Das Bundessozialgericht entschied am 11. September 2024 (Az. B 4 AS 6/23 R), dass das kommunale Jobcenter Lahn-Dill die vorläufig gewährten Bürgergeld-Leistungen direkt vom Leistungsempfängern zurückfordern muss, anstatt vom Lahn-Dill-Kreis als Sozialhilfeträger. Ein spanisches Ehepaar, das sich zur Arbeitssuche in Deutschland aufhielt, erhielt zunächst vorläufige Bürgergeld-Leistungen, die später auf null Euro herabgesetzt wurden – mit entsprechender Rückforderung des Jobcenters.
Hintergrund
Das Ehepaar lebte seit 2013 in Deutschland und erhielt für den Zeitraum von März bis September 2015 vorläufige Bürgergeld-Leistungen (damals noch Hartz IV). Zu diesem Zeitpunkt war unklar, ob sie als EU-Bürger überhaupt Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hatten. Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) im September 2015 entschied (Az. C-67/14), dass EU-Bürger, die sich nur zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten, von den Leistungen ausgeschlossen sind, setzte das Jobcenter die Zahlungen auf null Euro herab und forderte insgesamt 8.735,87 Euro vom Ehepaar zurück. Die Betroffenen legten daraufhin Widerspruch gegen den Rückforderungsbescheid ein. Nachdem dieser abgelehnt wurde, klagten sie gegen die Entscheidung des Jobcenters.
Fall landet vor Gericht
Das Sozialgericht Gießen entschied im Juli 2019, dass das Jobcenter die Leistungen rechtmäßig zurückfordert (Az. S 29 AS 591/16). Das Hessische Landessozialgericht änderte im Rahmen der Berufung diese Entscheidung jedoch teilweise ab und stellte fest, dass das Ehepaar aufgrund ihres längeren Aufenthalts in Deutschland möglicherweise Anspruch auf Sozialhilfe nach dem SGB XII gehabt hätte (24. Februar 2023, Az. L 9 AS 572/19). Als Optionskommune, die Aufgaben des Jobcenters und der Sozialhilfe vereint, hätte der Lahn-Dill-Kreis als Sozialhilfeträger vorrangig leisten müssen. Dies eröffnete die Möglichkeit eines Erstattungsanspruchs des Jobcenters direkt gegen das Sozialamt.
Entscheidung des BSG
In dritter Instanz hob das Bundessozialgericht die Entscheidung des LSG im Zuge der Revision auf und entschied, dass kein Erstattungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger besteht. Die Rückforderung der vorläufig gezahlten Bürgergeld-Leistungen bleibt bei der Klägerin, die nach dem Tod ihres Ehemanns allein haftet. Es wurde zudem klargestellt, dass die Kenntnis des Jobcenters über die Hilfebedürftigkeit nicht auf den Sozialhilfeträger übertragen werden kann.
Viel Aufwand und kein Erfolg
Nach einem langwierigen Widerspruchsverfahren und drei Instanzen bleibt die Rückforderung des Jobcenters gegen die Klägerin bestehen – ein enttäuschendes Ergebnis für die Leistungsempfängerin. Trotz der Hoffnung, den Sozialhilfeträger in die Verantwortung zu ziehen, wurde letztlich klargestellt, dass der Lahn-Dill-Kreis nicht involviert wird. Das Jobcenter muss die vorläufig gezahlten Bürgergeld-Leistungen direkt von der Klägerin zurückfordern, ohne Entlastung durch den Kreis.
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