Die nachhaltige Integration aus dem Bürgergeld gelingt immer seltener. Nach einer Datenauswertung der Bundesagentur für Arbeit (BA), über die zuerst BILD berichtete, war im Jahr 2024 weniger als die Hälfte der vermittelten Leistungsberechtigten drei Monate nach Arbeitsaufnahme ohne Bürgergeld. Parallel dokumentiert eine interne BA-Revision Defizite in Beratung und Vermittlung.
Inhaltsverzeichnis
Wie die BA „erfolgreiche Vermittlung“ definiert
Die BA wertet eine Vermittlung als erfolgreich („bedarfsdeckend integriert“), wenn der Betroffene spätestens drei Monate nach Arbeitsaufnahme keinen Bürgergeld-Anspruch mehr hat. Nicht als Erfolg zählen daher:
- Jobverlust innerhalb der ersten drei Monate,
- Weiterbezug von Bürgergeld als Aufstocker (Lohn deckt Bedarf nicht).
Die Statistik misst damit nicht die reine Zahl der Jobaufnahmen, sondern den Verbleib ohne Bürgergeld nach drei Monaten.
Warum gehen Bürgergeld-Empfänger nicht einfach arbeiten?
Zahlen 2024: Viele Vermittlungen, aber geringe Verbleibsquote
Im Jahr 2024 wurden laut BA rund 837.000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte in Beschäftigung integriert. Davon galten 401.000 als bedarfsdeckend integriert; 436.000 Personen (52 %) fielen binnen drei Monaten zurück in den Leistungsbezug oder mussten weiter aufstocken.
| Kennzahl | Wert |
|---|---|
| Vermittelte Personen gesamt | 837.000 |
| Davon bedarfsdeckend integriert | 401.000 |
| Binnen 3 Monaten zurück/aufstockend | 436.000 (52 %) |
Trend: Erfolgsquote sinkt seit Jahren
Die 3-Monats-Erfolgsquote ging im Mehrjahresvergleich zurück.
| Jahr | Erfolgsquote |
|---|---|
| 2021 | 51,6 % |
| 2024 | 47,9 % |
Welche Gruppen besonders häufig zurückfallen
Der Gruppenvergleich zeigt deutliche Unterschiede in der 3-Monats-Erfolgsquote (2024):
| Gruppe | Erfolgsquote |
|---|---|
| Unter 25 Jahre | 46,3 % |
| Über 55 Jahre | 46,4 % |
| Familien mit Kindern | 32,3 % |
| Alleinerziehende | 37,9 % |
| Deutsche | 51,4 % |
| Nicht-Deutsche | 44,7 % |
Interne BA-Revision: Defizite in Beratung und Vermittlung
Die interne Revision der BA untersuchte 180 Fälle mit 15–18 Monaten Leistungsbezug. Kernergebnisse der Stichprobe:
- 81 % der Fälle: kein Übergang in Arbeit (Langzeitleistungsbezug nicht vermieden).
- 39 %: Arbeit der Vermittler „nicht zielführend“ für Integrationschancen.
- Zu geringe Kontaktdichte; fehlende/unzureichende Vermittlungsaktivitäten.
- Einzelne Fälle ohne Beratungsgespräch; teils Akteneinträge „ohne Kundenkontakt“ erstellt.
Die Prüfer empfehlen intensivere und kontinuierliche Aktivitäten über den gesamten Leistungsbezug, um Übertritte in den Langzeitleistungsbezug wirksamer zu verhindern.
Rolle der Aufstocker und befristeter Beschäftigung
Aufstockung zählt in der BA-Systematik nicht als erfolgreiche Integration, da der Bedarf weiterhin nicht gedeckt ist. Häufige Ursache für Rückfälle sind befristete Beschäftigungen – etwa über Zeitarbeit –, die mit Vertragsende erneut in den Leistungsbezug führen.
Trotz Bürgergeld: Nicht jeder Vorschlag vom Jobcenter ist Pflicht
Genannte Ursachen: Vermittlungshemmnisse und Arbeitsmarkt
In der arbeitsmarktpolitischen Praxis werden mehrere Faktoren genannt, die nachhaltige Integration erschweren:
- Vermittlungshemmnisse: Laut BA weisen 88 % der dem Arbeitsmarkt grundsätzlich zur Verfügung stehenden Bürgergeld-Bezieher mindestens ein Hemmnis auf (z. B. geringere Qualifikation, Langzeitarbeitslosigkeit, Alter ≥ 55, gesundheitliche Einschränkungen, Sprachbarrieren, Berufsrückkehr).
- Sprachkenntnisse und Qualifikation: Geringe Deutschkenntnisse und fehlende formale Abschlüsse reduzieren Einmündungs- und Verbleibchancen.
- Kinderbetreuung: Besonders bei Alleinerziehenden limitiert fehlende Betreuung Vollzeit-Optionen.
- Arbeitsmarktstruktur: Nachfrage fokussiert oft qualifizierte Fachkräfte; einfache Helfertätigkeiten nehmen ab.
- Konjunkturelle Schwäche: Geringere Abgangschancen aus Arbeitslosigkeit.
Politische und administrative Reaktionen
Die Bundesregierung plant ab 2025 die Umstellung des Bürgergelds auf eine „Neue Grundsicherung“. Diskutiert bzw. vorgesehen sind strengere Sanktionen, verbindlichere Mitwirkung und stärkere Ausrichtung auf nachhaltige Integration. Lokal existieren Pilotansätze mit höherer Verbindlichkeit für junge Leistungsberechtigte (Beispiel: Arbeitspflicht im Landkreis Nordhausen).
Methodische Hinweise zur Einordnung
- Der 3-Monats-Zeitraum ist das BA-Kriterium für bedarfsdeckende Integration („Verbleibsquote“). Längere Nachbeobachtungen können abweichende Bilder ergeben, sind hier aber nicht Gegenstand.
- Aufstocker gelten unabhängig von Beschäftigungsumfang nicht als erfolgreich integriert, solange Bürgergeldbedarf besteht.
- Gruppenquoten sind Strukturergebnisse und spiegeln unterschiedliche Ausgangslagen (z. B. Betreuung, Gesundheit, Qualifikation, Sprache).

