Zum Inhalt springen

Jobcenter-Pannen: Hohe Fehlerquote beim Bürgergeld

Gestresste Jobcenter-Mitarbeiterin sitzt zwischen hohen Aktenstapeln und hält sich die Schläfen – Sinnbild für die chaotische Bearbeitung und hohe Fehlerquote bei Bürgergeld-Bescheiden.

Wer Bürgergeld beantragt, muss sich darauf verlassen können, dass die Jobcenter sauber arbeiten. Doch eine ganz aktuelle Regierungs­antwort auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion zeigt: In wesentlichen Prüfschritten bröckelt die Qualität – mit Folgen, die mal zu wenig, mal zu viel Geld auf den Konten der Betroffenen anrichten.

Fehlerquote auf alarmierendem Niveau

Bei Identitäts­feststellungen stufte die interne Revision der Bundesagentur für Arbeit (BA) 2023 fast vier von zehn geprüften Vorgängen als fehlerhaft ein (39 %). Im ersten Halbjahr 2024 sank die Quote zwar leicht, liegt aber immer noch bei 32 %. Laut Bundesregierung handelt es sich „vorwiegend“ um lückenhafte Dokumentation: Nachweise landen im IT-System, aber nicht in der e-Akte. Doch gerade diese Nachweise müssen vor Gericht oder im Widerspruchsverfahren lückenlos vorliegen. Fehlen sie dort, kann ein eigentlich rechtmäßiger Bescheid kassiert werden – die Leistung stoppt, bis alles nachgearbeitet ist.

Viele Jobcenter sind mit den Bürgergeld Regeln überfordert

Bei der Einkommens­berechnung fand die Revision 2023 eine Fehlerquote von 9 %, im ersten Halbjahr 2024 von 7 %. Ob die Patzer zu Unter- oder Überzahlungen führen, weiß niemand: Die BA erhebt nicht, in welche Richtung die Fehler wirken, noch welchen Geldbetrag sie ausmachen.

Die Vermögens­prüfung schwankt besonders stark: Zwischen 2019 und 2024 bewegte sich die Fehlerquote je Halbjahr zwischen 0 % und 10 %. Damit ist für Antragsteller kaum abschätzbar, wie gründlich ihr eigenes Erspartes tatsächlich geprüft wurde.

Was das für Hilfebedürftige heißt

Zu wenig Geld auf dem Konto: Wird Einkommen oder Vermögen zu hoch angesetzt, sinken die Leistungen. Selbst kleine Fehler können das Budget für Miete oder Strom auffressen. Wer die Kürzung anfechten will, steht vor Verzögerungen von Wochen bis Monaten – Zeit, in der oft Schulden wachsen.

Zu viel Geld – und die Rechnung danach: Umgekehrt droht eine Rückforderung, wenn das Jobcenter wegen schlampiger Prüfung zu großzügig war. Die Summe wird meist in Raten vom laufenden Bürgergeld abgezogen, Zinsen können hinzukommen (§ 50 SGB X). In schweren Fällen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Leistungs­betrugs – obwohl der Fehler ursprünglich beim Amt lag.

Warum niemand das Ausmaß kennt

In ihrer Antwort erklärt die Bundesregierung offen, dass weder Über- noch Unterzahlungen statistisch erfasst werden. Rund 20 % aller Leistungs­fälle – die rein kommunalen Jobcenter – werden außerdem gar nicht von der BA-Revision kontrolliert. Damit bleibt ein großer Teil des Systems völlig im Dunkeln, wenn es um Qualität und finanzielle Folgen geht.

Trotz der seit Jahren hohen Fehler­raten plant die BA laut Ministerium keine gesonderte Großprüfung. Stattdessen sollen Mitarbeiter „technisch unterstützt“ werden, um Dokumentations­lücken zu schließen. Für Betroffene bedeutet das: Auf absehbare Zeit bleibt Eigeninitiative der beste Schutz.

Bürgergeld: KdU prüfen und unnötige Zahlungen vermeiden

Was Bürgergeld-Empfänger tun können

  • Bescheid sorgfältig prüfen: Alle Berechnungen und Nachweise unmittelbar nach Erhalt gegen­lesen.
  • Widerspruch erheben: Innerhalb eines Monats lässt sich ein fehlerhafter Bescheid anfechten; die Leistung wird dabei weitergezahlt.
  • Überprüfungsantrag stellen: Auch nach Ablauf der Frist können Bescheide rückwirkend kontrolliert werden.
  • Rückzahlungs­forderungen ernst nehmen: Früh Raten oder Stundung vereinbaren, um Zinsen zu vermeiden.

Die neuen Zahlen zeigen einmal mehr: Die Lücken im System sind nicht nur abstrakte Statistik – sie treffen Menschen direkt im Portemonnaie. Solange die Bundesregierung weder das wahre Volumen der Fehlbeträge misst noch kommunale Jobcenter einbezieht, müssen Leistungs­empfänger wachsam bleiben und jede Entscheidung unter die Lupe nehmen.