Zum Inhalt springen

Bürgergeld: Jobcenter darf Mehrbedarf in WG mit Verwandten nicht ablehnen

Lachende alleinerziehende Mutter spielt mit ihren zwei Kindern im Wohnzimmer.

Alleinerziehende, die Bürgergeld beziehen, haben Anspruch auf den Mehrbedarf nach § 21 SGB II – auch dann, wenn sie mit Eltern, Geschwistern oder anderen Verwandten zusammenleben. Das Jobcenter darf den Zuschlag nicht einfach verweigern, nur weil theoretisch andere Familienmitglieder bei der Betreuung helfen könnten. Entscheidend ist, ob tatsächlich eine regelmäßige und verlässliche Mitbetreuung der Kinder stattfindet.

Steht mir der Mehrbedarf auch in einer Wohngemeinschaft mit Verwandten zu?

Das Bundessozialgericht (BSG, Az. B 4 AS 167/11 R) hat eindeutig festgestellt, dass der Mehrbedarf für Alleinerziehende auch dann zusteht, wenn sie mit Verwandten in einer gemeinsamen Wohnung oder einem Haus leben. Maßgeblich ist, wer die Hauptverantwortung für Erziehung und Alltag trägt. Solange der Elternteil die Kinder überwiegend selbst betreut und organisiert, gilt er als alleinerziehend – unabhängig davon, ob andere Angehörige im Haushalt leben. (Als „überwiegend“ gilt in der Regel eine Betreuungsleistung von mehr als 50% durch den alleinerziehenden Elternteil.)

So hoch ist das Bürgergeld für Alleinerziehende 2025

Die Entscheidung stützt das Bundessozialgericht auf ein Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Az. L 10 AS 1691/10). Die bloße Anwesenheit von Großeltern, Geschwistern oder anderen Familienmitgliedern im Haus reicht nicht aus, um den Anspruch zu verneinen. Nur wenn tatsächlich eine regelmäßige und verlässliche Mitbetreuung durch andere Erwachsene erfolgt, kann das Jobcenter den Mehrbedarf kürzen oder ablehnen.

Wie hoch ist der Mehrbedarf für Alleinerziehende beim Bürgergeld?

Der Mehrbedarf für Alleinerziehende soll die besonderen Belastungen ausgleichen, die entstehen, wenn eine Person die Kinder allein großzieht. Dazu zählen etwa eingeschränkte Arbeitsmöglichkeiten, zusätzlicher Betreuungsaufwand, organisatorische Aufgaben und höhere Kosten im Alltag.

Der monatliche Zuschuss zum Bürgergeld richtet sich nach Alter und Anzahl der Kinder. Er beträgt zwischen 36 und 60 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs (563 € in 2025) – aktuell zwischen 67,56 € und 337,80 € im Monat.

Staffelung des Bürgergeld-Mehrbedarfs für Alleinerziehende (Basis: 563 € Regelbedarf 2025)
Anzahl und Alter der Kinder Mehrbedarf in % des Regelbedarfs Mehrbedarf in Euro (Basis 563 €)
1 Kind unter 7 Jahren 36 % 202,68 €
1 Kind über 7 Jahren 12 % 67,56 €
2 Kinder unter 16 Jahren 36 % 202,68 €
3 Kinder 48 % 270,24 €
5 und mehr Kinder 60 % (Höchstgrenze) 337,80 €

Für viele Alleinerziehende ist das ein entscheidender Beitrag zur finanziellen Stabilität.

Warum lehnen Jobcenter den Mehrbedarf oft fälschlich ab?

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Jobcenter den Mehrbedarf ablehnen, wenn ein Elternteil nicht allein wohnt. Oft wird fälschlich angenommen, dass bei gemeinsamer Haushaltsführung mit Verwandten automatisch eine „Bedarfsgemeinschaft“ vorliegt oder eine Mitbetreuung stattfindet.

Tatsächlich handelt es sich in den meisten Fällen jedoch nur um eine Wohngemeinschaft, nicht um eine Bedarfsgemeinschaft. Eine gemeinsame Haushaltsführung im rechtlichen Sinn liegt nur vor, wenn mehrere Personen füreinander einstehen oder gemeinsam wirtschaften.

Das Jobcenter muss nachweisen, dass tatsächlich eine regelmäßige Kinderbetreuung durch andere Haushaltsmitglieder erfolgt. Ohne diesen Nachweis bleibt der Anspruch auf Mehrbedarf bestehen.

Gemeinsam wohnen heißt nicht automatisch Bedarfsgemeinschaft

  • Beispiel aus der Praxis: Eine alleinerziehende Mutter lebt mit ihren zwei Kindern in der Einliegerwohnung der Eltern. Zwar essen alle Familienmitglieder gelegentlich gemeinsam, die Großeltern übernehmen aber keine feste Betreuung der Kinder. In diesem Fall steht der Mutter der Mehrbedarf für Alleinerziehende voll zu.

Was tun, wenn das Jobcenter den Anspruch ablehnt oder kürzt?

Lehnt das Jobcenter den Mehrbedarf ab, sollten Betroffene innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Entscheidend ist, den tatsächlichen Betreuungsalltag genau zu schildern:

  • Wer kümmert sich wann um die Kinder?
  • Gibt es feste Betreuung durch andere Erwachsene oder nur gelegentliche Hilfe?
  • Wie ist die Wohnsituation (z. B. eigene Wohnung im Haus, gemeinsames Bad, getrennte Haushaltsführung)?

Tipp: Hilfreich sind schriftliche Erklärungen der Angehörigen, dass keine regelmäßige Betreuung erfolgt. Wird der Widerspruch abgelehnt, kann der Fall vor dem Sozialgericht geklärt werden. Die Erfolgsaussichten sind gut, solange keine nachweisbare Mitbetreuung durch andere Erwachsene besteht.

Fazit: Warum ist dieser Mehrbedarf so wichtig?

Alleinerziehende tragen im Bürgergeld-System eine besonders hohe finanzielle und organisatorische Belastung. Der Mehrbedarf soll sicherstellen, dass sie ihre Kinder ohne zusätzliche Benachteiligung versorgen können. Er ist Ausdruck des gesetzlichen Schutzes der Familie nach Artikel 6 Grundgesetz – und ein zentrales Instrument, um die Lebenssituation Alleinerziehender zu stabilisieren.