Ein internes Mitgliederbegehren gegen die geplanten Verschärfungen des Bürgergelds hat in der SPD die erste formale Hürde genommen. Gegner der Reform haben offiziell genug Unterschriften gesammelt, damit die Partei den innerparteilichen Prozess starten kann, um die Verschärfungen zu stoppen oder zumindest abzuschwächen.
Damit ist klar: Der parteiinterne Konflikt um die Neuausrichtung des Bürgergeldes – von der SPD mitgetragen und im Kabinett beschlossen – ist in der eigenen Basis angekommen. Die Initiative richtet sich nicht gegen das Bürgergeld als solidarische Leistung an sich, sondern gegen die geplanten harten neuen Regeln, mit denen die Leistung künftig zu einer strengeren Grundsicherung umgebaut werden soll.
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Was die Basis geschafft hat
Die Initiatoren des Begehrens – teils aus linken und sozialpolitisch orientierten Parteigruppen – sammelten deutlich mehr als die notwendige Mindestzahl von Unterschriften, damit es jetzt offiziell starten kann: Rund 3.500 Unterstützer entsprechen einem Prozent der SPD-Mitglieder, womit das erforderliche Minimum erreicht ist.
Damit ist der erste Schritt erfolgt: Die Partei hat die Gültigkeit geprüft und bestätigt, dass die formale Einleitung erfolgreich ist. Nun beginnt der eigentliche innerparteiliche Prozess.
Ziel des Mitgliederbegehrens
Die Initiatoren wollen verhindern, dass beim Bürgergeld deutlich schärfere Sanktionen und Pflichten eingeführt werden. Insbesondere richten sich die Forderungen gegen:
- weitreichende Sanktionen bei versäumten Terminen oder Verpflichtungen im Jobcenter
- den möglichen kompletten Wegfall von Leistungen bei wiederholten Pflichtverletzungen
- den Wegfall von Schonzeiten für Vermögen und verschärfte Regeln zur Wohnkostenübernahme
Stattdessen fordern sie, dass Sanktionen nicht den Schutz des Existenzminimums unterlaufen und dass der Sozialstaat mehr auf Unterstützung, Qualifizierung und psychosoziale Hilfen setzt statt auf Härte.
30-Prozent-Keule: So hart werden die neuen Bürgergeld-Sanktionen
Warum dieser Widerstand entstanden ist
Die SPD-Regierungsfraktion hatte gemeinsam mit der Union einen Gesetzentwurf zur Umgestaltung des Bürgergelds beschlossen. In der Öffentlichkeit und in Parteikreisen wird dieser Entwurf kontrovers diskutiert. Er sieht unter anderem vor:
- niedrigere Schonvermögen
- weit strengere Mitwirkungspflichten
- eine Staffelung der Sanktionen bis hin zum vollständigen Leistungsausfall bei mehrfachen Pflichtverstößen
Kritiker der Reform sehen darin eine Verschärfung, die Menschen in prekären Lebenslagen zusätzlich belastet und die soziale Absicherung verwässert. Viele SPD-Mitglieder empfinden das als Bruch mit den sozialstaatlichen Grundsätzen der Partei.
So läuft das Verfahren jetzt weiter
Der interne Weg zu einem verbindlichen Mitgliederentscheid ist mehrstufig:
- Formale Einleitung – die erste Hürde mit einem Prozent der Mitglieder ist genommen.
- Unterstützung sammeln – innerhalb von drei Monaten müssen etwa 20 Prozent der SPD-Mitglieder unterschreiben (rund 70.000 Stimmen).
- Entscheidung im Parteivorstand – über das weitere Vorgehen wird dann entschieden.
- Möglicher Mitgliederentscheid – falls der Vorstand die Forderungen nicht übernimmt, kann ein verbindlicher Entscheid folgen.
Das Ergebnis eines solchen Entscheids wäre politisch relevant, aber nicht automatisch bindend für die Parteiführung. Ein Gegenvorschlag durch den Vorstand ist möglich.
Position der Parteiführung
SPD-Parteichefin Bärbel Bas verteidigt die Reformlinie: Sie betont, es ginge um mehr Klarheit, verlässliche Pflichten und darum, Menschen in Arbeit zu bringen. Harte Totalsanktionen sollen nach ihrer Darstellung nur selten zum Einsatz kommen und bleiben die Ausnahme. Diese Argumentation wird intern nicht von allen geteilt, führt aber zu einem harten Schlagabtausch zwischen Parteispitze und Basisgruppen.
Bedeutung für die Bürgergeld-Debatte
Für Bürgergeld-Empfänger ändert sich kurzfristig nichts. Der Gesetzgebungsprozess im Bundestag und Bundesrat läuft weiter. Der innerparteiliche Streit zeigt jedoch, wie tief die Differenzen über die soziale Ausrichtung der Grundsicherung sind. Sollte das Mitgliederbegehren die erforderlichen Unterstützungsschritte gehen und erfolgreich sein, könnte die SPD-Position zu einem sensiblen Zeitpunkt im parlamentarischen Verfahren zusätzlich beeinflusst werden.
Warum das Thema erreicht viele SPD-Mitglieder emotional
Die Debatte berührt grundlegende Fragen: Soll staatliche Hilfe vor allem Druck erzeugen, oder soll sie Schutz und Unterstützung bieten? Innerhalb der SPD stoßen diese sozialen Grundsatzfragen auf ein starkes Echo. Und sie könnten die sozialpolitische Ausrichtung der Partei für kommende Jahre mitbestimmen – gerade wenn eine Mehrheit der Mitglieder das Begehren unterstützt und einen Kurswechsel verlangt.

