Der Regelsatz des Bürgergelds deckt schon heute kaum die rasant gestiegenen Lebenshaltungskosten – und doch soll ein Teil der Flüchtlinge aus der Ukraine künftig mit noch weniger auskommen.
Ein Gesetzentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium unter Bärbel Bas (SPD) vom 06.08.2025 will die Sozialausgaben bremsen und verlegt neu ankommende Ukrainer vom Bürgergeld zurück ins Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Noch ist das Papier in der Ressortabstimmung – doch schon jetzt steht fest: Wer ab 01.04.2025 einreist, muss als Alleinstehender mit 441 € statt 563 € rechnen und erhält nur eine Basis-Gesundheitsversorgung (Unterschiede sind weiter unten aufgeführt). Die Bundesregierung erwartet Einsparungen beim Bund – Länder und Kommunen warnen vor Mehrkosten.
Inhaltsverzeichnis
Wechsel von SGB II in AsylbLG im Entwurf
Nach BMAS-Plänen sollen alle Ukrainer, die ab 01.04.2025 einreisen, nur noch 441 € monatlich nach AsylbLG erhalten. Krankenbehandlung gibt es dann nur bei Akuterkrankung und Schwangerschaft. Wer bis 31.03.2025 eingereist ist, bleibt im Bürgergeld mit einem Regelsatz von 563 €. Für Fälle mit Bewilligungen zwischen 01.04.2025 und dem Inkrafttreten gilt eine Übergangsregel: Das bereits bewilligte Bürgergeld läuft bis zum Ende des jeweiligen Bewilligungszeitraums weiter, längstens bis 31.05.2026. Rückforderungen sollen vermieden werden.
Rechtsgrundlage der Umstellung ist eine Änderung in §7 Abs.1 S.2 Nr. 2b SGB II sowie eine Ergänzung im §1a AsylbLG. Der Stichtag 01.04.2025 gilt rückwirkend für Neuankünfte. An den Kosten der Unterkunft und Heizung ändert sich grundsätzlich nichts – Miete und Heizung werden weiterhin in angemessener Höhe übernommen, künftig durch das Sozialamt.
Politische Vorgeschichte
Der Plan ist älter als der Entwurf. Im Koalitionsvertrag vom 09.04.2025 zwischen CDU/CSU und SPD heißt es:
Flüchtlinge mit Aufenthaltsrecht nach der Massenzustrom-Richtlinie, die nach dem 01.04.2025 eingereist sind, sollen wieder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, sofern sie bedürftig sind. Die Bedürftigkeit muss durch konsequente und bundesweit einheitliche Vermögensprüfungen nachgewiesen werden. Der Bund wird die hierdurch bei den Ländern und Kommunen entstehenden Mehrkosten tragen.
Der Vorstoß ist weder ein SPD-Alleingang noch ein Schnellschuss. Die Stichtagsregel steht im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD und wird nun per Entwurf umgesetzt. Als CSU-Chef Markus Söder Anfang August forderte, das Bürgergeld für alle in Deutschland lebenden Ukrainer zu streichen und auf Asylbewerberleistungen umzustellen, verwiesen Regierungsvertreter auf die getroffene Vereinbarung. Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) bekräftigte, vorgesehen sei die Umstellung nur für Neuankömmlinge ab 01.04.2025. „Das wird jetzt auch so schnell wie möglich umgesetzt“, sagte er mit Verweis auf den Koalitionsvertrag. Der Entwurf aus dem Arbeitsministerium setzt diese Koalitionslinie in Gesetzestechnik um – nicht mehr und nicht weniger.
Kein Bürgergeld mehr für wehrpflichtige Ukrainer
Kostenersparnis wird zum Nullsummenspiel
Der Rechtskreiswechsel vom Bürgergeld zu Leistungen nach dem AsylbLG wird faktisch ein Nullsummenspiel – nur mit viel zusätzlicher Bürokratie.
Die Umstellung auf das AsylbLG bringt finanziell kaum Entlastung und vor allem mehr Verwaltung. Laut Begründung des Entwurfs sinken die Ausgaben im Bürgergeld um rund 1,32 Mrd. €, gleichzeitig entstehen für Asylleistungen bei Ländern und Kommunen etwa 1,375 Mrd. € zusätzlich. Das Ministerium selbst hält fest, dass sich die Entlastung damit in engen Grenzen hält. Der Koalitionsvertrag stellt zudem klar: Der Bund trägt die dadurch entstehenden Mehrkosten der Länder und Kommunen. Netto bleibt also wenig gewonnen.
Parallel wächst der Aufwand in den Behörden – Akten wandern von Jobcentern zu Sozialämtern, Bescheide werden neu geprüft, IT-Verfahren angepasst, Personal geschult. Das erhöht Fehler- und Widerspruchsrisiken und verlängert Bearbeitungszeiten, ohne die gesamtstaatlichen Ausgaben in Summe tatsächlich zu senken.
Entwicklung der Zuzüge
Das Statistische Bundesamt weist für April 2025 10.000 Zuzüge aus der Ukraine aus und knapp 8.000 Fortzüge, für Mai sind es ebenfalls 10.000 Zuzüge und etwa 7.000 Fortzüge. Die Nettozuwanderung liegt damit bei +2.000 bzw. +3.000 für diese Monate. Viele seit April neu Eingereiste erhalten zunächst eine Fiktionsbescheinigung. Verlässliche amtliche Zahlen dazu, wie viele davon bereits Bürgergeld bezogen, liegen nicht vor. Bereits bewilligte Leistungen bleiben nach dem Entwurf bis zum Ende des Bewilligungszeitraums bestehen, längstens bis 31.05.2026.
Beim Mediendienst Integration können folgende Daten zum Bestand an ukrainischen Staatsangehörigen abgerufen werden, siehe nachfolgende Tabelle:
| 30.04.2025 | 31.07.2025 | Status |
|---|---|---|
| 1.090.207 | 1.106.204 | Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG |
| 54.403 | 51.727 | Fiktionsbescheinigung (noch nicht über den Antrag entschieden) |
| 42.224 | 42.406 | Antrag auf § 24 AufenthG gestellt |
| 34.768 | 33.232 | Schutzgesuch geäußert |
| 35.446 | 36.302 | noch kein Schutzgesuch geäußert und keine Titelerteilung |
| 1.257.048 | 1.269.871 | Gesamt |
Zum 30. April 2025 bezogen laut Bundesagentur für Arbeit insgesamt 693.420 Ukrainer Bürgergeld von den Jobcentern, davon etwa 200.000 Kinder. Im März waren es noch insgesamt 701.020.
Darum haben geflüchtete Ukrainer einen Bürgergeld Anspruch
Bürgergeld (SGB II) und AsylbLG im Vergleich
Regelsätze
| Bedarf | Leistungen Bürgergeld | Leistungen Asylbewerber | Differenz |
|---|---|---|---|
| Regelbedarf für Alleinstehende/ Alleinerziehende (Regelbedarfsstufe 1) | 563 € | 441 € | -122 € |
| Volljährige Partner innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft (Regelbedarfsstufe 2) | 506 € | 397 € | -109 € |
| RL unter 25-Jährige im Haushalt der Eltern (Regelbedarfsstufe 3) | 451 € | 353 € | -98 € |
| Kinder 14 bis 17 Jahre (Regelbedarfsstufe 4) | 471 € | 391 € | -80 € |
| Kinder von 6 bis 13 Jahre (Regelbedarfsstufe 5) | 390 € | 327 € | -63 € |
| Kinder 0 bis 5 Jahre (Regelbedarfsstufe 6) | 357 € | 299 € | -58 € |
Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU)
Am Grundprinzip ändert sich durch den Systemwechsel wenig. Miete und Heizkosten werden weiterhin in angemessener Höhe übernommen – in Gemeinschaftsunterkünften meist als Sachleistung, in privaten Wohnungen als Geld- oder Direktzahlung. Zuständig ist künftig das Sozialamt statt des Jobcenters. Allein der Wechsel des Leistungssystems führt nicht zu einer Kürzung oder einem Pflichtumzug – maßgeblich bleiben die örtlichen Angemessenheitsgrenzen.
Gesundheitsversorgung im AsylbLG
Krankenversicherung im Bürgergeld: Voller GKV-Schutz mit elektronischer Gesundheitskarte (eGK), Leistungen nach dem Kassenrecht.
Beim AsylbLG beschränkt sich der Anspruch in den ersten 36 Monaten des Leistungsbezuges dagegen nur auf die Behandlung akuter Krankheiten und Schmerzzustände sowie auf Schwangerschaft, Geburt, Impfungen und medizinisch notwendige Vorsorgeuntersuchungen. Chronische Leiden werden versorgt, wenn sonst eine Verschlechterung droht. Leistungen wie Zahnersatz, Psychotherapie oder Reha sind nur nach vorheriger Genehmigung möglich. Eine elektronische Gesundheitskarte gibt es nur dort, wo Länder oder Kommunen entsprechende Vereinbarungen geschlossen haben – der Leistungsumfang bleibt dennoch der eingeschränkte des AsylbLG. Nach 36 Monaten greifen in der Regel Analogleistungen nach § 2 AsylbLG mit einem Leistungsniveau nahe der Sozialhilfe.


