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Bürgergeld nur noch als Kredit für Migranten

Jobcenter im Hintergrund Logo und Silhouette einer Frau im Vordergrund

Kommunale Haushalte ächzen unter steigenden Sozialausgaben – nun bringen Matthias Jendricke und Marko Wolfram, beide SPD-Landräte in Thüringen, ein Kreditmodell ins Spiel. Bestimmte Sozialleistungen für erwachsene Flüchtlinge und andere Migranten sollen nicht mehr als Zuschuss, sondern als zinsloses Darlehen fließen – ein System wie es bereits vom BAföG bekannt ist. Begründet wird der Vorstoß mit überlasteten Kommunen, dem Wunsch nach schnelleren Integrationsfortschritten und dem Ziel, Akzeptanz vor Ort zu stabilisieren. Im „Stern“ skizzierten die Landräte Anreize wie Teilerlass bei schneller Arbeitsaufnahme und bei bestandenen Sprachprüfungen – gedacht als Signal, Integration zügig anzugehen.

Was der Vorschlag vorsieht

Adressiert sind drei Gruppen: volljährige Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge sowie Ausländer aus Nicht-EU-Staaten. Minderjährige wären ausgenommen. Insgesamt beträfe das aktuell knapp zwei Millionen Menschen im Land, die mit diesem Status auf Bürgergeld (ca. 1,5 Mio.), Sozialhilfe und Asylberwerberleistungen angewiesen sind. Die laufenden Leistungen sollen als zinsloses Darlehen gewährt werden. Wer zügig eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufnimmt, soll nur einen Teil zurückzahlen müssen. Vorgesehen sind Abschläge bei schneller Rückzahlung. Zusätzlich ist ein Bonusmodell skizziert: Bei bestandener Sprachprüfung oder wenn Kinder einen Schulabschluss schaffen, könnte ein Teil der Rückzahlung entfallen. Konkrete Prozentsätze und Fristen liegen nicht in einer offiziellen Ausarbeitung vor, sondern wurden in Medienberichten umrissen.

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Reaktionen aus der SPD – und breite Kritik

Weil der Vorstoß aus der eigenen Partei kommt, beginnt die Debatte schon bei der SPD: Thüringens SPD-Landeschef Georg Maier bezeichnete das Modell als inhaltlich unausgereift. In der Bundestagsfraktion lehnt Rasha Nasr, migrationspolitische Sprecherin, ein Schuldsystem ab und verweist auf die soziale Funktion der Leistungen.

Kritik kommt auch von Grünen, Linken und Menschenrechtsorganisationen. Bei den Grünen sprach der Thüringer Landessprecher Luis Schäfer von einer „Zwangsverschuldung der Ärmsten“. Aus der Linken nannte Bundesgeschäftsführer Janis Ehling den Vorstoß eine „Bankrotterklärung“. Die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Thüringer Landtag, Katharina König-Preuss, warnte nicht nur vor einer Schuldenfalle, sondern sprach von einem Kurs, der „nicht sozial, sondern schäbig“ sei und „der rassistischen Stimmungsmache der AfD“ folge.

PRO ASYL wies das Modell als unsozial zurück. Sprecher Tareq Alaows kritisierte den Plan als realitätsfern und argumentierte, ein Darlehenssystem halte Menschen nicht von der Flucht ab – Fluchtgründe wie Krieg, Verfolgung und Not ließen sich nicht über niedrigere Leistungen steuern –, würde aber die Integration erschweren, weil Schulden und zusätzliche Hürden den Einstieg in Sprache, Qualifizierung und Arbeit bremsten. In der Pressemitteilung heißt es: „Sozialleistungen für Flüchtlinge als Darlehen wären unsozial und absurd und zudem aller Voraussicht nach verfassungswidrig. Dieser Vorschlag verkennt die Realität und missachtet grundlegende Rechte.“

Auch aus der Union kommt Skepsis. Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, warnt vor hohem Verwaltungsaufwand und zweifelt an der praktischen Durchsetzbarkeit – „wo nichts ist, kann man auch nichts holen“. Vor diesem Hintergrund ordnete Sahra Wagenknecht (BSW) den Vorstoß so ein, dass er – gerade weil er aus der SPD komme – die Überlastung vieler Kommunen sichtbar mache. Inhaltlich plädiert sie dafür, dass anerkannte Flüchtlinge, die noch nicht in die Systeme eingezahlt haben, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten sollten, „wie in anderen Ländern“. Bei abgelehnten Asylanträgen sollten Zahlungen enden. Darlehen hält sie für den falschen Weg und bezweifelt die Rückzahlbarkeit in der Praxis.

Einordnung: Anerkannte Flüchtlinge erhalten derzeit in der Regel Bürgergeld nach SGB II, sofern sie erwerbsfähig und hilfebedürftig sind. Nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte fallen unter das SGB XII – je nach Fall entweder unter Hilfe zum Lebensunterhalt oder unter Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Regelbedarfe sind der Höhe nach identisch mit denen im Bürgergeld. Asylbewerberleistungen sind dagegen um einiges geringer, zudem können diese teilweise als Sachleistungen erbracht werden und die Krankenversorgung ist nur auf ein Minimum und Akutfälle beschränkt.

Zustimmung und wohlwollende Signale

Zustimmende Töne kommen vor allem aus Teilen der Union und aus wirtschaftsnahen Kreisen. Philipp Amthor (CDU) nannte das Darlehensmodell prüfenswert und sprach von einem „gewissen Charme“. Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrats der CDU, lobte „vernünftige Vorschläge“ aus der kommunalen Praxis und betonte, die Lage vor Ort nehme man unmittelbarer wahr. Einzelne Unionsverbände äußerten Sympathie, konkrete Gesetzesbuchstaben legte bislang jedoch niemand vor.

Bürgergeld-Infos nur noch auf Deutsch – BA streicht Fremdsprachen

Sozialleistungen für Migranten unter der Lupe

Der Vorstoß der beiden SPD-Landräte fällt in eine Phase, in der Leistungen für Flüchtlinge und Migranten neu verhandelt werden und dabei sind Flüchtlinge aus der Ukraine im Bürgergeld Bezug besonders ins Visier geraten. Zuvor hatte die CSU gefordert, wehrpflichtigen Ukrainern das Bürgergeld zu streichen. Kurz darauf plädierte Markus Söder dafür, ukrainische Staatsangehörige insgesamt aus dem Bürgergeld herauszunehmen und sie in das niedrigere Leistungsniveau des Asylbewerberleistungsgesetzes zu überführen. Nahezu parallel brachte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Gesetzentwurf auf den Weg: Ukrainer, die ab dem 1. April 2025 nach Deutschland einreisen, sollen zunächst Asylbewerberleistungen statt Bürgergeld erhalten. Für bereits hier lebende Menschen ist eine Übergangslösung vorgesehen – begründet mit den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag. Auch die Kommunikation rund um das Bürgergeld wird angepasst: Die Bundesagentur für Arbeit hat angekündigt, Informationsangebote in Fremdsprachen ab 2026 einzustellen und künftig überwiegend Deutsch zu verwenden. Im Koalitionsvertrag wird festgehalten, Anreize zur Einwanderung in die Sozialsysteme deutlich zu reduzieren – flankiert von Ordnung und Steuerung der Migration. In diese Debattenlage reiht sich der Darlehensvorschlag ein und zeigt, wie eng Fragen von Integration, Arbeitsmarkt und kommunaler Entlastung mittlerweile verknüpft sind.