ist die Neubemessung des soziokulturellen Existenzminimums. Die Regelbedarfe für Kinder sollen steigen, wobei festgelegt wurde, dass es zu keiner Absenkung der Regelbedarfe kommt.
  • Einheitliche Einkommensregeln und Anreize zur Erwerbstätigkeit: Mit der Neuregelung soll die Behandlung der Kinder beim Bezug des Kinderzusatzbetrages vereinheitlicht werden. Eltern sollen zudem stärker zu Erwerbstätigkeit motiviert werden.
  • Entlastung für Kinder von Bürgergeld-Beziehern: Die Unterhaltsleistungen sowie der Unterhaltsvorschuss sollen nur noch zu 45 Prozent (bisher 100 Prozent) bei der Bemessung des Kinderzusatzbetrages berücksichtigt werden.
  • Digitalisierung und Zentralisierung: Ein Internetportal soll den zentralen Zugang zu Unterstützungsleistungen erleichtern. Zudem soll die Bundesagentur für Arbeit als alleiniger Ansprechpartner für alle Kinderleistungen dienen. Mit einem niedrigschwelligem Antragsverfahren und einem „Kindergrundsicherungs-Check“ möchte man auch die Familien abholen, die bisher – obwohl möglicherweise ein Anspruch bestand – aus Scham oder zu viel Bürokratie nicht beantragt haben.

Der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der für die Einführung des Bürgergeldes zum 01.01.2023 sorgte, äußerte sich optimistisch über die Grundsicherung und sieht die Kinder in Deutschland als Sieger nach „teils sehr harten Verhandlungen“.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) sprach bei der Einigung von einem „guten Ergebnis“, wies jedoch darauf hin, dass die Kindergrundsicherung 2025 rund 400 Millionen Euro mehr kosten wird als ursprünglich geplant. Dies würde dazu führen, dass in den kommenden Jahren keine weiteren großen Sozialreformen finanziert werden können. Ebenso stellte er klar, dass der beste Weg aus der Armut die Arbeit sei und es keine generellen Leistungsverbesserungen für nichterwerbstätige Eltern geben wird.

Bundeswirtschaftsminister und Parteikollege Lisa Paus‘, Robert Habeck, äußerte sich zufrieden über die Einigung zur Kindergrundsicherung:

„Die Kindergrundsicherung ist ein großer, bedeutsamer Schritt. Sie vollzieht einen Systemwechsel und wird vielen Kindern aus der Armutsfalle helfen. Das ist auch ökonomisch geboten.
[…]

Gerade, weil das bisherige System so unübersichtlich und komplex war, waren die Verhandlungen in der Sache kompliziert. Lisa Paus hat hier sehr gut verhandelt. Es ist eine große Leistung, dass die Regierung diese wichtige sozialpolitische Reform gemeinsam jetzt auf den Weg bringt.“

Von einem Fortschritt spricht auch der Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Christian Dürr, gegenüber der FAZ:

„Wir entbürokratisieren, wir digitalisieren, wir vereinfachen die Familienleistungen in Deutschland.“

Doch gerade solche Worte vielen auch häufig von anderen Politikern im Zusammenhang mit der Einführung des Bürgergeldes zu Jahresbeginn 2023 und nach nun fast einem dreiviertel Jahr kann man sagen, dass bei der Grundsicherung weder entbürokratisiert, noch nennenswert digitalisiert oder vereinfacht wurde.

10.000 Euro vom Staat für jedes Kind – das ist die CDU Idee dahinter

Stimmen zur Einigung

Während die Politik den Kompromiss mehrheitlich als Fortschritt sieht, äußern Fachleute auch Kritik. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, kommentierte, dass die vereinbarte Lösung zur Kindergrundsicherung ein „enttäuschender Kompromiss“ sei. Laut einer Studie des DIW könne eine Erhöhung von 100 Euro pro Kind bis zu 450.000 Kinder und Jugendliche aus der Armut holen.

Auch wurden Bedenken geäußert hinsichtlich der Prioritätensetzung der Bundesregierung:

„Dass die Bundesregierung lieber 6,5 Milliarden Euro an Steuererleichterungen für Unternehmen gewähren möchte, aber nur 2,4 Milliarden Euro zur Bekämpfung von Kinderarmut ausgibt, zeigt deutlich, wo die Prioritäten der Bundesregierung liegen.“

Details müssen noch ausgearbeitet werden

Reif ist die Kindergrundsicherung noch nicht und die Eckpunkte sind jetzt keine Neuheit, da sie im groben Zügen bereits im Vorfeld kommuniziert wurden. Neu ist, dass nun 2,4 Milliarden anstatt 2 Milliarden Euro dafür vorgesehen werden. Ursprünglich hatte Lisa Paus mit einem Budget von 12,4 Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung kalkuliert, diese wurden jedoch vom Finanzminister auf ein Sechstel eingedampft – was in den letzten Wochen für reichlich Zündstoff und einer Blockade des Wachstumschancengesetzeses in der Ampel-Koalition sorgte.

Weitere Details zur Kindergrundsicherung sind aktuell noch nicht bekannt, insbesondere nicht die Beträge der Leistungen oder in welcher Höhe nun das Existenzminimum für Kinder ermittelt wird. Insbesondere wird auch noch klären sein, was mit dem monatlichen Sofortzuschlag von 20 Euro je Kind passiert, welche vorläufig für bedürftige Familien seit dem 01. Juli 2022 bis zur Einführung der Kindergrundsicherung gezahlt wird.

Dies wird nun Aufgabe der Länder und Sozialverbände sein, einen vernünftigen Plan zur Bekämpfung der Kinderarmut auf die Beine zu stellen und zu konkretisieren. Optimistisch äußerte sich die Bundesfamilienministerin, dass das Kabinett Mitte September einen Gesetzesentwurf auf den Weg bringen könne.

Yuliya Evstratenko/ shutterstock.com