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Gericht stoppt Jobcenter: Bürgergeld-Aufhebung war rechtswidrig

Bürgergeld: Richterin stoppt rückwirkende Aufhebung vorläufiger Bescheide – symbolisch durchgestrichene Aufhebung

Beim Streit ums Bürgergeld schlagen Jobcenter oft den für sie kürzesten Weg ein: Sie heben die Bewilligung der Leistungen kurzerhand auf. Das ist ein sehr effektives Mittel, da Betroffene dann leer ausgehen. Allerdings muss in diesem Kontext sehr genau darauf geschaut werden, ob das Bürgergeld nur vorläufig bewilligt oder endgültig festgesetzt wurde. Denn bei einem vorläufigen Bescheid hat das Jobcenter kein Recht, Leistungen auch rückwirkend zu streichen – sagt das Hessische Landessozialgericht.

Das Wichtigste in Kürze:

Das Hessische LSG entschied unter Az. L 6 AS 188/25 B ER vom 15.05.2025:

  • Jobcenter dürfen vorläufige Bürgergeld-Bescheide nicht rückwirkend aufheben.
  • Maßgeblich ist § 41a SGB II: Rückwirkende Änderungen sind nur im Rahmen der abschließenden Festsetzung erlaubt
  • Urteil schützt Bürgergeld-Empfänger vor plötzlichen Rücknahmen durch das Jobcenter

Konten verschwiegen

Verhandelt wurde der Fall eines Paares mit zwei Kindern, das seit 2023 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhält. Konkret geht es um aufstockendes Bürgergeld, da die Frau ein Einkommen hat. Mit einem vorläufigen – dieser Aspekt ist entscheidend – Bescheid vom 8. Juli 2024 wurden Leistungen für die Zeit vom 1. August 2024 bis zum 31. Januar 2025 bewilligt. Als über ein Kontoabrufersuchen dann plötzlich mehrere bis dato unbekannte Konten ans Tageslicht kamen und der Verdacht im Raum stand, dass noch Verdienste aus einer Selbstständigkeit erzielt werden, wurde am 15. Oktober 2024 die Bewilligung zum 30. September 2024 aufgehoben.

Sozialgericht bestätigt das Jobcenter

Die Bürgergeld Bedürftigen hatten zwar einen Teil der Fragen des Jobcenters zu den Konten und zur Firma beantwortet, allerdings längst nicht alle. Auch der späteren Bitte des Sozialgerichts Darmstadt (Aktenzeichen S 1 AS 599/24 ER vom 20.03.2025), Kontoauszüge einzureichen, kam das Paar nicht nach. Daher waren weder der Widerspruch gegen den Jobcenter Bescheid noch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erfolgreich. Daraufhin ging der Fall eine Instanz weiter an das Hessische Landessozialgericht.

Darf das Jobcenter Kontoauszüge einsehen?

Bescheid ist teilweise rechtswidrig

Dort folgte man der Beschwerde der Bürgergeldempfänger gegen die Entscheidung des Sozialgerichts. Kurzgefasst: Der Senat betonte gleich mehrfach, dass die Entscheidung des Jobcenters, den vorläufigen Bescheid aufzuheben, rechtswidrig war – allerdings nur, soweit dies rückwirkend erfolgte. Konkret: Rechtswidrig ist der vorläufige Bescheid vom 15. Oktober 2024 nur für die Zeit vom 1. bis zum 23. Oktober 2024 (dem Tag, an dem der Widerspruch eingereicht wurde, und für den gesichert anzunehmen ist, dass die Unterlagen vom Amt bei den Bürgergeld Bedürftigen angekommen sind).

3.000 Euro Bürgergeld zu viel erhalten – LSG streicht dennoch Jobcenter Rückforderung

Maßgeblich ist die abschließende Festsetzung

Dabei beruft sich das Landessozialgericht unter anderem auf § 41a Abs. 2 S. 4 SGB II. Dort ist die Rücknahme einer rechtswidrigen vorläufigen Entscheidung nur für die Zukunft vorgesehen. Auch die Begründung des Paragrafen besage, dass eine Rücknahme oder Aufhebung zu Ungunsten der leistungsberechtigten Person „systematisch nicht angezeigt“ sei. Der Grund für diese Einschätzung: Eine vorläufige Entscheidung erledige sich nicht im Wege der Aufhebung, sondern über die abschließende Festsetzung. Das heißt allerdings auch, dass dem Paar trotzdem noch Ungemach drohen kann. Denn, so das LSG: „Eine Korrektur mit Wirkung für die Vergangenheit bleibt der abschließenden Festsetzung überlassen, die allerdings im konkreten Fall bislang nicht erfolgt ist.“