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Bürgergeld schuld an steigenden Krankenkassen-Beiträgen?

Euro-Geldscheine auf Stapel von Krankenkassenkarten der GKV

Laut Bundestagsdrucksache 289/2025 stiegen die Ausgaben der Krankenkassen 2024 um 7,8 %, die Einnahmen aber nur um 5,6 %. Allein für Arznei-, Klinik- und Pflegeleistungen musste die GKV Milliarden mehr ausgeben. Ergebnis: – 6,6 Mrd. € Defizit bei den Kassen und – 3,7 Mrd. € im Gesundheitsfonds. Wenn nichts geschieht, wird die Lücke 2026 noch größer – und kann dann nur noch durch höhere Beiträge gestopft werden.

Beitragssätze steigen seit Jahren

Der Durchschnittszusatzbeitrag ist eine Art Frühwarn­indikator. Er hat sich in sechs Jahren mehr als verdoppelt: von 1,1 % (2019) auf 2,5 % (2025). Doch schon heute liegen die real verlangten Sätze höher: Im Mai 2025 betrug der von den Krankenkassen tatsächlich erhobene Zusatzbeitrag bei durchschnittlich 2,92 %. Zusammen mit dem seit 2015 festgeschriebenen Beitragssatz von 14,6 % zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen bereits rund 17,5 % des Bruttolohns an die GKV.

TK‑Chef Jens Baas warnt: Ohne Gegenfinanzierung „droht eine Spirale ständig steigender Beiträge“ – eine Entwicklung, die absehbar erneut alle Versicherten belasten wird.

Bürgergeld als bequemer Blitzableiter

Sobald die Beitragssätze klettern, rückt das Bürgergeld in den Fokus. Der Vorwurf: Betroffene zahlen nichts ein, belasteten aber das System. Tatsache ist jedoch, dass der Bund für Bürgergeld-Empfänger eine monatliche Pauschale zahlt, aber eine zu geringe. Analysen wie die von FOCUS Online belegen, dass das System dadurch strukturell unterfinanziert ist.

Auch Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) gestand im SPIEGEL, dass die Behandlungskosten von Bürgergeld‑Empfängern seit Jahren „mehr als zehn Milliarden Euro“ unterfinanziert seien und komplett aus dem Bundeshaushalt gedeckt werden müssten.

So groß ist die Lücke

Ein Vergleich macht das Problem greifbar. Wer zum gesetzlichen Mindestlohn von aktuell 12,82 € pro Stunde Vollzeit arbeitet, verdient bei einer 40‑Stunden‑Woche rund 2.222 € brutto im Monat. Darauf entfallen ungefähr 389 € Krankenversicherungsbeitrag, getragen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Bürgergeld‑Empfänger verursachen den Krankenkassen laut IGES-Studie Kosten von rund 350 € pro Kopf und Monat. Der Bund überweist 119,60 € – deckt also nur ein Drittel. Die Differenz von gut 230 € müssen die übrigen Versicherten und Arbeitgeber stemmen. Hochgerechnet auf rund fünf Millionen Bürgergeld‑Bezieher entsteht so jedes Jahr ein zweistelliger Milliardenbetrag, der im Beitragstopf fehlt.

Warum Bedürftige keine Schuld haben

Die Finanzierungslücke ist politisch verursacht. Der Bund hat die Pauschale für Bürgergeld‑Empfänger seit Jahren nicht mehr an die realen Kosten angepasst. Parallel steigen die Ausgaben der GKV für Medikamente, Kliniken und Pflege. Beamte und Privatversicherte tragen zur Finanzierung dieser Gruppe nichts bei, profitieren aber indirekt über Steuern. Zudem wurden teure Reformgesetze – von Digitalisierung bis Klinikumbau – verabschiedet, ohne dass dafür eine vollständige Gegenfinanzierung vorgesehen war. Kurz: Das Defizit entsteht oben, nicht unten.

Was passieren muss

Erstens muss der staatliche Zuschuss sofort auf das reale Kostenniveau angehoben und künftig jährlich an die Ausgabenentwicklung der GKV gekoppelt werden. Zweitens gehören familien- oder sozialpolitische Leistungen, die nichts mit Erwerbseinkommen zu tun haben, vollständig in den Bundeshaushalt statt in die Beitragskasse. Drittens braucht es eine breitere Finanzierungsbasis: Eine Bürgerversicherung, in die auch Beamte, Selbständige und Kapitaleinkünfte einzahlen, würde die Last fairer verteilen. Schließlich muss das Gesundheitswesen selbst effizienter werden – durch eine konsequente Klinikstrukturreform und wirksame Preisbremsen bei Arzneimitteln, damit steigende Kosten nicht ungebremst an die Versicherten weitergereicht werden.