Zahlt das Sozialamt einen monatlichen Beitrag für das Fitnessstudio? Genau mit dieser Frage hatte sich am 30. April 2025 das Sozialgericht München zu befassen und entschied, dass Mitgliedsbeiträge für das Sportstudio im Premium-Abo Privatvergnügen bleiben und aus dem Regelbedarf zu zahlen sind.
Sachverhalt
Der 1964 geborene Kläger lebt mit schweren psychischen Erkrankungen und bezieht seit 2013 Eingliederungshilfe als Persönliches Budget für wöchentlich bis zu acht Stunden Fachkraftbetreuung. Seit 2016 erhält er zusätzlich Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII.
Kurz erklärt: Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe) nach § 27 ff. SGB XII ist das Pendant zum Bürgergeld nach SGB II – sie richtet sich allerdings an Menschen, die nicht erwerbsfähig sind und deshalb kein Bürgergeld beantragen können.
In einer Zielvereinbarung von 2018 durfte er die 69,99 € teure „Platinum“-Mitgliedschaft aus dem Budget bestreiten. Alle ab 2020 neu geschlossenen Zielvereinbarungen ließen den Posten weg. Der Bezirk Oberbayern – als überörtlicher Sozialhilfeträger zuständig – lehnte die Kostenübernahme ab, woraufhin der Kläger vor Gericht zog.
Bürgergeld Regelsatz – So hoch ist der Regelbedarf
Entscheidung ohne Fitnessrabatt
Die Kammer stellte zunächst klar, wie das Persönliche Budget rechtlich verankert ist: § 29 Abs. 1 SGB IX erlaubt Geldleistungen statt Sach- oder Dienstleistungen – § 29 Abs. 4 macht eine Zielvereinbarung zur materiellen Voraussetzung. Weil die aktuellen Vereinbarungen das Fitnessstudio nicht mehr enthalten, fehlt bereits die Anspruchsgrundlage.
Anschließend prüfte das Gericht, ob die Kosten als Leistung der Sozialen Teilhabe (§§ 113 ff SGB IX) oder als behinderungsbedingter Mehrbedarf nach § 27a Abs. 4 Nr. 2 SGB XII in Betracht kommen. Leistungen der Sozialen Teilhabe dürfen nur behinderungsbedingte Mehraufwendungen decken – der Besuch eines Fitnessstudios sei aber eine frei gewählte Freizeitbeschäftigung, „vergleichbar mit Spazierengehen, regelmäßigem Dauerlauf, dem Besuch eines Cafés oder Kinos“.
Für die Mehrbedarfsprüfung zog die Kammer das Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) heran. Der dort in § 5 festgelegte Einzelbetrag von 42,44 € für Abteilung 9 „Freizeit, Unterhaltung und Kultur“ gilt für das Basisjahr 2021 und ist unverändert die Bezugsgröße für Kürzungen oder Erhöhungen – unabhängig davon, dass der fortgeschriebene Wert im laufenden Jahr höher liegt. Eine einfache Studiomitgliedschaft koste 20 € – 30 € und liege damit unterhalb dieses Satzes; die Premium-Variante überschreite ihn zwar, sei aber nicht unabweisbar. Ein unvermeidbarer Mehrbedarf liege deshalb nicht vor.
Unter Hinweis auf zwei Leiturteile des Bundessozialgerichts – B 8 SO 9/19 R (28. Januar 2021) zur Bindungswirkung der Zielvereinbarung und B 8 SO 3/21 R (11. August 2022) zum Umgang mit Persönlichen Budgets – betonte das SG München, dass Eingliederungshilfe keine Wunschliste finanziert, sondern allein behinderungsbedingte Nachteile ausgleicht. Die Klage wurde daher vollständig abgewiesen; außergerichtliche Kosten erhält der Kläger nicht erstattet.
Karlsruher Richter nehmen Bürgergeld-Regelsatz auseinander – Ministerium unter Druck
Bedeutung
Das Urteil zieht eine klare Linie: Freizeitausgaben gehören grundsätzlich in den Regelbedarf. Beiträge fürs Gym lassen sich nur dann öffentlich finanzieren, wenn sie in der Zielvereinbarung ausdrücklich als medizinisch notwendiger Teil der Teilhabe definiert und nicht durch kostengünstige Alternativen ersetzbar sind. Ohne diese Festlegung greift weder das Persönliche Budget noch eine Regelsatzanhebung – auch nicht für eine günstigere Basis-Mitgliedschaft. Premium-Abos bleiben private Ausgabe.
