Eine krankheitsbedingte Ernährungsumstellung, wie sie etwa bei Gluten- oder Laktoseintoleranz nötig ist, verursacht in der Regel höhere Kosten, da spezielle Lebensmittel teurer sind als Standardprodukte. Für Bezieher von Bürgergeld kann diese finanzielle Mehrbelastung existenzbedrohend sein. Die Frage, ob das Jobcenter diese zusätzlichen Ausgaben als krankheitsbedingten Mehrbedarf übernehmen muss, ist daher von großer Bedeutung. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat jedoch in einem richtungsweisenden Urteil entschieden, dass die Hürden für die Anerkennung eines Mehrbedarfs hoch sind und nicht jede teure Diät automatisch einen Anspruch begründet.
Hohen Hürden für den Mehrbedarf
Bürgergeld-Empfänger, die aus medizinischen Gründen eine spezielle Ernährung benötigen, können unter bestimmten Bedingungen krankheitsbedingten Mehrbedarf geltend machen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist, dass die Ernährungsumstellung ärztlich als medizinisch notwendig bescheinigt wird. Zudem muss die geforderte Ernährungsweise von der üblichen Vollkost (ausgewogene Mischkost, die als Grundlage der allgemeinen gesunden Ernährung gilt) abweichen, da diese durch den Regelsatz bereits abgedeckt ist. Zu den anerkannten besonderen Ernährungsformen zählen zum Beispiel:
- Glutenfreie Ernährung
- Dialyse-Diät
- Laktosefreie Ernährung
- Antientzündliche Diäten (z.B. bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa)
Mehrbedarf für Nahrungsergänzungsmittel nach Magenverkleinerung
LSG: Bio-Ernährung kein Grund für Mehrbedarf
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Az. L 18 AS 626/17 vom 23.01.2019) entschied, dass eine Ernährungsweise, die ausschließlich auf biologisch erzeugten Lebensmitteln basiert, keinen Anspruch auf Mehrbedarf rechtfertigt. Ein Bürgergeld-Empfänger aus Berlin hatte geklagt, da er aufgrund einer vom Arzt diagnostizierten Unverträglichkeit gegenüber konventionell hergestellten Lebensmitteln nur noch Bio-Produkte konsumieren wollte. Der Mann argumentierte, dass diese Produkte frei von Konservierungs- und Geschmacksverstärkern seien, die er nicht vertrage.
Jobcenter lehnt Mehrbedarf ab
Der Kläger beantragte daraufhin einen Mehrbedarf für krankheitsbedingte Ernährung bei seinem zuständigen Jobcenter. Dieses ließ die medizinische Notwendigkeit der geforderten Bio-Produkte durch den Ärztlichen Dienst prüfen. Der Dienst kam zu dem Schluss, dass ein Mehrbedarf medizinisch nicht notwendig sei, entsprechend lehnte das Jobcenter den Antrag ab. Der Kläger wandte sich daraufhin an das Sozialgericht Berlin, das seinen Antrag ebenfalls abwies (S 78 AS 9470/16 vom 17.02.2017). Schließlich entschied das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in letzter Instanz.
Keine medizinische Notwendigkeit nachgewiesen
Das Landessozialgericht bestätigte die Ablehnung des Mehrbedarfs und führte an, dass die medizinische Notwendigkeit der speziellen Ernährungsweise nicht hinreichend belegt sei. Das vom Kläger vorgelegte ärztliche Attest war nach Auffassung des Gerichts zu unspezifisch, um den Anspruch zu untermauern. Weder war klar, welche konkreten Unverträglichkeiten bestanden, noch konnte der Zusammenhang zwischen diesen und einer kostenintensiven Ernährung zweifelsfrei festgestellt werden.
Zudem stellte das LSG fest, dass eine kostenaufwendige Ernährung im Sinne des Sozialgesetzbuches nur dann anerkannt wird, wenn sie von der üblichen Vollkost abweicht. Eine Ernährung mit ausschließlich Bio-Lebensmitteln stellt jedoch keine solche Abweichung dar. Das Gericht wies darauf hin, dass auch im konventionellen Lebensmittelbereich unverarbeitete Produkte erhältlich sind, die ohne Zusatzstoffe auskommen und somit eine ausgewogene Ernährung ermöglichen. Aus diesen Gründen wurde die Klage abgewiesen.


