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Faktencheck: Zahlenspiele beim Bürgergeld führen in die Irre

verwirrter Mann liest Zahlen

Dicke Patte dank Bürgergeld. Zigtausend Euro zum Verprassen. Glaubt man den sozialen Medien, rutschen Bürgergeldempfänger dank der höheren Regelsätze in die Riege der Superreichen auf und übertrumpfen jeden Arbeitnehmer. Sie sitzen lächelnd in der sozialen Hängematte und freuen sich wie Bolle, die Seele baumeln lassen zu können. Doch Vorsicht: Die Zahlenspiele zum Lohnabstand sind meist Murks und dienen nur dazu, einen Keil durch die Gesellschaft zu treiben.

Die Rechnung von Jens Spahn

CDU-Fraktionsvize Jens Spahn gehört zu denen, die gerne mit Zahlen zum Bürgergeld um sich werfen und dann behaupten, von den Regelsätzen gehen fatale und falsche Signale aus. Er behauptet steif und fest, dass ein Bürgergeldhaushalt künftig genauso viel Geld habe wie die Familie eines Durchschnittsverdieners. Dazu nennt er einen Betrag von 2.311 Euro im Monat.

CDU: Bürgergeld Erhöhung 2024 setzt falsches Signal

Keine aktuellen Zahlen

Diese Zahl hat sich Jens Spahn nicht aus den Fingern gezogen oder gar selbst berechnet. Sie stammt, so der Nachrichtensender n-tv, aus Musterrechnungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die mit der Einführung des Bürgergelds veröffentlicht wurden. 2.311 Euro beziehen sich also nicht auf die neuen Regelsätze ab 2024, sondern die aktuellen Werte. Der Betrag gilt für ein Paar mit zwei Kindern im Alter von vier und zwölf Jahren. Sie erhalten 1.568 Euro Bürgergeld und 743 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung.

Wie hoch ist das Durchschnittseinkommen?

Diesem Wert stellen sowohl n-tv als auch die Faktenfinder der „Tagesschau“ die Daten für Durchschnittsverdiener gegenüber. Ein Paar mit mindestens einem Kind hatte demnach Stand 2021 laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes im Schnitt 5.809 Euro zur Verfügung. 2018 waren es 5.490 Euro. Die europäische Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen ergab für die Bundesrepublik Deutschland bei einer Familie ein durchschnittliches Bruttoeinkommen von 7.017 Euro.

Bei Alleinerziehenden sind es brutto 3.542 Euro. Betrachtet man den Median – nicht zu verwechseln mit dem Mittelwert – stehen einer Familie mit Kind brutto 5.870 Euro und einer/einem Alleinerziehenden 2.979 Euro zur Verfügung. Die Differenz zum Bürgergeld ist im Mittel also weit höher, als immer kolportiert wird.

Bürgergeld wird 2024 auf 563 Euro steigen

Problemfall Geringverdiener

Nimmt man Geringverdiener in die Gleichung auf, verschiebt sich das Bild. Der Nachrichtensender n-tv kommt bei einer vierköpfigen Familie mit einem Alleinverdiener, der 12 Euro die Stunde erhält, auf etwa 1.450 Euro netto im Monat. Hinzu kommen 500 Euro Kindergeld, macht 1.950 Euro. Darüber hinaus besteht sehr wahrscheinlich Anspruch auf Wohngeld (im Schnitt 177 Euro) und den Kinderzuschlag (maximal 458 Euro). Somit blieben unter dem Strich 2.585 Euro – auch mehr als nur mit dem Bürgergeld.

Zu viele Unbekannte

Grundsätzlich gilt: In jeder dieser Rechnungen stecken Unbekannte. Die Kosten für Unterkunft und Heizung sind etwa von Stadt zu Stadt unterschiedlich hoch. Zudem müssen viele Geringverdiener mit Bürgergeld aufstocken. Was bei den Zahlenspielen jedoch nie oder nur am Rande bedacht wird: Das Bürgergeld stellt das Existenzminimum dar. Es geht also nicht um Luxus, sondern das nackte Überleben. Und sollte das Bürgergeld tatsächlich höher sein als der Arbeitslohn, dann liegt das nicht an der Sozialleistung, sondern am Lohnniveau und dem nach wie vor zu geringen Mindestlohn.

Bild: fizkes/ shutterstock.com