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Jobcenter verweigert erwachsenem Bürgergeld-Empfänger Auszug aus dem Elternhaus

Verzweifelter, älterer Mann sitzt neben gepackten Umzugskartons

Mehrere Generationen unter einem Dach: Das kann funktionieren, aber manchmal kracht es auch. So auch in einer Familie in Reutlingen. Pech nur für den 49 Jahre alten Sohn, dass er auf Bürgergeld und somit den guten Willen des Jobcenters angewiesen war. Das Amt lehnte es ab, die Kosten für den Umzug sowie eine eigene Wohnung zu übernehmen – obwohl er bereits einen unterschriebenen Mietvertrag vorlegte. Das Sozialgericht Reutlingen sprach ein Machtwort zugunsten des Bedürftigen.

Jobcenter sieht keinen wichtigen Grund

Fall: Der 49 Jahre alte Kläger beantragte erstmals Bürgergeld. Seither wohnte er kostenfrei bei den Eltern in deren Wohnung. Das ging ein paar Monate gut. Mit dem Hinweis „es gäbe ständig Streit“ beantragte der Hilfebedürftige beim Jobcenter die Kostenübernahme für eine eigene Wohnung.

So viel Bürgergeld zahlt das Jobcenter Alleinstehenden im Monat

Den „Antrag auf Zusicherung zur Anerkennung von Kosten der Unterkunft und Heizung bei Umzug“ lehnte das zuständige Jobcenter jedoch ab. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass der Streit mit den Eltern „keinen wichtigen Grund für einen Aus- bzw. Umzug aus der mietfreien Wohnung darstelle“.

Alt genug für eigene Wohnung

Das Sozialgericht Reutlingen sah das anders (S 3 AS 1494/21). Ob ein plausibler Grund für einen Auszug vorliegt, bemesse sich nicht daran, ob ein Streit „heftig genug“ sei. Maßstab sei vielmehr, wie ein Nicht-Leistungsbezieher in derselben Lage reagieren würde. Damit verschob das Gericht den Blick von einer rein subjektiven Begründung hin zu einer objektiveren Betrachtung.

Die Richter machten zudem deutlich: Mit 49 Jahren ist der Kläger längst über die Grenze von 25 Jahren hinaus. Ab diesem Alter reicht schon das Lebensalter selbst als hinreichender Grund für den Auszug bei den Eltern. Alles andere würde nach Auffassung der Kammer die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG) und die Freizügigkeit (Art. 11 GG) verletzen.

Angemessenheit als Voraussetzung

Entscheidend war jedoch nicht nur das Alter des Klägers. Das Gericht stellte klar, dass eine Zustimmung nur erteilt werden kann, wenn die KdU der neuen Wohnung im Rahmen der örtlichen Angemessenheitsgrenzen für Miete und Heizung liegt. Diese Voraussetzung war hier erfüllt – deshalb musste das Jobcenter die Zusicherung erteilen und sowohl Miet- als auch Umzugskosten übernehmen.

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Signalwirkung für Betroffene

Das Urteil setzt ein deutliches Signal für Betroffene im Bürgergeld: Wer über 25 ist, muss sich beim Auszug nicht vom Jobcenter blockieren lassen. Familiäre Konflikte oder andere „wichtige Gründe“ müssen nicht nachgewiesen werden – solange die neue Wohnung angemessen ist.