Der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat für den Herbst 2025 eine tiefgreifende Reform des Bürgergelds in Aussicht gestellt. Ziel sei es, das Prinzip „Fördern und Fordern“ stärker umzusetzen. Besonders Menschen, die zumutbare Arbeit verweigern, sollen künftig mit einer vollständigen Streichung ihrer Leistungen rechnen müssen. Damit wird eine politische Wende in der Sozialpolitik eingeläutet, die schon in wenigen Monaten konkrete Folgen für Betroffene haben könnte.
Reformpläne „an die Substanz“
Linnemann kritisierte, dass das aktuelle System zu viele falsche Anreize setze und arbeitsfähige Personen nicht ausreichend zur Aufnahme einer Tätigkeit motiviere. Eine Reform dürfe sich nicht auf Detailkorrekturen beschränken, sondern müsse das System grundlegend verändern. Wörtlich sprach er von einem „Paradigmenwechsel“, der notwendig sei, um das Vertrauen in den Sozialstaat zu erhalten. Die geplanten Änderungen sollen im Herbst vorgestellt und zeitnah umgesetzt werden.
Paradigmenwechsel beim Bürgergeld: Linnemann will an die Substanz gehen
Fokussierung auf Arbeitsvermittlung
Parallel zur Verschärfung der Sanktionen will die CDU die Bundesagentur für Arbeit effizienter aufstellen. Die Vermittlung in Beschäftigung soll klar im Vordergrund stehen. Die neue Grundsicherung, die ab 2026 das Bürgergeld ablösen könnte, soll gezielt auf Arbeitsintegration ausgerichtet sein. Die Fraktionen von CDU und SPD verhandeln derzeit über konkrete Gesetzesvorschläge, die nach der Sommerpause in das parlamentarische Verfahren eingebracht werden sollen.
Streit in der Koalition und juristische Fragen
Die SPD zeigt sich kritisch gegenüber den Plänen. Besonders eine vollständige Streichung des Bürgergelds bei Arbeitsverweigerung sieht sie als rechtlich und sozial problematisch an. Sozialverbände warnen vor einer weiteren Verschärfung der Lage für ohnehin benachteiligte Gruppen. Auch verfassungsrechtlich könnten die Pläne problematisch sein: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 2019 (1 BvL 7/16) klargestellt, dass das soziokulturelle Existenzminimum durch staatliche Leistungen abgesichert sein muss. Selbst Sanktionen dürfen nur unter engen Voraussetzungen erfolgen.
Praxis-Tipp bei Konflikten mit dem Jobcenter
Wer von Bürgergeld Sanktionen oder gar einer Leistungsstreichung betroffen ist, sollte umgehend rechtliche Beratung in Anspruch nehmen. Wichtig ist die genaue Prüfung, ob eine Arbeitsverweigerung tatsächlich vorliegt. Bereits im vergangenen Jahr haben wir berichtet, dass weniger als 1 % der Bürgergeld Empfänger sanktioniert wurden – der Anteil der von der Politik als „Totalverweigerer“ bezeichneten Empfänger ist sogar noch geringer und kann von den Jobcentern kaum bis gar nicht erfasst werden. Häufig liegen andere, triftige Gründe vor, wie Krankheit, Pflegeverantwortung oder familiäre Umstände, die gegen die Arbeitsaufnahme sprechen.
Totalverweigerer? Weniger als ein 1% der Bürgergeld Bedürftigen in 2023 sanktioniert
Widerspruch gegen Jobcenter-Bescheide kann innerhalb eines Monats eingelegt werden. Auch Eilanträge beim Sozialgericht sind möglich.
Kritische Einordnung
Die geplanten Änderungen treffen einen empfindlichen Punkt im bestehenden System. Auf der einen Seite steht das legitime Anliegen, Missbrauch zu verhindern. Auf der anderen Seite muss das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gewahrt bleiben. Die Reformdebatte seigt einmal nur wieder, wie Bürgergeld Empfänger als politischer Spielball genutzt werden, da nur ein – nicht definierter – Bruchteil der Leistungsempfänger sich in der sozialen Hängematte ausruht und dadurch alle Hilfebedürftigen in Verruf bringt.
Die nächsten Monate werden zeigen, wie es um das Spannungsfeld zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und sozialen Realitäten steht und was eine mögliche „Neue Grundsicherung“ mit sich bringt.
Titelbild: Juergen Nowak / shutterstock


