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Singles im Fokus: Vollzeitdruck beim Bürgergeld-Nachfolger „Grundsicherungsgeld“

Mann sitzt allein und wartet auf den Termin zum Vorstellungsgespräch

Alleinstehende rücken beim geplanten Grundsicherungsgeld in den Mittelpunkt – mit klarer Erwartung an schnelle Arbeitsaufnahme. Der vorliegende Referentenentwurf des Arbeitsministeriumsvom 16. Oktober dieses Jahres verankert den Vorrang der Vermittlung, verschärft Mitwirkungspflichten und schreibt fest, die „Arbeitskraft im maximal zumutbaren Umfang“ beim Bürgergeld-Nachfolger ab 2026 einzusetzen. Für Singles ohne Betreuungs- oder Pflegeaufgaben wird Vollzeit damit zur Regel – Ausnahmen müssen belegt werden.

Was die Reform verlangt – und warum Singles in den Fokus rücken

Die Stellschraube heißt Verfügbarkeit. Wer keine Kinder betreut und keine Angehörigen pflegt, soll grundsätzlich ganztags einsetzbar sein. Diese Logik zieht sich durch den Entwurf: Je weniger Einschränkungen außerhalb der Arbeit, desto höher die Zumutbarkeit. Konkret heißt das für die Praxis im Jobcenter: Vollzeit-Angebote bekommen Priorität, Teilzeitwünsche brauchen belastbare Gründe – etwa gesundheitliche Einschränkungen, laufende Therapien, Pflegezeiten oder verbindliche Termine bei Schuldner- und Suchtberatung.

Bürgergeld wird Grundsicherungsgeld: Das ändert sich 2026

Mit dem Kooperationsplan nach § 15 SGB II wird die Linie verbindlich dokumentiert. Pflichten entstehen weiterhin über eigene Bescheide, etwa Meldeaufforderungen oder Zuweisungen. Ablehnungen und Terminversäumnisse sollen schneller Konsequenzen haben. Der Entwurf sieht durchgreifendere Kürzungen vor, bis hin zur Einstellung von Geldleistungen bei andauernder Totalverweigerung – selbstverständlich unter Beachtung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums.

Wie groß ist die Gruppe – die aktuellen Juni-Zahlen

Die Größenordnung macht die Brisanz sichtbar. Nach den jüngsten Monatswerten der Bundesagentur für Arbeit zeigt sich:

BG-Typ (Juni 2025)Anzahl
Bedarfsgemeinschaften insgesamt2.883.181
davon Single-Bedarfsgemeinschaften1.643.134

Die Tabelle zeigt alle Bedarfsgemeinschaften und Single-Bedarfsgemeinschaften (Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Bedarfsgemeinschaften und deren Mitglieder – Deutschland, West/Ost, Länder und Kreise (Monatszahlen)

Das entspricht rund 57 Prozent Single-BGs an allen Bedarfsgemeinschaften. Wichtig: Die Statistik weist Bedarfsgemeinschaften aus, nicht einzelne Personen. Für die Regelwirkung reicht das – denn in Single-BGs fällt die verfügbare Person und damit der Fokus der Vermittlung mit der Bedarfsgemeinschaft zusammen.

Mehr Druck – aber auch mehr Brücken: Passiv-Aktiv-Transfer und § 16e

Die Reform setzt nicht nur auf Sanktionen. Der Entwurf stärkt ausdrücklich die Förderseite. Kern ist die gesetzliche Verankerung und Ausweitung des Passiv-Aktiv-Transfers (PAT). Mit dem neuen § 44f SGB II-E soll PAT dauerhaft ermöglichen, Mittel aus den „passiven“ Leistungen für „aktive“ Förderung zu nutzen. Jobcenter können so mehr Lohnkostenzuschüsse und öffentlich geförderte Beschäftigung finanzieren, ohne jedes Jahr haushaltspolitische Ausweichmanöver zu brauchen.

Gleichzeitig wird § 16e SGB II weiterentwickelt. Der Zugang orientiert sich stärker an der Dauer des Leistungsbezugs, geförderte Arbeitsverhältnisse werden sozialversicherungspflichtig – ein Plus an Absicherung und ein Anreiz für Arbeitgeber, nicht nur kurzfristig einzustellen. Das zielt auf stabile Einstiege, gerade dort, wo reguläre Vollzeit ohne Brücke unrealistisch wäre. Für Alleinstehende bedeutet das: Vollzeit ist der Standard – aber häufiger mit Zuschuss, Begleitung und klarer Perspektive statt Sprung ins kalte Wasser.

Mit der Grundsicherung kommt der Vermittlungsvorrang zurück

Was das im Alltag der Jobcenter ändert

Erstens werden Verfahren dichter. Einladungen, Nachweise und Vermittlungsvorschläge laufen eng getaktet. Reaktionsfristen werden wichtiger, Dokumentation ebenso – wer Gründe hat, muss sie früh belegen. Zweitens rückt Vermittlung vor längere Qualifizierung, wenn direkte Arbeitsaufnahme realistisch erscheint. Das war schon bisher die Richtung, wird nun aber schärfer gefasst. Ebenso bekommen geförderte Jobs mehr Gewicht. Wo Qualifikationslücken oder gesundheitliche Einschränkungen direkten Vollzeit-Einstieg erschweren, soll Förderung die Brücke bauen – vom Zuschuss für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bis zu längerfristig geförderten Stellen.

Für die Umsetzung sind zwei Punkte entscheidend: Zumutbarkeit sauber prüfen und Förderung pragmatisch einsetzen. Ein mechanisches „Vollzeit um jeden Preis“ produziert Abbrüche und Drehtüreffekte. Eine kluge Balance aus Tempo und Stabilität entlastet dagegen alle Seiten – Betroffene, Arbeitgeber, Jobcenter.

Chancen und Risiken – speziell für Alleinstehende

Singles gelten als „voll verfügbar“. Das erleichtert schnelle Vermittlung, wenn Qualifikation und Arbeitsmarkt passen. Wer nach kurzer Arbeitslosigkeit wieder einsteigt, profitiert von klaren Erwartungen, verbindlichen Terminen und zügigen Entscheidungen. Problematisch wird es bei längeren Erwerbslücken, gesundheitlichen Einschränkungen oder fehlenden Abschlüssen. Ohne passende Förderung drohen Kurzverträge, Überforderung, erneute Arbeitslosigkeit – und damit die nächste Sanktionsrunde – und Drehtüreffekt.

Der Entwurf adressiert dieses Risiko mit PAT und der Aufwertung von § 16e. Entscheidend wird sein, ob Jobcenter die neuen Finanzierungsspielräume tatsächlich abrufen – und zwar früh und punktgenau. Für Alleinstehende wäre das der Unterschied zwischen „Druck in eine prekäre Stelle“ und „Brücke in einen tragfähigen Vollzeitjob mit Versicherungspflicht“.

Bürgergeld für Alleinstehende – So viel zahlt das Jobcenter monatlich in 2025

Drei Stellschrauben für eine faire Umsetzung

Erstens Transparenz in der Zumutbarkeitsprüfung. Klare Kriterien, nachvollziehbare Abwägung und sofortige Aktualisierung, wenn Gründe entfallen. Zweitens Priorität auf stabile Einstiege statt bloßer Vollzeit-Statistik. Wenn Abbruchrisiken hoch sind, sollte geförderte Beschäftigung vorgehen. Drittens proaktive Nutzung von PAT-Mitteln. Dabei gilt: Arbeitgeber brauchen Planbarkeit – Zusagen über mehrere Monate statt kleinteiliger Bewilligungen.

So entsteht die Balance, die der Entwurf andeutet: Vermittlung mit Nachdruck – und gleichzeitig Investitionen, die Alleinstehenden den Sprung in reguläre Vollzeit erleichtern.