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Auswertung offenbart Minus: Bürgergeld reicht nicht für Strom

Kabel, Glühbirne und Geldscheine liegen auf eine Stromrechnung - symbolisch für hohe Stromkosten

Auch wenn der Bürgergeld Regelsatz im Vorjahr scheinbar großzügig erhöht wurde, von 502 auf 563 € für Alleinstehende Erwachsene, deckt er auch weiterhin nicht die monatlichen Kosten für den Haushaltsstrom, die Leistungsbezieher aus ihrem Regelsatz bestreiten müssen – viele von Ihnen zahlen Monat für Monat drauf, das Geld fehlt an anderer Stelle.

Zurecht fordern Betroffene wie auch Sozialverbände, dass die Stromkosten endlich aus dem Regelsatz herausgenommen und zusätzlich als Kosten der Unterkunft gezahlt werden. Zudem erscheint es höchst unfair, wenn der Strom als Pauschale in der Regelleistung eingerechnet wird. Einerseits weil die Strompreise in den vergangenen Jahren stärker gestiegen sind als die Bürgergeld Anpassung. Andererseits werden bei dieser fixen Pauschale keine regionalen Unterschiede berücksichtigt, wie es folgerichtig etwa bei den Wohnkosten der Fall ist.

So hoch darf die Miete der Wohnung mit Bürgergeld sein

Alleinstehende besonders von Stromkosten betroffen

Nach den aktuellen Statistiken der Jobcenter sind mehr als die Hälfte der Bedarfsgemeinschaften im Bürgergeld Bezug Single Haushalte – diese sind besonders gebeutelt, da sie bspw. unwesentlich niedrigere Kosten als ein Zwei-Personen-Haushalt haben, ihnen aber nur knapp halb so viel im Monat für die Stromrechnung zugestanden wird. Schließlich zahlt man pro Haushalt nur einmal die monatliche Grundgebühr für den Strom und hat in der Regel nur einen Kühlschrank, nur einen Elektroherd, Beleuchtung etc. im Haushalt.

1.200 kWh Verbrauch für eine Person

Durchschnittlich liegt der Verbrauch für einen Ein-Personen-Haushalt in einem Mehrfamilienhaus bei etwa 1.500 kWh pro Jahr – da Bürgergeld Bedürftige aber besonders sparsam sein müssen, gehen wir daher von einem reduziertem Verbrauch von „nur“ 1.200 kWh aus.

Zum Vergleich: Ein kleiner, sehr günstiger Kühlschrank mit Gefrierfach und einem Gesamtvolumen von etwa 100 bis 120 Litern verbraucht auf Jahressicht ca 160-200 kWh bei Energieeffizienzklasse F. Teure Geräte mit Klasse C oder besser verbrauchen nur die Hälfte oder weniger, liegen aber weit über dem Budget von Bürgergeld Bedürftigen.

Kühlschrank & Co. – Wie das Bürgergeld Bedürftige zum absurden Sparen zwingt

Stromkosten Übersicht für 25 Städte

In der nachfolgenden Tabelle haben wir die aktuellen Tarife (vom 07.07.2025) für den Strompreis in der Grundversorgung für Ein-Personen-Haushalte analysiert und ausgewertet, die einen rechnerischen Abschlag von durchschnittlich 51,47 € im Monat ergeben. Im Bürgergeld Regelsatz sind für 2025 hingegen nur 45,72 € im Monat für Strom vorgesehen – die Rechnung kann für Betroffene also nicht aufgehen.

StadtArbeitspreis je kWhGrundpreis mtl.Gesamtkosten mtl.Defizit mtl.Defizit p.a.
Bremen0,31 €10,02 €41,32 €-4,40 €-52,80 €
Rostock0,36 €7,51 €43,81 €-1,91 €-22,92 €
Halle0,30 €15,14 €45,10 €-0,62 €-7,44 €
Düsseldorf0,36 €9,68 €45,77 €0,05 €0,60 €
Kiel0,39 €8,36 €47,31 €1,59 €19,08 €
Saarbrücken0,35 €12,59 €47,42 €1,70 €20,40 €
Nürnberg0,35 €12,14 €47,46 €1,74 €20,88 €
Dresden0,39 €9,21 €47,96 €2,24 €26,88 €
Farnkfurt Main0,40 €7,62 €48,08 €2,36 €28,32 €
München0,38 €10,70 €48,27 €2,55 €30,60 €
Schwerin0,35 €13,51 €48,48 €2,76 €33,12 €
Magdeburg0,37 €12,99 €49,51 €3,79 €45,48 €
Mannheim0,39 €11,40 €50,40 €4,68 €56,16 €
Leipzig0,35 €15,33 €50,63 €4,91 €58,92 €
Hannover0,41 €12,90 €53,47 €7,75 €93,00 €
Gelsenkirchen0,40 €13,65 €53,57 €7,85 €94,20 €
Wuppertal0,41 €12,84 €53,59 €7,87 €94,44 €
Erfurt0,38 €16,37 €53,96 €8,24 €98,88 €
Dortmund0,42 €13,90 €55,44 €9,72 €116,64 €
Berlin0,44 €11,97 €56,36 €10,64 €127,68 €
Duisburg0,43 €14,49 €57,46 €11,74 €140,88 €
Stuttgart0,41 €18,30 €58,87 €13,15 €157,80 €
Köln0,36 €23,11 €59,04 €13,32 €159,84 €
Hambrurg0,46 €15,35 €60,87 €15,15 €181,80 €
Essen0,44 €19,03 €62,67 €16,95 €203,40 €
Durchschnitt0,38 €13,12 €51,47 €5,75 €69,03 €
Tabelle 1: Stromkosten-Unterdeckung mit Bürgergeld bei 1.200 KWh Jahresverbrauch

Während alleinstehende Hilfebedürftige aus Bremen am Jahresende auf ein Plus von 52,80 € kommen, zahlen viele drauf. Beginnend bei Düsseldorf mit „nur“ 0,60 € über das Jahr hinweg bis zu 203,40 € Defizit jährlich in Essen. Das, was Bürgergeld Bedürftige in Köln für die gleiche Leistung draufzahlen müssen wie in der günstigsten Stadt Bremen, liegt bei über dem fünffachen des im Bürgergeld Regelsatzes vorgesehenen Anteils für Strom.

Bürgergeld Regelsatz muss bei 813 Euro liegen

Durchlauferhitzer erhöht Defizit

Noch härter trifft es Hilfebedürftige, die Warmwasser mit einem Durchlauferhitzer oder einem Boiler erwärmen. Während die Warmwasseraufbereitung über die Zentralheizung als Heizkosten vom Jobcenter übernommen werden, müssen Bürgergeld Bedürftige diese bei dezentraler Wassererwärmung über die Stromkosten selbst tragen. In diesem Fall leistet das Jobcenter eine Pauschale von 2,30 % des Regelsatzes als Mehrbedarf für Warmwasser, ganze 12,95 € im Monat für einen Single.

Im Vergleich zu den tatsächlichen Kosten für einen Boiler oder Durchlauferhitzer ist dieser Mehrbedarf nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ausgehend von einem angemessenen Verbrauch für einen Durchlauferhitzer von 700 kWh im Jahr, wie es das LSG Niedersachsen-Bremen (L 13 AS 207/18 ZVW) feststellte, müsste die Kilowattstunde in 2025 bei 0,22 € liegen. Real sind die aktuellen Strompreise nahezu doppelt so hoch.

Andere Gerichte haben noch höhere Verbrauchswerte anerkannt: So hat das Sozialgericht Augsburg mit Urteil S 11 AS 223/19 bis zu 800 kWh pro Person und Jahr als angemessen akzeptiert, während das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern sogar 900 kWh zugrunde legte (L 10 AS 584/15). Würde man diese höheren Werte in der nachfolgenden Tabelle ansetzen, fiele das Minus noch deutlich größer aus.

StadtArbeitspreis je kWhDefizit Haushaltsstrom p.a.Defizit Warmwasser p.a.Unterdeckung gesamt p.a.
Bremen0,31 €-52,80 €61,60 €8,80 €
Halle0,30 €-7,44 €54,60 €47,16 €
Rostock0,36 €-22,92 €96,60 €73,68 €
Düsseldorf0,36 €0,60 €96,60 €97,20 €
Saarbrücken0,35 €20,40 €89,60 €110,00 €
Nürnberg0,35 €20,88 €89,60 €110,48 €
Schwerin0,35 €33,12 €89,60 €122,72 €
Kiel0,39 €19,08 €117,60 €136,68 €
München0,38 €30,60 €110,60 €141,20 €
Dresden0,39 €26,88 €117,60 €144,48 €
Leipzig0,35 €58,92 €89,60 €148,52 €
Magdeburg0,37 €45,48 €103,60 €149,08 €
Farnkfurt Main0,40 €28,32 €124,60 €152,92 €
Mannheim0,39 €56,16 €117,60 €173,76 €
Erfurt0,38 €98,88 €110,60 €209,48 €
Gelsenkirchen0,40 €94,20 €124,60 €218,80 €
Hannover0,41 €93,00 €131,60 €224,60 €
Wuppertal0,41 €94,44 €131,60 €226,04 €
Dortmund0,42 €116,64 €138,60 €255,24 €
Köln0,36 €159,84 €96,60 €256,44 €
Berlin0,44 €127,68 €152,60 €280,28 €
Duisburg0,43 €140,88 €145,60 €286,48 €
Stuttgart0,41 €157,80 €131,60 €289,40 €
Hambrurg0,46 €181,80 €166,60 €348,40 €
Essen0,44 €203,40 €152,60 €356,00 €
Durchschnitt0,38 €69,03 €113,68 €182,71 €
Tabelle 2: Stromkosten-Unterdeckung trotz Mehrbedarf für Strom bei Warmwasser

Die tatsächlichen Stromkosten für die dezentrale Warmwasseraufbereitung übernimmt das Jobcenter nur dann, wenn für den Durchlauferhitzer oder Boiler ein eigener Stromzähler vorhanden ist, Schätzwerte sind für den Mehrbedarf nicht zulässig. Die Kosten für die Einbau eines Stromzählers müssen Hilfebedürftige aber selbst übernehmen, wenn der Vermieter sich nicht dazu bereit erklärt. Das Jobcenter selbst muss die Kosten der Installation übrigens nicht übernehmen.

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Um die Stromkosten zu senken, kann einerseits der Verbrauch reduziert werden, wo es noch machbar ist. Eine weitere Möglichkeit ist ein Stromanbieter Wechsel, der mit nur wenigen Klicks unkompliziert und kostenlos erledigt ist. Insbesondere die Grundversorgung ist in den meisten Fällen die teuerste Option und mit einem anderen Anbieter lassen sich schnell 10, 20 oder mehr Euro im Monat sparen, zumal gerade Neukunden von einem Wechselbonus profitieren. Um zu prüfen, wie hoch die Ersparnis ist, braucht es lediglich die Postleitzahl und den Jahresverbrauch.

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Strom muss raus aus dem Regelbedarf

Wie bereits Eingangs erwähnt, sind die Stromkosten im Regelsatz nicht nur unzureichend bemessen sondern auch hochgradig unfair, wenn man die regionalen Unterschiede zusätzlich berücksichtigt. Bürgergeld Bedürftige zahlen für die gleiche Leistung innerhalb der Bundesrepublik enorm unterschiedliche Preise. Während beispielsweise in Bremen die Unterdeckung bei den Stromkosten mit Durchlauferhitzer bei 8,80 € liegt, müssen Bürgergeld Bedürftige in Essen über 350 € zusätzlich aus dem Regelsatz draufzahlen, bei gleichem Bedarf und Verbrauch. Um dies fair zu gestalten, müssen die Stromkosten zwingend aus dem Regelbedarf raus und zusätzlich in tatsächlicher Höhe im Rahmen der Kosten für Unterkunft vom Jobcenter übernommen werden.