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Meinung zum Bürgergeld? Es mangelt an fundierten Informationen

Politiker kreuzt die Finger

Gegen Bürgergeld-Bedürftige hetzen, ohne das deutsche Sozialsystem überhaupt zu kennen. Damit haben Betroffene schon lange zu kämpfen. Wenn jedoch fundiert und ohne Bevormundung über das Bürgergeld informiert würde, gäbe es durchaus Hoffnung, dass viele ihre Meinung ändern und das Thema völlig anders betrachten. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd).

Regelsatzänderung ist am präsentesten

Hartz IV hat polarisiert, insbesondere dank Talkshows und gescripteter TV-Formate. Dieses durch Fehlinformationen geprägte Menschenbild blieb auch nach der Einführung des Bürgergelds bestehen. Es hat sich teils sogar noch verstärkt. Denn mit dem Bürgergeld ging eine Anhebung der Regelsätze einher, bei einem erwachsenen Single um 53 Euro von 449 auf 502 Euro pro Monat. Laut Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft stellt diese Anpassung die „präsenteste Änderung“ beim Bürgergeld dar.

Umfrage zu Höhe der Leistungen

Das iwd rückte deshalb ganz gezielt die Höhe des Bürgergelds in den Fokus einer Studie mit 4.900 Teilnehmern. Sie wurden in drei Gruppen unterteilt.

Gruppe 1: Erhielt nur Angaben zu den Regelsätzen.

Gruppe 2: Informierte man zusätzlich mit dem Hinweis, dass die Krankenkassenbeiträge und die Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) übernommen werden. Als Beispiel wurde Leipzig genannt, mit Zuzahlungen für die Wohnung von maximal 347 Euro.

Gruppe 3: Wie Gruppe 2, nur bezog man sich nicht auf Leipzig sondern auf Köln mit einem Wohnkostenzuschuss von bis zu 713 Euro.

46,3 Prozent halten das Bürgergeld für zu niedrig

Liegen nur die Informationen zum Regelsatz vor, halten 46,3 Prozent ihn für zu niedrig, 36,8 Prozent für passend und 16,9 Prozent für zu hoch. Je nach politischer Ausrichtung reicht die Spanne derer, die das Bürgergeld für zu niedrig halten bis zu 70,9 Prozent (Linke).

Einschätzung ändert sich mit mehr Daten

Ergänzt um die Informationen zu den KdU in Leipzig, ändert sich an der Einschätzung kaum etwas. 42,4 Prozent werten das Bürgergeld als zu niedrig, 38,3 Prozent als passend und 19,3 Prozent als zu hoch. Mit den Eckdaten aus Köln verschieben sich die Werte: 33,7 Prozent zu niedrig, 39,8 Prozent passend und 26,5 Prozent zu hoch.

So denken Wähler von AfD, CDU/CSU und FDP

Da zuletzt immer wieder von der AfD, den Unionsparteien und auch der FDP eine härtere Gangart gefordert wurde, bis hin zur Zwangsarbeit, ist der Blick auf die Einschätzungen zum Bürgergeld hier besonders interessant.

In der Basisgruppe, die sich nur auf den Regelsatz bezieht, bezeichnen 39 Prozent der AfD-Wähler das Bürgergeld als zu hoch (27,3 Prozent zu niedrig, 33,7 Prozent passend). Bei CDU/CSU halten 22,3 Prozent die Regelsätze für überzogen (30,5 Prozent zu niedrig, 45,9 Prozent passend). Und bei FDP-nahen Teilnehmern lag die Quote derer, die das Bürgergeld für viel oder etwas zu hoch einstuften, bei 17,9 Prozent (27,3 Prozent zu niedrig, 33,7 Prozent passend).

Blinde Gefolgschaft

In den Gruppen zwei und drei steigt die Ablehnung deutlich an: AfD (31,5/42,6 Prozent), CDU/CSU 29,2/38,5 Prozent) und FDP (28,4/35,8 Prozent). Damit wird deutlich: Wenn eine Partei sich negativ zum Bürgergeld und Bürgergeld-Bedürftigen äußert, wird diese Einstellung von möglichen Wählern ungefiltert aufgesogen. Fordert etwa CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann Zwangsarbeit, wird das so akzeptiert und übernommen – ohne jede weitere Information zum Bürgergeld.

Meinung wird angepasst

Dabei unterstreicht die Studie, wie wichtig Fakten sind. Denn: Die Daten beweisen, dass sich mit dem Wissen um das Bürgergeld auch die Einschätzung ändert. Das iwd zieht daraus den Schluss:

„Dass trotz des emotional aufgeladenen Themas Bürgergeld viele Menschen bereit sind, ihre Meinung der Informationslage anzupassen, ist für den gesellschaftlichen Diskurs positiv.“

AfD fällt aus dem Rahmen

Nur AfD-Anhänger fallen laut iwd aus dem Rahmen – weil sie Kennzahlen pessimistischer einschätzen und sich häufiger in sozialen Medien informieren, wo ihnen die Algorithmen genau das präsentieren, was ihrer Meinung entspricht. Daher seien tiefgreifende, nicht bevormundende Bildungs- und Informationsangebote erforderlich. Das Ziel müsse lauten, das komplexe Sozialsystem verständlich zu erklären.

Hoffnung auf ein reelles Bild vom Bürgergeld

Oder anders ausgedrückt: Würden die Zahlen beim Bürgergeld ins rechte Licht gerückt, gerade mit Blick auf die Regelbedarfe für Strom und Lebensmittel, und besser darüber informiert, dass auch Betroffene Pflichten haben und ihnen ganz gewiss kein Zucker in den Hintern geblasen wird, könnte man das Bild in Öffentlichkeit endlich entstauben.

Bild: Albina Gavrilovic/ shutterstock.com