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Bürgergeld: Darf das Jobcenter die Krankschreibung anzweifeln?

Zweifel an Arbeitsunfähigkeit beim Bürgergeld

Den „Gelben“ zücken: Was umgangssprachlich für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung steht, betrifft nicht nur Arbeitnehmer. Auch Bürgergeld-Empfänger sind per Gesetz verpflichtet, dem Jobcenter nachzuweisen, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen Termine oder andere Pflichten absagen. Die entsprechenden fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit triefen regelrecht vor Misstrauen gegenüber Betroffenen – und widersprechen damit der von der Ampel versprochenen Vertrauenskultur beim Bürgergeld.

Anzeige- und Bescheinigungspflicht

Maßgeblich für die „Anzeige- und Bescheinigungspflicht bei Arbeitsunfähigkeit“ ist § 56 SGB II. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte sind demnach verpflichtet,

„eine eingetretene Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen“

und eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Sollte die Arbeitsunfähigkeit länger dauern, bedarf es einer neuen Bescheinigung. Hierzu gibt es einige wenige Ausnahmen, die unter anderem Schüler ab 15 Jahren betreffen.

Hoher Beweiswert ärztlicher Bescheinigungen

Obwohl die Bundesagentur für Arbeit einer ärztlichen Bescheinigung „einen hohen Beweiswert“ zugesteht, weist sie umfassend darauf hin, wie bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit vorzugehen und worauf zu achten ist. Auch hierzu hat der Gesetzgeber Vorgaben formuliert – in § 275 Abs. 1a SGB V. Unterschieden wird zwischen mehrere denkbaren Szenarien:

  • Bürgergeld-Empfänger ist auffallend häufig oder auffallend häufig nur kurz arbeitsunfähig.
  • Arbeitsunfähigkeit beginnt häufig am Beginn oder am Ende der Woche.
  • Arzt, der die Bescheinigung ausstellt, ist auffällig geworden, weil er Bürgergeld Bedürftigen öfter Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.

Weitere berechtigte Zweifel

Zwei Aspekte aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz können ebenfalls Zweifel begründen. Das gilt für Tatsachen, die in den Leistungsbereich des Betroffenen fallen. Etwa, wenn er besonders oft arbeitsunfähig ist, wenn er zu Terminen eingeladen wird, Angebote zu Maßnahmen erhält, es Auseinandersetzungen mit dem Ansprechpartner gab, Vermittlungsvorschläge gemacht oder eine Abwesenheit genehmigt wurde.

Andererseits können auch Tatsachen aus dem Arbeitsbereich des Arztes Zweifel hervorrufen. Das gilt, wenn Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr als zwei Tage rückdatiert wurden oder Folgebescheinigungen dasselbe Datum haben wie die Erstbescheinigung. 

Was passiert bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit?

Sind die Zweifel geweckt, dass ein Bürgergeldempfänger sich grundlos arbeitsunfähig meldet, fangen die bürokratischen Mühlen an zu mahlen. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Medizinische Dienst der Krankenversicherungen (MDK). An ihn wendet sich das Jobcenter, um ein Überprüfungsverfahren einzuleiten. Die Daten hierzu müssen auf dem Postweg übermittelt werden. 

Begutachtung der Bürgergeld-Bedürftigen

Die Begutachtung erfolgt entweder anhand der Aktenlage oder durch einen persönlichen Befund. Betroffene werden dann zu einem Termin in der Beratungsstelle geladen. Über die Rechtsfolgen, sollte man nicht erscheinen, informiert das Jobcenter. Wichtig für Bürgergeldempfänger: Wer zu einem solchen Termin geladen wird, hat Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten durch das Jobcenter gemäß § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 SGB III. Erscheint man nicht, drohen Leistungskürzungen.

Pflichtverletzung oder Meldeversäumnis

Ergibt eine solche Untersuchung, dass man nicht arbeitsunfähig war, handelt es sich um eine Pflichtverletzung oder um ein Meldeversäumnis. Dann muss der Betroffene einen anderen wichtigen Grund nennen, um nicht sanktioniert zu werden. Möglich ist auch ein Widerspruch gegen das MDK-Gutachten. Dann erfolgt ein erneuter Prüfauftrag und das Spiel beginnt von vorn.

Bild: lasido/ shutterstock.com