Es ist so weit: Künftig werden Gerichtsvollzieher in Berlin in stich- und schusssicheren Westen unterwegs sein. Szenen, die man sonst aus dem Fernsehen kennt, werden Realität – Auslöser sind die vielen Übergriffe im Vollstreckungsdienst. Die Justiz reagiert und rüstet auf.
Beschlossene Ausstattung
Nach Angaben der Verwaltung haben 222 Beschäftigte Bedarf gemeldet. Ein Set kostet etwa 1.000 bis 1.050 €, die Gesamtausgaben liegen bei rund 276.000 €. Die Ausschreibung läuft bereits, mit der Auslieferung wird im ersten Halbjahr 2026 gerechnet.
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Zunehmende Angriffe im Außendienst
Die Maßnahme folgt auf eine Reihe von Vorfällen: Gerichtsvollzieher berichten immer häufiger von Bedrohungen, Schlägen und sogar Schüssen. Im vergangenen Jahr etwa feuerte ein Schuldner in Spandau durch eine geschlossene Tür, als eine Gerichtsvollzieherin vor seiner Wohnung stand. Zwar blieb sie unverletzt, doch der Fall löste eine breite Diskussion über die Sicherheit der Berufsgruppe aus.
Auch im Alltag eskalieren Einsätze: Beleidigungen, aggressive Gesten und Drohungen gehören vielerorts inzwischen zum Standard. Besonders heikel sind Termine, wenn es um Wohnungsräumungen oder die Pfändung von Wertgegenständen geht.
Typische Aufgaben von Gerichtsvollziehern
Gerichtsvollzieher sind für die zwangsweise Durchsetzung von Gerichtsentscheidungen zuständig. Zu ihren Kernaufgaben gehören:
- Zustellung von Schriftstücken: etwa Zahlungsbefehle oder Räumungsurteile.
- Pfändungen: Sicherstellung von Bargeld, Kontopfändungen oder die Beschlagnahme von Wertgegenständen.
- Wohnungsräumungen: Organisation und Durchführung, oft gemeinsam mit Polizei und Schlüsseldienst.
- Abnahme der Vermögensauskunft („Eidesstattliche Versicherung“): Schuldner müssen hier ihr gesamtes Vermögen offenlegen.
Diese Eingriffe passieren vor Ort und oft in emotional angespannten Situationen – das erhöht das Konfliktpotenzial.
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Warum Schutzwesten?
Viele Gerichtsvollzieher sind allein im Außendienst unterwegs, ohne Uniform, ohne Waffe und oft in privaten Wohnumfeldern. Das macht sie besonders verletzlich. Mit den neuen Westen soll das Sicherheitsgefühl gestärkt werden – und im Ernstfall ein Schutz vor Messerangriffen oder Schüssen bestehen.
Ein Obergerichtsvollzieher erklärte, die Westen seien nicht nur eine „materielle“, sondern auch eine psychologische Absicherung: Wer mit besserem Sicherheitsgefühl arbeitet, könne ruhiger und souveräner auftreten.
Stimmen und Einordnung
Der Berufsverband sagt, Frust über „den Staat“ entlade sich häufig am Außendienst, die Maßnahme werde seit Längerem gefordert. Gleichzeitig gibt es kritische Stimmen:
- Distanz-Effekt: sichtbare Schutzkleidung kann das Gegenüber zusätzlich aufbringen
- Eskalationsrisiko: „gepanzertes“ Auftreten kann als Provokation gelesen werden
- Praxistauglichkeit: Westen sind schwer und im Alltag nicht immer bequem
Zeichen der Verrohung
Die Maßnahme steht sinnbildlich für eine spürbare Verrohung im Alltag: Mehr Aggression, weniger Hemmschwelle. Die Justiz reagiert mit Schutz – doch entscheidend bleibt, ob es gelingt, Konflikte früh zu entschärfen, bevor Hausflure und Wohnungstüren zu Brennpunkten werden.


