Miete oder Heizkosten, die über den vom Jobcenter anerkannten KdU-Grenzen liegen – für viele Bürgergeld-Empfänger ist das Alltag. Die Differenz, die sogenannte Wohnkostenlücke, muss aus dem ohnehin knappen Regelsatz bezahlt werden. Wie groß dieses Loch im Jahr 2024 war, hat die Bundesregierung nun auf eine Anfrage der Linken zu „Wohnkostenlücke 2024“ offengelegt. Die Zahlen zeichnen ein deutliches Bild: Hunderttausende Haushalte zahlen Monat für Monat teils dreistellige Beträge drauf – mit gravierenden Unterschieden je nach Region und Haushaltsform.
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Jede achte BG mit Unterdeckung
Im Jahresdurchschnitt 2024 mussten 334.225 Bedarfsgemeinschaften zu den Kosten der Unterkunft (inkl. Heizung) etwas dazuzahlen – das sind 12,64 % aller Haushalte mit anerkannten KdU. Bei den Betroffenen lag die Wohnkostenlücke im Mittel bei 116,17 € pro Monat; das entspricht 16,84 % ihrer tatsächlichen Warmmiete (durchschnittlich 690,07 €). Im Vergleich zur Wohnkostenlücke 2023 ist das ein deutlicher Anstieg: Damals lag der durchschnittliche Fehlbetrag bei 103,32 € (15,71 %), betroffen waren 319.885 Bürgergeld-Haushalte (12,19 %).
Bürgergeld Mietobergrenzen – So hoch darf die Miete sein
Länderüberblick: Wo am meisten zugezahlt wird
Berlin führt bei der Zuzahlung (Ø 179,69 €), Rheinland-Pfalz bei der Quote (17,85 %). Sachsen-Anhalt hat die niedrigste durchschnittliche Zuzahlung (Ø 87,06 €); Nordrhein-Westfalen liegt mit Ø 103,12 € im unteren Bereich, stellt aber die meisten Betroffenen. Wichtig dabei: Mietobergrenzen sind regional unterschiedlich und sollen das Mietniveau abbilden, Regelsätze sind bundeseinheitlich – die Differenz wird also überall aus demselben Regelsatz bezahlt.
Bundesland | Betroffenen-Quote | Ø monatliche Zuzahlung |
---|---|---|
Deutschland | 12,64 % | 116,17 € |
Berlin | 9,20 % | 179,69 € |
Bayern | 15,28 % | 142,72 € |
Bremen | 8,05 % | 121,87 € |
Schleswig-Holstein | 10,68 % | 120,64 € |
Brandenburg | 6,81 % | 120,22 € |
Niedersachsen | 15,29 % | 119,16 € |
Hamburg | 12,18 % | 118,47 € |
Hessen | 14,07 % | 114,81 € |
Mecklenburg-Vorpommern | 7,50 % | 112,74 € |
Rheinland-Pfalz | 17,85 % | 110,83 € |
Baden-Württemberg | 15,44 % | 109,31 € |
Nordrhein-Westfalen | 11,96 % | 103,12 € |
Sachsen | 11,34 % | 101,19 € |
Thüringen | 11,61 % | 100,17 € |
Saarland | 12,44 % | 98,99 € |
Sachsen-Anhalt | 12,22 % | 87,06 € |
Alleinerziehende: 131 € Lücke
Rund 70.000 Alleinerziehende mit Bürgergeld hatten 2024 eine Unterdeckung bei den Wohnkosten. Bei ihnen lagen die tatsächlichen Miet- und Heizkosten 131 € über den anerkannten Beträgen, gemessen an der durchschnittlichen Warmmiete von 809 € entspricht das 16,2 % – oder 23,3 % des Regelsatzes für Alleinstehende (563 €). In Neustadt-Weiden (Bayern) zahlten betroffene Alleinerziehende durchschnittlich 346 € im Monat drauf – ein Spitzenwert, der zeigt, wie weit lokale Grenzen hinter der Realität zurückliegen können.
Jobcenter-Richtwerte: Bürgergeld wird zur Schuldenfalle
Familien mit Kleinkind: 146 € fehlen
Bürgergeld-Haushalte mit mindestens einem Kind unter sechs Jahren mussten bundesweit 146,41 € pro Monat zuzahlen. Das sind 15,9 % ihrer tatsächlichen Warmmiete von gut 920 €. Im oberbayerischen Landkreis Ebersberg erreicht die Lücke rund 345 € – nahezu ein kompletter Kinder-Regelsatz im Bürgergeld.
Singles: 97 € aus eigener Tasche
Alleinstehende Bürgergeld-Empfänger mit Lücke mussten im Schnitt 97 € an anderen Stellen einsparen. Bei einer durchschnittlichen Warmmiete von 533 € ist damit knapp jeder fünfte Euro der Miete selbst zu stemmen. Umgerechnet auf den Regelsatz für Singles sind das 17 % des rechnerischen Existenzminimums. In oberbayerischen Kreis Miesbach steigt der Fehlbetrag auf 299 € – rund 53 % des Regelsatzes.
Regionale Hotspots
Hotspots zeigen sich in zwei Mustern: Entweder sind die Beträge je betroffenen Haushalt besonders hoch – typisch für Innenstadtlagen und oberbayerische Kreise – oder die Betroffenenquote ist überdurchschnittlich, selbst wenn der Betrag pro Fall niedriger ausfällt. In Berlin‑Friedrichshain liegt die durchschnittliche Wohnkostenlücke bei 171 €, in Berlin‑Spandau bei 154 €. Beträge in dieser Größenordnung entsprechen rund 27 bis 30 % eines Regelsatzes (563 €) und reißen Monat für Monat ein spürbares Loch in das Budget.
Düren in Nordrhein‑Westfalen steht für das zweite Muster: Das Defizit je Fall beträgt 112 €, dafür ist der Anteil betroffener Haushalte sehr hoch – rund jede vierte Bürgergeld-Bedarfsgemeinschaft muss zuzahlen. Für die Betroffenen ist das kaum weniger belastend, weil die Wahrscheinlichkeit, überhaupt eine Wohnkostenlücke zu haben, deutlich größer ist.
In oberbayerischen Hochpreisregionen kommen beide Effekte häufiger zusammen. Landkreise wie Miesbach oder Ebersberg fallen in den Detailauswertungen mit sehr hohen Einzelbeträgen auf – bei Singles bis 299 €, bei Familien mit Kleinkindern bis etwa 345 €. Das unterstreicht, dass „Hotspot“ nicht nur „teurer Wohnort“ bedeutet, sondern entweder hohe Zuschüsse pro Fall oder viele Betroffene – und beides zieht das Geld direkt aus dem Portemonnaie.
Jeder zweite Bürgergeld-Empfänger fürchtet Wohnungsverlust
Zu kleine Wohnungen als Ausweichstrategie
Um mit der Miete innerhalb der Richtwerte der Jobcenter zu bleiben, weichen viele Familien in kleinere Wohnungen aus. Rund 22.000 Partner‑Bedarfsgemeinschaften mit zwei Kindern – das sind 17,10 % dieser Haushalte – lebten 2024 auf unter 60 m². Für vier Personen bedeutet das maximal 15 m² pro Kopf statt der 20 m², die landesrechtliche Förderprogramme im sozialen Wohnungsbau für Vier-Personen-Haushalte üblicherweise ansetzen (80 m²). Unterm Strich ist das ein Viertel weniger Wohnfläche als der Richtwert. Der Mechanismus dahinter ist simpel: Je kleiner die Wohnung, desto eher bleibt die Warmmiete unter der Angemessenheitsgrenze – der Preis dafür ist Platzverzicht statt voller Kostenübernahme.
Es ist nicht nur die Miete
Die Wohnkostenlücke entsteht nicht immer durch zu hohe Mieten. 2024 gab es bundesweit auch rund 59.000 Haushalte, bei denen die Kaltmiete zwar vollständig anerkannt wurde, die Heizkosten jedoch über der Angemessenheitsgrenze lagen. In diesen Fällen besteht die Lücke ausschließlich aus dem Heizkostenanteil – im Schnitt 58 € pro Monat, was mehr als ein Drittel der tatsächlichen Heizkosten entspricht. Für Betroffene ist das genauso belastend wie eine Mietdifferenz, denn auch dieser Betrag muss aus dem ohnehin knappen Regelsatz bezahlt werden. Steigen die Energiepreise, droht dieser Posten wieder deutlich anzuwachsen.