Die Behauptung klingt spektakulär: Syrer könnten „bis zu einem Jahr auf Probe“ in die Heimat reisen – und Deutschland zahle weiter volle Sozialleistungen. Dies ist die Aussage des Berichts auf einem einschlägigen Portal, welches sich ausdrücklich auf Insiderinformationen stützt. Ein Abgleich mit Gesetzen, Behördeninformationen und weiteren Medien zeigt jedoch: Für diese konkrete Behauptung gibt es keine belastbaren Belege. Die geltenden Regeln sind deutlich strenger – und gehen in die entgegengesetzte Richtung. Darauf weisen u. a. die Bundesagentur für Arbeit, das Sozialgesetzbuch, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie der Deutschlandfunk hin.
Inhaltsverzeichnis
Insider-Gerücht ohne Belege
Der fragliche Text nennt weder Aktenzeichen noch Weisungen noch offizielle Schreiben. Es werden keine Dokumente veröffentlicht, nur anonyme Hinweise. Für Verwaltungspraxis und Leistungsrecht reicht das nicht. Seriöse Quellen wie die Bundesagentur für Arbeit, das Sozialgesetzbuch und amtliche Hinweise der Länder liefern eine klare Rechtslage. Eine Regelung, die monatelange Heimataufenthalte mit durchlaufendem Bürgergeld erlaubte, ist dort nicht zu finden.
Bürgergeld-Infos nur noch auf Deutsch – BA streicht Fremdsprachen
Was das Gesetz wirklich sagt
Beim Bürgergeld gilt Erreichbarkeit. Die Ortsabwesenheit ist nur mit vorheriger Zustimmung des Jobcenters möglich und im Regelfall auf drei Wochen pro Kalenderjahr begrenzt. Längere Abwesenheiten beenden grundsätzlich den Leistungsanspruch ab Woche vier. Das ist eindeutig und gelebte Praxis.
In der Sozialhilfe nach SGB XII ruht die Leistung nach vier Wochen ununterbrochenem Auslandsaufenthalt bis zur Rückkehr. Ein „Urlaubsjahr“ mit weiterlaufenden Zahlungen ist ausgeschlossen.
Für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist die Sache noch klarer. Der Anspruch ist an den Aufenthalt im Bundesgebiet gebunden. Mit der Ausreise endet die Leistungsberechtigung. Eine längere Abwesenheit im Ausland, erst recht im Herkunftsland, ist mit Zahlungen nicht vereinbar.
Hinzu kommt das Aufenthalts- und Asylrecht. Seit Ende 2024 enthält § 73 Absatz 7 AsylG eine Vermutungsregel: Reisen Schutzberechtigte in ihr Herkunftsland, wird vermutet, dass die Voraussetzungen für den Schutz nicht mehr vorliegen. Das führt regelmäßig zu Widerrufsprüfungen. Ausnahmen sind eng gefasst, etwa bei sittlich zwingenden Gründen. Von einem „Probejahr“ kann keine Rede sein.
Aktuelle BA-Zahlen zu Syrern im Bürgergeld
Zahlen helfen, die Dimension einzuordnen. Die interaktive Statistik der Bundesagentur für Arbeit weist für syrische Staatsangehörige im Berichtsmonat Juni 2025 bei Gebietsstand September 2025 folgende Bestände aus:
| Anzahl | |
| Regelleistungsberechtigte (RLB) | 485.240 |
| …davon erwerbsfähige Leistungsberechtigte (ELB) | 333.640 |
Regelleistungsberechtigte umfassen erwerbsfähige Empfänger und ihre nicht erwerbsfähigen Angehörigen wie Kinder. Die Werte zeigen eine große Gruppe, die auf funktionierende Regeln angewiesen ist. Für diese Gruppe gelten die oben beschriebenen Grenzen der Ortsabwesenheit uneingeschränkt.
Alter und Geschlecht: So setzt sich die Gruppe zusammen
Die gleiche BA-Quelle erlaubt einen Blick in die Struktur. Unter den Regelleistungsberechtigten sind Männer 273.980 und Frauen 211.260. Das entspricht 56 Prozent Männern und 44 Prozent Frauen. Altersmäßig sind 51 Prozent unter 25 Jahren (247.150 Personen), 43 Prozent zwischen 25 und unter 55 (206.910), 6 Prozent 55 Jahre und älter (31.180).
Bei den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sind Männer 194.160 und Frauen 139.470, also 58 zu 42 Prozent. Nach Alter verteilen sich die ELB wie folgt: 29 Prozent unter 25 (97.870), 62 Prozent 25 bis unter 55 (205.700), 9 Prozent 55 und älter (30.070).
Die Anteile erklären, warum bei den Regelleistungsberechtigten viele Minderjährige enthalten sind, während bei den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die Altersmitte dominiert. Mit angeblichen „Probeaufenthalten“ hat das nichts zu tun. Es spiegelt Familienstrukturen und Erwerbsfähigkeit im Rechtskreis.
Bürgergeld nur noch als Kredit für Migranten
Warum das „Probejahr“ an der Praxis scheitert
Die Regeln der Jobcenter setzen eine durchgängige Erreichbarkeit voraus. Kein Jobcenter kann die Vermittlung in Arbeit organisieren, wenn Leistungsempfänger monatelang im Ausland sind. Genau deshalb ist die Ortsabwesenheit auf drei Wochen begrenzt. Wer länger fort ist, verliert den Anspruch. In der Sozialhilfe ist es nicht anders. Nach vier Wochen ruhen die Zahlungen automatisch. Im Asylbewerberleistungsgesetz endet die Berechtigung sogar unmittelbar mit der Ausreise. Diese drei Sperrriegel wirken zusammen und machen „Urlaubsjahre“ mit Bürgergeld praktisch und rechtlich unmöglich.
Aufenthaltsrechtlich ist die Lage ebenso eindeutig. Eine Reise ins Herkunftsland kann den gesamten Schutzstatus in Frage stellen. Die Vermutungsregel in § 73 Abs. 7 AsylG senkt die Hürde für Widerrufe, statt sie zu erhöhen. Dort heißt es nämlich:
(7) Reist der Ausländer in den Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder wenn er staatenlos ist, in den Staat, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wird vermutet, dass die Voraussetzungen für die Asylberechtigung, die Zuerkennung des internationalen Schutzes oder die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Absatz 5 oder Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht mehr vorliegen. Die Vermutung nach Satz 1 gilt nicht, wenn die Reise sittlich zwingend geboten ist.
Wer die Heimatreise antritt, muss mit Prüfungen rechnen. Ein „Probejahr“ wäre ein Daueranlass für Widerrufe.
Politische Debatte 2025: Kurzbesuche diskutiert, nicht beschlossen
Im Jahr 2025 wurde kontrovers über begrenzte Heimatbesuche diskutiert. Es ging um kurze, streng geregelte Reisen zur Vorbereitung einer dauerhaften Rückkehr. Eine belastbare Entscheidung, die „bis zu ein Jahr“ erlaubte, existiert nicht. Ebenso wenig eine Zusage, in dieser Zeit Bürgergeld durchzuzahlen. Selbst die Debattenvorlagen betonten den Einzelfall und setzten enge Schranken. Die aktuelle Gesetzeslage bleibt maßgeblich.
Was Bürgergeld-Empfänger wirklich wissen müssen
Ortsabwesenheit muss vorab genehmigt werden. Ohne Zustimmung entfällt der Anspruch. Für die ersten drei Wochen kann das Jobcenter zustimmen. Ab Woche vier endet die Zahlung. Die Krankenversicherung ist nur innerhalb der genehmigten Zeit gesichert. Wer Angehörige im Ausland besuchen will, sollte deshalb frühzeitig mit dem Jobcenter sprechen und Reisen in das Herkunftsland rechtlich prüfen lassen. Bei anerkannten Schutzberechtigten kann eine Heimatreise zu einem Widerrufsverfahren führen. Das betrifft Aufenthaltstitel, nicht nur Geldleistungen. Seriöse Beratung hilft, Fehler zu vermeiden.
Ortsabwesenheit vom Jobcenter – Urlaub mit Bürgergeld
Einordnung der Zahlen im Faktencheck
Die BA-Bestände machen deutlich, dass der Rechtskreis Bürgergeld eine große Zahl syrischer Familien umfasst. Genau für diese Gruppe wären klare Regeln besonders wichtig. Die Regeln existieren längst und sind streng. Die Insidergeschichte behauptet dennoch Probeaufenthalte mit vollem Leistungsbezug. Das passt weder zur Erreichbarkeitsvorschrift noch zu Sozialhilfe und AsylbLG noch zum Asylgesetz. Der Faktencheck fällt eindeutig aus. Die kolportierte „Sonderregel“ ist in den verfügbaren, überprüfbaren Quellen nicht auffindbar.
Quellen:
- Jobcenter: Erreichbarkeit
- Fachliche Weisungen: § 7b SGB II Erreichbarkeit
- SGB XII – § 41a Vorübergehender Auslandsaufenthalt
- Bundesagentur für Arbeit Statistiken – Personen nach Staatsangehörigkeiten


