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Unfair: Warum das Bürgergeld Rentner und Erwerbsgeminderte schlechter stellt

Taschenrechner und Münzen auf Geldscheinen

Gleiches Recht für alle? Davon sind wir im Bereich der Grundsicherung meilenweit entfernt. Zwar gelten die gleichen Regelsätze für Bürgergeld Bedürftige und Betroffene, die auf Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung angewiesen sind. Bei den Rahmenbedingungen werden aber gravierende Unterschiede sichtbar. Hinsichtlich des Schonvermögens und des eigenen Fahrzeugs werden Rentner und Erwerbsgeminderte spürbar benachteiligt – ebenso bei selbst genutzten Immobilien und einem möglichen Zuverdienst.

Mehr Vermögen mit Bürgergeld

Mit der Bürgergeld Einführung wurde an einigen Stellschrauben gedreht. Menschen, die den Job verlieren, sollte die Sorge genommen werden, mit dem Anspruch auf Bürgergeld gleich alle Ersparnisse zu verlieren. Daher wurde das Schonvermögen in der 12-monatigen Karenzzeit ab Erstantrag auf 40.000 Euro für die erste und auf 15.000 Euro für jede weitere Person der Bedarfsgemeinschaft angehoben. Nach Ablauf der ersten zwölf Monate bleibt dann ein Bürgergeld Vermögensfreibetrag von 15.000 Euro pro Person.

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Rentner nur 10.000 Euro Freibetrag

Davon können Menschen, die auf Sozialhilfe in Form von Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung angewiesen sind, nur träumen. Während für Bürgergeld Bedürftige die Regeln des SGB II gelten, unterliegen sie dem SGB XII – und damit einem deutlich enger gefassten Begriff des Schonvermögens. Statt 15.000 Euro dürfen Rentner in der Grundsicherung maximal jeweils 10.000 Euro behalten. Jeder Cent oberhalb dieses Freibetrages wird als Vermögen angerechnet und kann schlimmstenfalls dazu führen, dass kein Anspruch mehr auf Sozialhilfe besteht. Erst, wenn das eigene Vermögen bis zu diesem Betrag aufgebraucht ist, gibt es Unterstützung vom Staat.

Menschen fühlen sich unfair behandelt

Kein Wunder, dass Menschen, die in die Situation geraten, im Alter Bürgergeld respektive Grundsicherung zu beantragen, sich ungerecht behandelt fühlen. Der „Focus“ hat die Thematik kürzlich aufgegriffen und berichtet über ein Rentner-Paar: „Wir waren fleißig – und sind jetzt schlechter gestellt als Bürgergeld-Empfänger“. Kurzum: Dass mit zweierlei Maß gemessen wird, trägt zur Spaltung der Gesellschaft bei und spielt Menschen gegeneinander aus.

Auto darf doppelt so teuer sein

Doch nicht nur beim Schonvermögen gelten andere Maßstäbe. Auch beim eigenen Auto. Bürgergeld Bedürftige müssen im Antrag VM, der Anlage zur Selbstauskunft/Feststellung der Vermögensverhältnisse der Bedarfsgemeinschaft, auch Kraftfahrzeuge eintragen – allerdings erst ab einem Wert von 15.000 Euro. Eine Angemessenheitsprüfung erfolgt nicht. Hier gilt laut § 12 SGB II: „Die Angemessenheit wird vermutet, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt.“

7.500 zu 15.000 Euro

Bei Rentnern und Erwerbsgeminderten hingegen ist in den gesetzlichen Vorgaben von einem angemessenen Kraftfahrzeug die Rede und erfolgt daher eine Angemessenheitsprüfung. Was in dem Zusammenhang als angemessen gilt? Das Auto darf maximal 7.500 Euro wert sein. Anderenfalls wird der fahrbare Untersatz dem Vermögen zugeordnet. 7.500 zu 15.000 Euro – eine Differenz, die sich nur schwer erklären lässt. Denn gerade Rentner sind in ihrer Bewegungsfreiheit oft eingeschränkt und hätten ohne Auto keine Chance, am sozialen Leben teilzuhaben.

Selbst bewohntes Wohneigentum

Der Sozialverband Niedersachsen sieht noch einen dritten Punkt auf der Liste: selbst bewohnte Immobilien. Bürgergeld Bedürftige dürfen 130 Quadratmeter geschütztes Eigentum haben, Rentner in der Grundsicherung nur 80 Quadratmeter. „Das ist hochgradig ungerecht“, so der Verband. Er fordert, so wie der Sozialverband Deutschland generell, „dass für alle die gleichen Regeln gelten“. Das wäre fair.

Deutlich weniger Hinzuverdienst

Ein weiterer Punkt, der Rentner und Erwerbsgeminderte benachteiligt, ist der erlaubte Hinzuverdienst. Während Bürgergeld-Empfänger bis zu 348 Euro ohne Kind und 378 Euro mit Kind von ihrem Hinzuverdienst behalten dürfen, beträgt der Freibetrag in der Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung lediglich 30 Prozent des Erwerbseinkommens, höchstens jedoch die Hälfte des Regelsatzes nach Regelbedarfsstufe 1 von 563 Euro, also maximal 281,50 Euro. Der Bürgergeld-Grundfreibetrag auf Erwerbseinkommen in Höhe von 100 Euro existiert bei der Grundsicherung nicht.

Allein am Beispiel eines Minijobs wird dieser Unterschied besonders deutlich: Verdienen Bürgergeld-Empfänger bis zur Minijob-Grenze von derzeit 538 Euro, bleiben 189,40 Euro anrechnungsfrei. In der Grundsicherung hingegen sind es bei gleichem Einkommen nur 161,40 Euro. Diese Einschränkung schmälert die Möglichkeiten für Betroffene erheblich, sich durch eigene Anstrengungen finanziell besser aufzustellen.

Zu reich für die Grundsicherung

Das erschütternde Ergebnis: Bürgergeld-Empfänger, die aufgrund des Renteneintrittsalters oder einer Erwerbsunfähigkeit die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, stehen vor einem ernsten Problem. Sobald sie vom Bürgergeld zur Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung wechseln müssen, besitzen sie mit ausgeschöpften Bürgergeld-Freibeträgen plötzlich zu viel Vermögen. Das bedeutet, dass Rentner und Erwerbsgeminderte ihre Ersparnisse erst reduzieren müssen, bis sie die niedrigeren Freibeträge des SGB XII einhalten.

Titelbild: Zerbor / shutterstock