Kein Jobcenter hat rund um die Uhr geöffnet. Dennoch ist es fristgerecht möglich, noch am Monatsletzten um 23:59 Uhr einen Bürgergeld Antrag zu stellen – das gilt sowohl für die erstmalige Beantragungen von Jobcenter-Leistungen als auch einen Folgeantrag. Wird dieser bewilligt, wirkt der Antrag rückwirkend für den gesamten Monat. Darauf hat das Bundessozialgericht hingewiesen. In konkreten Fall ging es um einen Antrag, der abends per E-Mail gestellt wurde.
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Fallbeispiel: Jobcenter lehnte E-Mail ab
Der Antragsteller bemerkte Ende Januar, dass sein Lohn nicht auf seinem Konto eingegangen war. Daher stellte er am Freitag, den 30. Januar, einen Antrag auf Bürgergeld und verschickte diesen um 20 Uhr per E-Mail. Es ging dabei um nicht weniger als die Existenzsicherung für seine Familie. Zwar wurde der Lohn im Folgemonat nachgezahlt, doch ab März war der Mann arbeitslos.
LSG kritisiert Jobcenter scharf: Bürgergeld trotz fehlender Nachweise
Da das Jobcenter auf seinen Antrag nicht reagierte, hakte der Betroffene am 4. März nach. Das Ergebnis: Die Leistungen wurden erst ab März bewilligt, nicht jedoch für den Monat Januar. Das Jobcenter argumentierte, dass der Zeitpunkt des Zugangs des Antrags entscheidend sei. Die E-Mail ist außerhalb der Geschäftszeiten eingegangen, deshalb habe man sie erst im Folgemonat registriert.
Grundsatzurteil: Zugang zählt, nicht die Öffnungszeit
Diese Argumentation wiesen die Kasseler Richter des BSG in dritter Instanz zurück. Sie betonten, dass der Mann bereits für den Monat Januar Anspruch auf Bürgergeld habe. Der Eingang des Antrags wirke auf den Monatsersten zurück. Im konkreten Fall und angesichts der Tatsache, dass das Jobcenter die Möglichkeit biete, Anträge per E-Mail einzureichen, sei die Nachricht rechtzeitig zum Monatsende im „Macht- oder Willensbereich“ des Jobcenters gewesen.
Der Kläger konnte eine entsprechende Sendebestätigung vorlegen. Auch wenn E-Mails beim Jobcenter nach sechs Monaten gelöscht werden und daher kein Zugriff mehr auf die Nachricht bestand: Spätestens nach dem Hinweis im März hätte das Jobcenter dem Fall nachgehen müssen, so das Bundessozialgericht.
Tipp: Der fristwahrende, formlose Antrag
Gerade wenn die Zeit am Monatsende drängt, müssen nicht alle Unterlagen vollständig beisammen sein. Um die Frist zu wahren und die rückwirkende Leistung zu sichern, genügt ein formloser Antrag.
Ein Satz wie „Hiermit wird fristwahrend Leistung nach dem SGB II für den aktuellen Monat beantragt“ reicht aus. Die vollständigen Unterlagen können dann in den Folgetagen zügig nachgereicht werden. Die Rückwirkung auf den Monatsersten bleibt erhalten.
Beweissicherung: So wird der fristgerechte Zugang dokumentiert
Damit ein Antrag im Streitfall Bestand hat, ist die Beweissicherung entscheidend – wie das BSG im Urteil betonte.
- Online-Portal: Die Nutzung des Portals Jobcenter.Digital wird empfohlen, da hier der genaue Zugang automatisch dokumentiert wird.
- E-Mail: Die Funktion „Lesebestätigung anfordern“ sollte genutzt werden. Die Sendebestätigung oder das Protokoll des Mail-Clients muss aufbewahrt werden.
- Fax: Das wichtigste Dokument ist das qualifizierte Sendeprotokoll, das bestätigt, dass die Übertragung erfolgreich war.
- Post: Bei persönlicher Abgabe muss der Empfang auf einer Kopie bestätigt werden (mit Datum und Uhrzeit). Bei Versand sollte ein Einschreiben mit Rückschein genutzt werden.
Der Weg zum BSG: Eine teure Lektion für das Jobcenter
Die Weigerung des Jobcenters, den Antrag für Januar zu akzeptieren, führte zu einem Prozess über drei Instanzen, der mit der höchsten Instanz endete. Diese Hartnäckigkeit kostete unnötig Ressourcen, da bereits die Vorinstanzen dem Kläger Recht gaben:
- Sozialgericht Köln: Urteil S 7 AS 4008/15 vom 17.01.2017 – gab dem Kläger dem Grunde nach Recht.
- Landessozialgericht NRW: Urteil L 19 AS 360/17 vom 14.09.2017 – bestätigte das Urteil des SG.
- Bundessozialgericht: Urteil B 14 AS 51/18 R vom 11.07.2019 – bestätigte final: Der Antrag, der sich im „Macht- oder Willensbereich“ des Jobcenters befindet, ist fristgerecht.
Achtung am Wochenende: Frist endet immer am Monatsletzten
Wichtig: Diese Frist wird durch ein Wochenende nicht verlängert, das gilt für einen Erstantrag sowie einen Weiterbewilligungsantrag (WBA) gleichermaßen. Das bedeutet, dass auch dann, wenn das Monatsende auf einen Samstag oder Sonntag fällt, der Antrag spätestens bis 23:59 Uhr am letzten Tag des Monats fristwahrend gestellt werden muss, um Bürgergeld rückwirkend für den gesamten Monat zu erhalten.
Bürgergeld noch für Oktober 2025 beantragen
Da das Monatsende des Oktobers auf Freitag, den 31.10.2025, fällt, muss der Antrag spätestens an diesem Tag bis 23:59 Uhr beim Jobcenter eingegangen sein (etwa über „Jobcenter Digital“ oder per E-Mail). Wer den Antrag erst am 1. November 2025 stellt, bekommt die Leistungen nicht mehr rückwirkend für den gesamten Oktober, sondern erst ab dem 1. November. Jeder Tag zählt hier.

