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Bürgergeld-Mafia: Betrug mit Schrottimmobilien und Scheinjobs

Geldübergabe mit Euro-Scheinen – Symbolbild für organisierten Bürgergeld-Betrug

Bürgergeld-Banden im Visier: Netzwerke schleusen Menschen in Scheinjobs, parken sie in Schrottimmobilien – und kassieren ab. Duisburg und Gelsenkirchen schlagen Alarm, Berlin spricht von „mafiösen Strukturen“. Es geht um organisierten Sozialbetrug: vernetzte Gruppen erschleichen Bürgergeld über Scheinverträge, Massen-Meldeadressen und überteuerte Problemwohnungen – mit Abgaben an Hintermänner. Die Hotspots liegen im Ruhrgebiet, die Muster tauchen aber bundesweit auf.

Maschen & Hotspots – so läuft der Betrug

Die Rekrutierung startet oft in Südosteuropa: Mittelsmänner locken Menschen aus EU-Saaten wie Bulgarien oder Rumänien nach Deutschland – mit Minijobs oder Scheinaufträgen. Vor Ort wird eine Beschäftigung inszeniert (Verträge, Stundennachweise, teils Scheinselbstständigkeit). Ziel: die Anspruchshürde im SGB II zu reißen – dann fließt Bürgergeld. Möglich wird das oft durch die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit – wer hier arbeitet und gemeldet ist, kann Sozialleistungen beantragen.

Bürgergeld: Wie sich das Jobcenter ausnehmen lässt

Parallel organisieren die Hintermänner die Adresse: Die Betroffenen landen in verwahrlosten Schrottimmobilien – Wohnungen mit massivem Sanierungsstau, aber zu formal „angemessenen Mieten„. Diese Wohnkosten übernimmt das Jobcenter; Vermieter- und „Arbeitgeber“-Geflechte greifen ineinander. Genau hier wird abkassiert: Ein Teil der Leistungen wandert über Miete, Aufschläge oder Barabgaben zurück an die Strukturen. Behörden sprechen von „menschenhandelsähnlichen“ Abhängigkeiten.

Hotspots liegen vor allem in NRW – Duisburg, Gelsenkirchen, Krefeld, Leverkusen, Wuppertal. In diesen Städten gab es koordinierte Razzien und Kontrollen mehrerer Behörden – ein deutlicher Hinweis auf konzentrierte Netzwerke an bestimmten Adressen. Aber: Das Muster taucht auch außerhalb von NRW auf (z. B. Berlin, Mannheim); die Netzwerke agieren bundesweit, bündeln sich aber dort, wo billiger Problemwohnraum verfügbar ist.

Warum das Thema gerade jetzt prominent ist

Im Juli hat die Bundesregierung neue Tabellen zu bandenmäßigem Bürgergeld-Missbrauch vorgelegt. Seitdem verdichten sich lokale Meldungen über Schwerpunktaktionen in NRW-Städten – und die Debatte schwappt hoch. Arbeitsministerin Bärbel Bas spricht öffentlich von „mafiösen Strukturen“, die zerschlagen werden müssten. Das Zusammenspiel aus frischen Bundeszahlen und konkreten Einsätzen vor Ort macht das Thema aktuell.

Aktuelle Zahlen

Während 2023 229 Verfahren wegen bandenmäßigen Bürgergeld-Betrugs eingeleitet wurden, waren es 2024 mit 421 schon fast doppelt so viele. 2025 sind bis Mai bereits 195 Fälle dokumentiert; linear hochgerechnet ergibt das rund 468 Verfahren bis Jahresende. Strafanzeigen: 52 (2023) → 209 (2024) → hochgerechnet ~230 (2025).

Tenor: Der Takt zieht weiter an. Hält das Tempo, übertrifft 2025 das Vorjahr bei den Verfahren; bei den Strafanzeigen liegt 2025 etwa auf Vorjahresniveau bis leicht darüber. Hotspots und gezielte Kontrollen treiben die Zahlen. Hinweis: Die Bundesübersicht umfasst nur die 300 gemeinsamen Jobcenter; 104 kommunale Jobcenter fehlen – die Dunkelziffer dürfte höher liegen.

Bürgergeld-Kontrolle: Mehr als 75.000 Rückforderungen nach Datenabgleich

Konkrete Maßnahmen

  • Razzien & Schwerpunktkontrollen: Anfang 2025 kontrollierten Land und Kommunen in Duisburg, Gelsenkirchen, Krefeld, Leverkusen, Wuppertal 55 Gebäude und über 100 Wohnungen. Befunde: Sozialbetrug, Scheinarbeitgeber, ausbeuterische Arbeit, teils lebensgefährliche Zustände. Ordnungsrechtliche Verfahren starteten sofort. Solche Lagen bündeln Zoll, Polizei, Ausländerbehörden, Kommunen.
  • Werkzeugkasten der Jobcenter: Genannt werden Unterlagen- und Identitätsprüfungen, Außendienst, Registerabfragen (Kfz/Melderegister/AZR/Renten), Hinweise Dritter und vor allem der automatisierte Datenabgleich.
  • Nährboden entziehen: Problemhäuser vom Markt nehmen. Gelsenkirchen z.B. kauft gezielt Schrottimmobilien (u. a. Ahlmannshof / „Engelsburg“). Im Sommer 2025 meldete die Stadt rund 60 angekaufte Häuser; Abrisse laufen, teils mit Neubau. Ziel: Geflechte zerschlagen, KdU-Abschöpfung stoppen, Quartiere unter Kontrolle bringen.
  • Politische Linie: Bärbel Bas kündigt an, Datenflüsse zwischen Jobcentern, Ausländerbehörden, Familienkassen und Zoll zu verdichten – „mafiöse Strukturen zerschlagen“. Das BMAS verweist auf entsprechende Vorhaben; Details laufen über Gesetz- und Digitalpakete.

Bürgergeld-Betrug: TV-Moderator zockt 270.000 € vom Jobcenter ab

Parallelen beim Kindergeld

Die gleichen Strukturen tauchen auch beim Kindergeld auf. In NRW wird dafür das LKA-Modell „MISSIMO“ ausgerollt: Wuppertal hat das Verfahren bereits mehrfach umgesetzt (2022/2023, dritte Runde Anfang 2025), Köln bindet Polizei, Familienkasse und kommunale Stellen fest ein. Ziel: behördenübergreifend Adressen, Arbeitgeber und Vermieter prüfen, Massenmeldungen auffinden, gefälschte Lohnzettel und Scheinaufenthalte erkennen – typischerweise rund um Problemimmobilien.

Bundesweit meldete die Familienkasse laut Medienberichten für 2024 rund 140.000 Verdachtsfälle; in über 100.000 Fällen wurde ein steuerrechtliches Ermittlungsverfahren angestoßen. In etwa 8.000 Fällen stand der Verdacht organisierter Strukturen im Raum. Das zeigt: Netzwerke greifen mehrere Leistungstöpfe an – nicht nur Bürgergeld.

Schaden für Bedürftige

Jede erschlichene Zahlung schürt Misstrauen, verschärft Kontrollen und verlängert Verfahren – auch für diejenigen, die rechtmäßig Sozialleistungen beziehen. Deshalb setzen Städte auf Razzien und auf Objekt-Strategien (Problemhäuser identifizieren, vom Markt nehmen oder nutzungsrechtlich stilllegen), während Jobcenter Scheinjobs und Papierverträge konsequent aufrollen. Warnzeichen: „Job auf dem Papier“, auffällig überteuerte Wohnungen bei dubiosen Vermietern, Abgaben an Mittelsmänner.