Mit gewohnt scharfen Worten hat CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann einen tiefgreifenden Umbau des Bürgergelds angemahnt. In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur erklärte er, es genüge nicht, „irgendwelche neuen Sanktionen anzukündigen, die dann in den Jobcentern vor Ort nicht umgesetzt werden können.“ Vielmehr müsse die Reform „wirklich an die Substanz des Systems gehen“ und einen echten „Paradigmenwechsel“ einleiten.
Leistungspflicht statt Schonraum
Nach Linnemanns Beobachtung hat sich das Bürgergeld bereits zur „Chiffre für Ungerechtigkeit in Deutschland“ entwickelt. Viele Beschäftigte verstünden nicht, weshalb sie das System finanzierten, „wenn jemand nachweislich wiederholt einen zumutbaren Job nicht annimmt, obwohl er offenkundig arbeiten kann“. Für diesen Fall hat der CDU-Politiker eine klare Konsequenz im Sinn:
„Dann muss der Staat davon ausgehen, dass derjenige nicht bedürftig ist. Und dann bekommt er auch kein Bürgergeld mehr.“
Gleichzeitig betont er den Grundsatz: „Wer arbeiten kann, muss arbeiten gehen.“ Unterstützung bleibe allen vorbehalten, „die nicht arbeiten können“. Genau hier setze der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD an, der neben der reinen Umbenennung des Bürgergeldes in „Neue Grundsicherung für Arbeitsuchende“ weitreichende Veränderungen vorsieht:
Koalitionsfahrplan von Union und SPD
- Vorrang für Vermittlung in Arbeit – Jobcenter sollen Hürden abbauen und Arbeitsaufnahmen beschleunigen.
- Verschärfte Mitwirkungspflichten – Termine und Auflagen müssen strikt eingehalten werden.
- Sanktionen bis zum Leistungsstopp – Wer arbeitsfähig ist und wiederholt zumutbare Arbeit verweigert, soll künftig mit einem vollständigen Leistungsentzug rechnen, „unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“.
- Neuer Regelsatz-Mechanismus – Regelsätze werden wieder nachträglich an die tatsächliche Inflation gekoppelt (Rückkehr zum Rechtsstand vor der Corona-Pandemie).
- Weniger Anreize zur Einwanderung in Sozialsysteme – Die Koalition will die Bezahlkarte deutschlandweit einführen, einen umfassenden Datenabgleich zwischen Behörden ermöglichen und groß angelegten Sozialleistungsmissbrauch konsequent unterbinden.
Bürgergeld-Kürzung 2026 mit Ansage – und keiner redet drüber
Für die Umsetzung setzt Linnemann auf eine enge Zusammenarbeit mit Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD). Beide Seiten, so Linnemann, hätten ein gemeinsames Ziel: „Wir haben beide ein Interesse daran, dass wir wieder ein gerechtes Sozialsystem bekommen.“ Während Bas Missbrauchsstrukturen aufbrechen will, drängt der CDU-Politiker auf schnell wirksame Regeln gegen Leistungsverweigerung.
Mit seinem Vorstoß rückt Linnemann das Bürgergeld erneut in den Mittelpunkt der Berliner Agenda. Ob sich die harte Linie in der Koalition eins zu eins umsetzen lässt, ist offen – dass die Grundsicherung vor einem „Paradigmenwechsel“ steht, hält der CDU-Generalsekretär jedoch für unabdingbar.
Unterstützung der Solidargemeinschaft
Zugleich stellt der CSU-Politiker klar:
„Wenn jemand nicht arbeiten kann, weil er körperlich oder aus welchen Gründen auch immer nicht dazu in der Lage ist, dann braucht er natürlich die volle Unterstützung der Solidargemeinschaft.“
Der Grundsatz gelte dennoch: „Wer arbeiten kann, muss arbeiten gehen. Niemand kann erwarten, dass Menschen für ihn bezahlen, die jeden Tag arbeiten gehen.“
Sozialverband VDK fordert hingegen höheren Regelsatz
Der Sozialverband VdK sieht hingegen vor allem steigende Lebenshaltungskosten. Präsidentin Verena Bentele fordert im RedaktionsNetzwerk Deutschland eine deutliche Anhebung der Regelsätze sowie eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel: „Die Preise für regionales, frisches Obst wie Erdbeeren sind für Familien mit kleinen Einkommen oder im Bürgergeld-Bezug kaum zu bezahlen.“ Regelsätze müssten so bemessen sein, „dass man sich davon gesund und ausreichend ernähren kann“; eine niedrigere Steuer auf Obst und Gemüse könne zusätzlich entlasten.
Totalverweigerer? Weniger als ein 1% der Bürgergeld Bedürftigen in 2023 sanktioniert
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