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Koalitions-Deal steht: Bürgergeld-Sonderweg für Ukrainer endet

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) Einigung Koalition Bürgergeld

Der Kompromiss zum Bürgergeld für Ukrainer steht: Neu einreisende Kriegsflüchtlinge sollen ab dem 1. April 2025 nicht mehr in den Rechtskreis des SGB II (Bürgergeld) wechseln, sondern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen. Darauf hat sich die schwarz-rote Koalition nun nach einer entscheidenden Runde verständigt. Für bereits im Jobcenter betreute Fälle bleibt alles wie bisher. Das BMAS unter Bärbel Bas (SPD) bereitet nun den Kabinettsbeschluss vor. Bas sagte im Bundestag: „Mir gefällt es nicht, das sage ich ganz offen, weil ich es nach wie vor für richtig halte, dass Integration stattfindet. Aber wir setzen das jetzt um.“

Was konkret vereinbart ist

Kernpunkt ist ein klarer Stichtag: Wer ab dem 1. April 2025 erstmals mit temporärem Schutz nach der EU-Massenzustromrichtlinie in Deutschland ankommt, soll – bei Bedürftigkeit – Leistungen nach dem AsylbLG erhalten. Für alle, die vorher eingereist sind und bereits im SGB II oder SGB XII sind, gilt Bestandsschutz.

Im Koalitionsvertrag vom 9. April 2025 hatten CDU, CSU und SPD den Rechtskreiswechsel angekündigt. Ein BMAS-Referentenentwurf („Leistungsrechtsanpassungsgesetz“) präzisierte den Stichtag sowie Übergangsregeln und hat die Ressort- und Verbändeabstimmung durchlaufen. Neu ist der politische Vollzug: CDU, CSU und SPD haben sich auf die Linie geeinigt, das BMAS bringt den Entwurf in die Kabinettsbefassung.

Die juristische Herausforderung dabei: Der temporäre Schutzstatus nach § 24 Aufenthaltsgesetz, der den Ukrainern den Arbeitsmarktzugang sichert, soll bestehen bleiben. Dieser Status passt jedoch systemisch nicht zum Asylbewerberleistungsgesetz, das ursprünglich für Personen im laufenden Asylverfahren gedacht ist.

CDU drängt auf schnellen Bürgergeld-Stopp für Ukrainer

So wird der scheinbare Widerspruch aufgelöst

Der § 24-Aufenthaltsstatus bleibt. Niemand wird in ein Asylverfahren gezwungen. Aufgelöst wird der vermeintliche Konflikt über eine explizite Anpassung der Leistungsgesetze – also über die persönliche Reichweite des AsylbLG und Ausschlusstatbestände im SGB II und SGB XII:

  1. Das AsylbLG wird angepasst: Personen mit § 24-Status, die nach dem 31. März 2025 kommen, werden ausdrücklich zum leistungsberechtigten Personenkreis gezählt.
  2. Parallel greift im SGB II ein Leistungsausschluss: Für diese Gruppe besteht kein Zugang mehr zu Bürgergeld. Entsprechendes gilt für die Sozialhilfe im SGB XII.

Für Fälle, die zwischen dem Stichtag (1. April 2025) und dem späteren Inkrafttreten des Gesetzes schon SGB II oder SGB XII bewilligt bekommen haben, sieht der Entwurf Übergangsregeln bis zum Ende des Bewilligungszeitraums vor.

Warum die Koalition umsteuert

Die Union hatte den Stopp des Bürgergelds für neu einreisende Ukrainer im Wahlkampf prominent platziert. Nach Regierungsbildung mit der SPD hielt Schwarz-Rot an dem Plan fest. Offene Streitpunkte betrafen vor allem Kostenfolgen für Kommunen und Umsetzungsdetails. Kommunale Spitzenverbände warnten früh vor einer reinen Kostenverschiebung vom Bund zu Ländern und Kommunen, wenn der Leistungsanspruch vom Bürgergeld in das kommunal geprägte Asylbewerberrecht verlagert wird. Diese Bedenken stehen weiter im Raum.

Folgen für Betroffene

Für Bürgergeld-Empfänger aus der Ukraine, die vor dem 1. April 2025 eingereist sind, ändert sich nichts. Zuständig bleibt das Jobcenter. Es gelten die bekannten Regelbedarfe, die Übernahme angemessener Kosten der Unterkunft und die integrationsnahen Leistungen des SGB II mit Pflicht- und Förderinstrumenten.

Neu ankommende Ukrainer fallen künftig in das Asylbewerberleistungsgesetz. Das bedeutet:

  • Zuständigkeit (Leistung): Für die Existenzsicherung sind die Sozialämter zuständig, nicht mehr die Jobcenter.
  • Leistungshöhe: Die Regelsätze im AsylbLG liegen unter dem Bürgergeld. Sachleistungen und Gutscheinmodelle sind möglich.
  • Arbeitsmarkt: Der Arbeitsmarktzugang nach § 24 Aufenthaltsgesetz bleibt grundsätzlich bestehen. Die umfassende arbeitsmarktliche Begleitung und Förderung durch die Jobcenter (SGB II) entfällt jedoch, da der Leistungsbezug dort ausgeschlossen wird. Integration in Arbeit wird damit komplizierter.
  • Gesundheit: Ein neuralgischer Punkt ist die Krankenversicherung. Statt der Pflichtversicherung im SGB II greifen zunächst die AsylbLG-Regeln mit engeren Prüfungen. Der Gesetzentwurf sieht jedoch vor, dass begonnene Behandlungen im Einzelfall fortgeführt werden können, um Versorgungslücken zu schließen.

Bas stellte zur Arbeitsmarktintegration klar: „Das bedeutet nicht, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer nicht sofort einen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Der bleibt bestehen.“ Die Betroffenen würden „weiterhin von der Arbeitsagentur betreut und beraten“, die für das SGB III zuständig ist. Einen Rechtsanspruch auf die spezifischen Förderinstrumente des SGB II (Bürgergeld) gebe es jedoch nicht mehr. „Das bedauere ich.“

Was Befürworter und Kritiker anführen

Die Koalition verspricht sich von der Umsteuerung weniger Fehlanreize und eine Entlastung des Bundeshaushalts. Gemeint sind vor allem die höheren Geldleistungen im Bürgergeld.

  • Kommunen warnen vor einer reinen Kostenverschiebung. Was bisher überwiegend der Bund zahlte (SGB II), läge im AsylbLG stärker bei Ländern und Kommunen. Sie fordern einen vollständigen und dauerhaften Kostenausgleich.
  • Wohlfahrt und Gewerkschaften kritisieren Integrationsbrüche und strengere Vermögensgrenzen im AsylbLG. Das könne Arbeitsaufnahmen verzögern und Betroffene zurückwerfen.

Zeitplan und Umsetzung

Politisch ist der Kurs gesetzt. Nächster Schritt ist der Kabinettsbeschluss. Danach folgen Einbringung in den Bundestag, erste und zweite Lesung mit Ausschussberatungen, Befassung des Bundesrats und die Verkündung im Bundesgesetzblatt. Vorgesehen ist ein Inkrafttreten am ersten Tag des dritten Kalendermonats nach der Verkündung. Der Stichtag 1. April 2025 bleibt davon unberührt.

Das ändert sich auf einen Blick

PersonenkreisZuständigkeitLeistungsrechtIntegrationssteuerung
Einreise bis 31. März 2025JobcenterSGB II BürgergeldVermittlung, Förderinstrumente SGB II
Einreise ab 1. April 2025SozialamtAsylbLGBeratung durch Arbeitsagentur (SGB III), keine SGB II-Förderung

Was jetzt wichtig ist

Bürgergeld-Empfänger aus der Ukraine mit früherer Einreise müssen keinen Wechsel befürchten. Neu Ankommende sollten sich auf andere Abläufe einstellen: Anmeldung, Leistungsantrag beim Sozialamt, ärztliche Leistungen nach AsylbLG mit möglicher Einzelfallprüfung und getrennte Wege zu Sprach- und Integrationsangeboten. Kommunen benötigen kurzfristig mehr Personal an den Sozialämtern, sonst drohen Bearbeitungsstaus.