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ALG 1 und Minijob: Warum sich Zuverdienst kaum lohnt

Hände zählen Euro-Münzen über einer leeren Geldbörse, um den geringen Zuverdienst beim ALG 1 zu symbolisieren.

Ein Zuverdienst beim Arbeitslosengeld 1 (ALG 1) ist erlaubt – aber nur innerhalb enger Leitplanken. Entscheidend sind die 15-Stunden-Grenze pro Woche und ein monatlicher Freibetrag von 165 €, Beträge darüber hinaus werden in der Regel auf das ALG 1 angerechnet, auch beim Minijob. Wir erklären die starren Regeln der Agentur für Arbeit und zeigen mit Rechenbeispielen, warum die 165 €-Grenze den Zuverdienst von Arbeitslosen blockiert.

Kurzüberblick zum Zuverdienst beim ALG 1

  • Maximal 15 Std./Woche erlaubt, sonst endet der Arbeitslosengeld-Anspruch.
  • 165 € Freibetrag pro Monat, darüber volle Anrechnung auf ALG 1.
  • Mehrere Minijobs / Nebenjobs werden bei der Stunden- und Verdienstgrenze zusammengezählt.
  • Meldung an Agentur für Arbeit vor Aufnahme des Nebenjobs ist Pflicht.
  • Rechenbeispiele im Artikel zeigen den tatsächlichen Nettovorteil pro Monat.

Warum der ALG 1 Zuverdienst an der 165 € Grenze scheitert

Knapp über 100.000 Menschen mit ALG-1-Bezug haben zuletzt einen Nebenjob gemeldet. Das entspricht etwas mehr als 10 % aller Arbeitssuchenden im Leistungsbezug. Ihr durchschnittlicher Zusatzverdienst lag mit rund 150 € monatlich nur geringfügig unter der gesetzlich erlaubten Zuverdienstgrenze. Viele bewegen sich exakt an diesem Limit. Nicht, weil sie nicht mehr können oder wollen – sondern weil das System es schlicht nicht zulässt.

Mit dem Bürgergeld eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld überbrücken

Dabei gäbe es Arbeit. Minijobs in Handel, Logistik, Gastronomie oder Reinigung sind genug vorhanden – oft sogar flexibel und stundenweise. Nur:

  • Wer mehr als 14 Stunden und 59 Minuten pro Woche arbeitet, gilt nicht mehr als arbeitslos.
  • Wer mehr als 165 € verdient, dem wird jeder zusätzliche Euro vom Arbeitslosengeld abgezogen (§ 155 SGB III).

Unterm Strich lohnt sich der Einsatz kaum.

Tipp: Freibetrag durch Werbungskosten optimieren

Der Freibetrag von 165 € kann mit sogenannten Werbungskosten effektiv erhöht werden. Das sind Ausgaben, die direkt durch die Nebenbeschäftigung entstehen. Da diese Kosten vom Netto-Einkommen abgezogen werden, bevor die 165 € Freibetrag berechnet werden, steigt der Betrag, den man behalten darf.

Typische Werbungskosten sind Fahrtkosten zur Arbeit, Ausgaben für Arbeitsmaterial oder die Reinigung von Arbeitskleidung. Beispiel: Wer 250 € netto in einem Minijob verdient und 35 € Fahrtkosten angibt, dessen bereinigtes Einkommen liegt nur noch bei 215 €. Der effektive Arbeitslosengeld-Freibetrag steigt somit auf 200 € (165 € Freibetrag + 35 € Werbungskosten).

Der Lohn-Dämpfer: Rechenbeispiele und das Arbeitsmarkthemmnis

Rechnet man die 165 € durch den aktuellen Mindestlohn von 12,82 €, bleiben gerade einmal rund 12 bis 13 Stunden pro Monat übrig. Das reicht nicht mal für zwei reguläre Arbeitstage – geschweige denn für eine dauerhafte Aushilfstätigkeit.

Verdeutlichung der Anrechnung

Um den Freibetrag von 165 € nicht zu überschreiten, darf zum Mindestlohn von 12,82 € pro Stunde nur maximal 12,87 Stunden im Monat gearbeitet werden (165 € geteilt durch 12,82 € pro Stunde).

Hochgerechnet auf eine typische Arbeitswoche (basierend auf 4,33 Wochen pro Monat) entspricht dies einer Arbeitszeit von unter 3 Stunden pro Woche (ca. 2,97 Stunden).

  • Arbeitsmarkthemmnis: Für Arbeitgeber ist der Verwaltungsaufwand für unter 3 Stunden pro Woche kaum zu rechtfertigen.
  • Lohn-Dämpfer: Bei einem Stundenlohn über dem Mindestlohn (z.B. 15 €/Stunde) sinkt die erlaubte monatliche Stundenzahl sogar auf nur noch 11 Stunden, was den Anreiz noch weiter reduziert.
  • Wichtig: Jede Stunde über den 3 Stunden pro Woche wird fast vollständig angerechnet, was den finanziellen Reiz am Zuverdienst massiv beschneidet.

Das Ergebnis: Arbeitslose dürfen zwar offiziell dazuverdienen – aber real passt das kaum zu den Anforderungen des Arbeitsmarkts.

Der erhöhte Freibetrag: Die Sonderregel des Bestandsschutzes

Es gibt sie – die Möglichkeit, mehr als 165 € behalten zu dürfen: Wer schon vor der Arbeitslosigkeit einen Nebenjob hatte oder selbständig war, kann sich auf eine Sonderregelung berufen.

  • Voraussetzung: Wer diese Tätigkeit mindestens 12 Monate am Stück innerhalb der letzten 18 Monate ausgeübt hat, darf seinen damaligen Durchschnittsverdienst als anrechnungsfreien Freibetrag beim Arbeitslosengeld 1 weiterhin behalten.
  • Beispiel 1 (Minijob): Hat eine Person im ALG 1-Bezug zuvor 12 Monate lang einen Minijob mit 500 € Netto-Einkommen ausgeübt, liegt der Freibetrag nicht bei 165 €, sondern bei 500 €. Der Zuverdienst wird dann nicht auf das ALG 1 angerechnet.
  • Beispiel 2 (Selbständigkeit): Wenn jemand im Nebengewerbe mindestens 12 Monate vor der Arbeitslosigkeit durchschnittlich 300 € Gewinn erzielt hat, liegt der Freibetrag nicht bei 165 €, sondern bei 300 € im Monat.

Aber genau daran scheitert es oft. Ein paar Wochen Pause reichen, und der Anspruch ist weg. Die Regel bleibt meist graue Theorie.

Die Kritik: ALG 1-Freibetrag im Vergleich zum Bürgergeld

Kaum Spielraum bei niedrigem Einkommen

Das Arbeitslosengeld richtet sich nach dem letzten Nettoeinkommen – 60 % Leistungssatz für Kinderlose, 67 % mit Kind. Laut Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit (Stand: September 2025) erhielten im Juli rund 1,02 Millionen Menschen Arbeitslosengeld.

  • Davon bekamen nur 27 % (271.000) den erhöhten Satz von 67 %, die Mehrheit von 73 % (730.000) lediglich 60 % des letzten Nettogehalts.
  • Besonders für Beschäftigte im Mindestlohnbereich bedeutet das häufig weniger als 1.000 € pro Monat.
  • Im bundesweiten Durchschnitt lag der Anspruch im Juli 2025 bei 1.296 €. Viel Spielraum bleibt da nicht – vor allem nicht für riskante Experimente mit Nebeneinkommen.

Bürgergeld trotz Job: Mindestlohn schlicht zu niedrig

Bürgergeld: höherer Freibetrag, weniger Einzahlung

Was vielen sauer aufstößt: Beim Bürgergeld liegt der anrechnungsfreie Zuverdienst bei einem Minijob bei rund 190 Euro – also mehr als im Arbeitslosengeld.

  • Möglich ist das durch gestaffelte Freibeträge, die je nach Einkommen bis zu 378 Euro reichen können.
  • Und das gilt auch für Menschen, die noch nie in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben.

Beim Arbeitslosengeld – für das man zuvor möglicherweise jahrelang eingezahlt hat – bleibt es dagegen bei starren 165 €. Seit nunmehr 23 Jahren unverändert. Das ist kein Angriff auf das Bürgergeld. Das Problem liegt nicht dort – sondern in der falsch austarierten Regelung beim Arbeitslosengeld.

Massive Kürzung: Bürgergeld statt Arbeitslosengeld

Kaufkraftverlust: Die 165 € sind nur noch 109 € wert

Der Zuverdienst-Freibetrag beim Arbeitslosengeld 1 liegt seit dem 1. Januar 2002 bei pauschal 165 € – damals umgerechnet aus 315 D-Mark. Seitdem wurde er nie angepasst, weder an steigende Lebenshaltungskosten noch an die Lohnentwicklung.

ALG-1-Freibetrag, gesetzlicher Mindestlohn und Minijob-Grenze im Zeitverlauf (2002–2025)
Jahr ALG 1 Freibetrag Gesetzlicher Mindestlohn Minijob-Grenze
2002 165 € (≈ 315 DM) 325 € (≈ 630 DM)
2007 165 € 400 €
2013 165 € 450 €
2015 165 € 8,50 € 450 €
2017 165 € 8,84 € 450 €
2019 165 € 9,19 € 450 €
2020 165 € 9,35 € 450 €
2022 165 € 12,00 € 520 €
2024 165 € 12,41 € 538 €
2025 165 € 12,82 € 556 €

Rechnet man den Betrag inflationsbereinigt in heutige Kaufkraft um, bleiben nach unseren Berechnungen gerade einmal rund 109 € übrig. Ein Blick in die Verbraucherpreisstatistik des Statistischen Bundesamts zeigt: Seit 2002 ist der Preisindex um fast 52 % gestiegen – der Freibetrag blieb stehen.