Ein nie endender Kampf um Respekt. Bürgergeld-Bedürftige stehen ständig im Ring. Breitseiten kommen vor allem von rechts und inzwischen immer öfter aus der Mitte, und dann voll auf die Zwölf. Einige Kommentare zu den Themen Tafeln, Armut und soziale Gerechtigkeit zeigen, wo wir aktuell stehen: am Scheideweg von einer sozialen hin zur egozentrischen Gesellschaft.
Geld fürs Nichtstun
Die Tatsache, dass Menschen mit dem Bürgergeld-Regelsatz nicht mehr über die Runden kommen und so bspw. auf die Hilfe der Tafeln angewiesen sind, ist für viele offenbar nicht nachvollziehbar.
„500 Euro Taschengeld fürs Nichtstun und IHR beschwert euch noch?“,
regt sich ein Nutzer auf Facebook auf. Nur fürs Protokoll: Es sind sogar 563 Euro Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen.
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HIlfebedürftige werden mit Kindern verglichen
Und nein: Das Bürgergeld ist kein Taschengeld. Der Begriff erinnert an Kiosk und Kinder, die stolz eine bunte Tüte für ein paar Cent kaufen oder ein Päckchen Fußballbilder. Taschengeld zahlt man in der Regel nur unmündigen Minderjährigen. Wer Bürgergeld-Empfänger damit auf eine Stufe stellt, könnte herablassender nicht sein.
Mama Bas schmiert die Stulle
Aber es ist ja so einfach: Der Staat steckt Betroffenen Klimpergeld zu und bezahlt den ganzen Rest. Nein! Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) schmiert armutsbetroffenen Kindern kein Butterbrot und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) kommt auch nicht für die Stromrechnung auf. Die 563 Euro sind kein Taschengeld, das man nach Gutdünken verplempern kann. Es ist das Existenzminimum, mit dem man Nahrung, Kleidung, Strom, Möbel, Telefon und Co. bezahlen muss.
Die Würde des Einzelnen achten
Wenn die Teuerung gerade bei Lebensmitteln gnadenlos zuschlägt und man keine Rücklagen mehr hat: Dann ist das ein enormer Druck und ein täglicher Kampf. Dann kann man nicht mal eben zu Mama Bas und Onkel Klingbeil laufen und um einen Vorschuss bitten. Dann steht man bei der Tafel Schlange. Und das, obwohl einst festgehalten wurde „Das Bürgergeld soll die Würde des und der Einzelnen achten. Es soll auch zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen“. Doch davon ist schon lange keine Rede mehr.
Mindestsicherungssysteme
Auch im Regierungsentwurf zum Bürgergeld wird explizit auf die dynamische Preisentwicklung bei Nahrungsmitteln und Energie verwiesen. „Aufgabe des Sozialstaats ist, die Menschen in dieser Lage zu unterstützen und dafür Sorge zu tragen, dass die Leistungen der Mindestsicherungssysteme auch in dieser Situation auskömmlich sind“, ist dort zu lesen.
Der linke „Müll“ von Gewerkschaften und Co.
Das Bürgergeld ist aber nicht mehr auskömmlich. Darauf machen Wissenschaftler, Sozialverbände und Gewerkschaften seit Jahren aufmerksam. Doch die mahnenden Rufe werden als „linker Müll“ abgetan. Dabei übersehen einige, wie schnell sie selbst in die Lage kommen könnten.
Armut ist real
Vielleicht hat der eine oder andere auch ein Gespür dafür bekommen, was Armut heißt. Aber nein: In Deutschland von Armut zu sprechen, sei ja unverschämt, wenn man sich im Rest der Welt umsehe. Wer derart oberflächlich sämtliche Sozialsysteme über einen Kamm schert, ohne den Rahmen zu beachten, der steckt auch alle Bürgergeld-Empfänger in eine Schublade mit dem Etikett „faul“. Dass viele Betroffene arbeiten und aufstocken müssen, Angehörige pflegen oder Kinder großziehen, viele Jahre malocht haben und jetzt krank oder schlicht zu alt sind: Vor all dem verschließt man die Augen, um ja nicht das alte Menschenbild aufgeben und sich eingestehen zu müssen, dass Armut real ist.