Viele Menschen gehen arbeiten und müssen dennoch ergänzend mit Bürgergeld aufstocken, um so über die Runden zu kommen. Ohne Auto wären sie häufig aufgeschmissen. Doch wer kommt im Falle eines Defekts für die Kosten einer notwendigen Autoreparatur auf? Jobcenter machen es sich diesbezüglich gerne einfach und verweisen auf die Möglichkeit, für den Fall der Fälle vorausschauend zu sparen. Das Sozialgericht Mainz fordert indes mehr Weitsicht seitens des Jobcenters. Denn der Verlust des Autos kommt schnell dem Verlust des Jobs gleich – und damit weitaus höheren Kosten für den Staat.
Auto für Arbeit notwendig
Der Fall ist schnell umrissen. Die Klägerin arbeitet bei zwei Stellen als Reinigungskraft. Da das Geld nicht reicht, sind sie und ihr Mann auf aufstockendes Bürgergeld angewiesen. Den Weg zu ihren Arbeitsstellen bestreitet die Frau mit dem Auto, das auf ihren Mann zugelassen ist. Während das Jobcenter bereits ein Jahr zuvor die Übernahme von notwendigen Reparaturkosten in Höhe von 572,89 Euro als Zuschuss bewilligte, lehnte es im vorliegenden Fall eine weitere Kostenübernahme in Höhe von 585,93 Euro – unter anderem für die Hauptuntersuchung – ab.
Wer Bürgergeld bekommt soll kein Auto haben
Betroffene sollte sparen
Begründet wurde die Absage damit, dass der Wagen aufgrund des Verschleißes ohnehin keinen TÜV mehr erhalte und die Auto-Reparatur damit unwirtschaftlich sei. Allein schon aufgrund des Alters des Fahrzeugs seien die nötigen Reparaturen absehbar gewesen und hätten Rücklagen – unter Anderem aus dem monatlichen Einkommensfreibetrag von 100 Euro – gebildet werden müssen. Schließlich obliege die Instandhaltung dem Fahrzeughalter. Das Jobcenter stufte die Kostenübernahme weder als notwendig noch als zweckmäßig ein.
Info: Der aktuelle Bürgergeld Regelsatz sieht bei einem alleinstehendem Erwachsenen 50,50 Euro für den Bereich Verkehr vor. Davon müssen dann aber auch Benzin, Kfz-Steuer & Co. bezahlt werden. Da bleibt nicht viel Geld übrig, um Vorsorge für mögliche Autoreparaturen zu betreiben.
Jobcenter muss Hilfebedürftigkeit vermeiden
Der Fall landete vor dem Sozialgericht Mainz. Die Frau betonte, dass sie ohne Auto nicht arbeiten könne und der Regelsatz die Kosten für die Kfz-Reparatur nicht decke. Sie habe auch keine Möglichkeit gehabt, den entsprechenden Betrag anzusparen. Entscheidend dabei ist, so die Richter, der erste Punkt: der Job.
Das Amt müsse Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erbringen, sofern die Hilfebedürftigkeit damit vermieden, beendet oder verkürzt werden könne – dieser Anspruch ergibt sich aus § 16f Abs 1. SGB II i. V. m. § 3 Abs. 1 SGB II. Die Entscheidung darüber falle aufgrund einer Prognose. Sind die Chancen besser als vorher, müssten die entsprechenden Leistungen erbracht werden. Das treffe im Fall der Bürgergeld Bedürftigen zu. Denn ohne Auto könnte sie nicht weiter als Reinigungskraft arbeiten. Und da sie einen zumutbaren Job nicht mit der Begründung ablehnen dürfe, sie habe kein Auto, könne auch das Jobcenter die Förderung nicht einfach verweigern.
Bürgergeld-Aufstocker offenbar Arbeiter zweiter Klasse
Job senkt Sozialausgaben
Das Jobcenter habe sich nur darauf fokussiert, dass die Auto-Reparatur unwirtschaftlich sei und die Bürgergeld Bedürftige im Vorfeld hätte sparen können. Dabei habe man übersehen, dass die Frau für ihre Berufstätigkeit auf das Auto angewiesen sei, und es ebenfalls unterlassen, Alternativen aufzuzeigen. Konkret hätte das Jobcenter die Reparaturkosten der Ersparnis bei den Sozialleistungen gegenüberstellen müssen. Daher sei die Ablehnung rechtswidrig.
Der Fall wurde „nur“ vor dem Sozialgericht verhandelt. Das Urteil (S 10 AS 654/18) ist daher für ähnlich gelagerte Fälle nicht bindend, sehr wohl aber als Beispiel im Rahmen eines Antrags oder Widerspruchs verwendbar.