Die gute Nachricht für alle, die noch fit sind und weiterarbeiten wollen: Das Erreichen der Regelaltersgrenze ist kein automatisches Ende für Ihren Job. Viele Arbeitnehmer und sogar Unternehmen irren sich, wenn sie glauben, der Arbeitsvertrag laufe mit dem regulären Renteneintrittsalter einfach aus. Dem ist glücklicherweise nicht so, fehlt es nämlich an einer speziellen Vereinbarung, besteht das Arbeitsverhältnis normal fort.
Will Ihr Arbeitgeber den Vertrag beenden, muss er ihn zwingend kündigen – und sich dabei an die strengen Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes halten. Eine Kündigung allein wegen der Möglichkeit, Rente zu beziehen, ist unzulässig. Wir zeigen Ihnen, welche Rechte Sie haben, welche Klauseln Sie prüfen müssen und wie Sie Ihren Job über die Regelaltersgrenze hinaus sichern können.
Inhaltsverzeichnis
Der große Irrtum: Kein Automatismus beim Jobende
Wichtiger Hinweis: Die Rente kommt nicht von allein!
Auch wenn Sie die Regelaltersgrenze erreicht haben, wird Ihre Rente nicht automatisch ausgezahlt. Sie müssen die Altersrente aktiv bei der Deutschen Rentenversicherung beantragen – idealerweise sechs bis neun Monate vor dem gewünschten Rentenbeginn. Ohne Antrag keine Zahlung. Dies unterstreicht das aktive Handeln, das sowohl für den Rentenbezug als auch für die Beendigung oder Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist.
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Wann beginnt die Regelaltersrente?
Die Regelaltersgrenze, die für das automatische Ende des Arbeitsverhältnisses entscheidend ist (falls eine Klausel existiert), steigt schrittweise an. Hier ein Überblick:
| Geburtsjahr | Renteneintrittsalter | regulärer Renteneintritt |
|---|---|---|
| 1958 | 66 Jahre | 01/2024 bis 12/2024 |
| 1959 | 66 Jahre + 2 Monate | 03/2025 bis 02/2026 |
| 1960 | 66 Jahre + 4 Monate | 05/2026 bis 04/2027 |
| 1961 | 66 Jahre + 6 Monate | 07/2027 bis 06/2028 |
| 1962 | 66 Jahre + 8 Monate | 09/2028 bis 08/2029 |
| 1963 | 66 Jahre + 10 Monate | 11/2029 bis 10/2030 |
| 1964 | 67 Jahre | 01/2031 bis 12/2031 |
(Zwischen diesen Jahrgängen steigt das Alter monatsweise an.)
Hinweis: Die hier genannten Altersgrenzen beziehen sich auf die Regelaltersrente (ohne Abschläge). Für Schwerbehinderte oder besonders langjährig Versicherte können je nach Geburtsjahr frühere Altersgrenzen gelten.
Rechtliche Klarheit: Was das Gesetz zum Jobende mit der Rente sagt
Der Anspruch auf eine Altersrente ist kein Kündigungsgrund. Das stellt § 41 Abs. 1 SGB VI ausdrücklich klar. Fehlt eine Altersgrenzenklausel, besteht das Arbeitsverhältnis einfach fort. Dann gelten die normalen Regeln des Kündigungsrechts mit allen Schutzmechanismen vom Kündigungsschutzgesetz (KSchG) bis zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Eine Kündigung allein „wegen Alters“ ist unzulässig.
Wichtig seit 2025: Wenn eine Vereinbarung das Ende „mit Erreichen der Regelaltersgrenze“ vorsieht, muss diese Beendigungsvereinbarung zwingend die Textform (nicht mit Schriftform verwechseln) einhalten. Das schützt Arbeitnehmer vor informellen „Automatismen“ und sorgt für Transparenz.
Der Knackpunkt im Vertrag: So erkennen Sie eine wirksame Altersgrenzenklausel
Ein Vertragsende ohne Kündigung kommt nur in Betracht, wenn eine wirksame Altersgrenzenklausel existiert – im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung.
- Zulässig ist insbesondere die Anknüpfung an die gesetzliche Regelaltersgrenze.
- Ältere Arbeitsverträge, die noch auf „65“ lauten, legt die Rechtsprechung in der Regel dynamisch aus: Gemeint ist die jeweils geltende Regelaltersgrenze. Ein typisches Beispiel ist die Formulierung: „Das Anstellungsverhältnis endet mit Vollendung des 65. Lebensjahres, ohne dass es einer Kündigung bedarf.“ (BAG, Az.: 7 AZR 68/14 vom 09.12.2015)
- Unklare AGB-Formulierungen bleiben angreifbar.
Tarifgebundene Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst enthalten typischerweise eine automatische Beendigung mit Erreichen der Regelaltersgrenze. Auch hier gilt: Endet das Arbeitsverhältnis kraft Tarif, braucht es keine Kündigung – aber es gibt Wege, die Beschäftigung fortzuführen.
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Fehlt die Klausel? Dann gelten Kündigungsrecht und Schutz
Ohne Altersgrenzenklausel endet nichts automatisch. Will der Arbeitgeber beenden, braucht er eine Kündigung mit Begründung nach KSchG, unter Einhaltung von Fristen und Form. Will der Arbeitnehmer in Rente gehen, kann er selbst ordentlich kündigen.
Zentrale Arbeitnehmerrechte bei Kündigung:
- Schriftform: Jede Kündigung muss im Original unterschrieben zugehen. Kündigung per Mail oder WhatsApp ist unwirksam.
- Drei-Wochen-Frist: Gegen eine Kündigung ist binnen drei Wochen Kündigungsschutzklage zu erheben.
Sozialauswahl: Zählt „Rentennähe“ – aber nicht allein
Bei betriebsbedingten Kündigungen ist eine Sozialauswahl Pflicht. Gewichtet werden: Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung. Das Bundesarbeitsgericht lässt es zu, „Rentennähe“ in die Waagschale zu werfen: Wer spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem geplanten Ende eine abschlagsfreie Altersrente beziehen kann, gilt als weniger schutzbedürftig (BAG, Az.: 6 AZR 31/22 vom 08.12.2022). Entscheidend bleibt die Gesamtabwägung. Eine Auswahl allein über die Rentennähe wäre unzulässig und riskant.
Besonderer Schutz: Betriebsrat und Schwerbehinderung – Die Pflichten des Arbeitgebers
- Betriebsrat: Die Anhörung des Betriebsrats ist nur dort Pflicht, wo es einen Betriebsrat gibt. Existiert keiner, entfällt die Anhörung. Gibt es einen Betriebsrat, muss er vor jeder Kündigung beteiligt werden. Eine Kündigung ohne ordnungsgemäße Anhörung ist unwirksam.
- Schwerbehinderung: Unabhängig davon gilt: Bei schwerbehinderten Menschen ist vor jeder Kündigung die Zustimmung des Integrationsamts erforderlich (§ 168 SGB IX). Zusätzlich ist die Schwerbehindertenvertretung (SBV) zu beteiligen (§ 178 SGB IX). Dieser besondere Schutz greift auch ohne Betriebsrat.
Hinweis zur Altersrente: Die hier genannten Schutzbestimmungen gelten unabhängig davon, wann die Rente bezogen werden kann. Es ist jedoch zu beachten, dass schwerbehinderte Menschen unter bestimmten Voraussetzungen schon vor Erreichen der Regelaltersgrenze (aktuell stufenweise ab 63 Jahren) eine abschlagsfreie Altersrente beanspruchen können.
Weiterarbeiten über die Regelaltersgrenze: Ihre Optionen
Hinausschieben nach § 41 SGB VI
Auch bei wirksamer Altersgrenze lässt sich das Ende rechtswirksam „hinausschieben“. § 41 SGB VI erlaubt, den Beendigungszeitpunkt während des laufenden Arbeitsverhältnisses einvernehmlich zu verschieben – auch mehrfach.
Finanzielle Anreize für Arbeitnehmer:
- Seit 2023 gelten für Altersrentner (auch bei vorgezogener Rente) keine Hinzuverdienstgrenzen mehr.
- Eigene Beiträge zur Rentenversicherung können die laufende Rente zusätzlich erhöhen.
Aktivrente: Geplanter Steuerbonus für Arbeit im Rentenalter
Die Bundesregierung hat am 15. Oktober 2025 den Entwurf des Aktivrentengesetzes beschlossen. Kernelemente des Vorhabens (geplanter Start: 1. Januar 2026):
- Steuerfrei bis 2.000 Euro im Monat: Für Lohn aus nichtselbständiger Arbeit.
- Nur über der Regelaltersgrenze: Begünstigt werden Beschäftigte, die die Regelaltersgrenze überschritten haben.
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Achtung Falle: Aufhebungsvertrag vor Rentenbeginn
Ein Aufhebungsvertrag ist oft der bequeme Weg zum Rentenbeginn. Er birgt aber sozialrechtliche Fallstricke, vor allem für Arbeitnehmer, die vorzeitig (mit Abschlägen) in Rente gehen:
- ALG-I-Sperrzeit wegen Eigenlösung.
- Ruhenstatbestände bei Abfindungen.
Entwarnung: Wer bereits die Regelaltersgrenze erreicht hat, hat ohnehin keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld I (§ 136 Abs. 2 SGB III). Die genannten Risiken des Aufhebungsvertrages in Bezug auf das ALG I entfallen dann. Sie wurden hier lediglich der Vollständigkeit halber erwähnt.
Fristen im Überblick
Die Kündigungsfristen, die das Arbeitsverhältnis beenden, sind unterschiedlich, je nachdem, wer kündigt:
Kündigungsfrist für Arbeitnehmer (Grundsatz)
Für den Arbeitnehmer gilt die gesetzliche Grundkündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats (§ 622 Abs. 1 BGB), sofern vertraglich oder tariflich nichts anderes vereinbart ist.
Hinweis: Vier Wochen sind 28 Tage und nicht ein Monat.
Kündigungsfristen für den Arbeitgeber (nach Betriebszugehörigkeit)
Die Fristen, die der Arbeitgeber einzuhalten hat, verlängern sich abhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit:
| Betriebszugehörigkeit | Kündigungsfrist |
| ab 5 Jahre | 2 Monate zum Monatsende |
| ab 10 Jahre | 4 Monate zum Monatsende |
| ab 20 Jahre | 7 Monate zum Monatsende |
Die detaillierten Fristen können in § 622 Abs. 2 BGB nachgelesen werden.
Denken Sie daran: Kündigungen bedürfen zwingend der Schriftform. Für eine eventuelle Kündigungsschutzklage gilt eine Klagefrist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung.
Rentenalter bedeutet nicht Mitarbeiter zweiter Klasse
Die wichtigste Botschaft für alle Arbeitnehmer lautet: Ihr Rentenalter macht Sie nicht zu einem Mitarbeiter zweiter Klasse!
Der Gesetzgeber stellt klar: Wenn keine wirksame Altersgrenzenklausel in Ihrem Vertrag steht, endet Ihr Arbeitsverhältnis nicht automatisch. Sie genießen den vollen Kündigungsschutz wie jeder andere Mitarbeiter auch.
Möchte Ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden, muss er aktiv kündigen und einen gesetzlich anerkannten, triftigen Grund vorweisen. Die Kündigung muss stets sozial gerechtfertigt sein. Das bedeutet:
- Betriebsbedingt: Der Arbeitsplatz muss tatsächlich wegfallen, und es muss eine faire Sozialauswahl erfolgen (Ihre Rentennähe darf dabei nur ein Aspekt sein, nicht das alleinige Kriterium!).
- Verhaltensbedingt: Sie müssen gegen vertragliche Pflichten verstoßen haben.
- Personenbedingt: Sie sind aufgrund persönlicher Umstände (z.B. dauerhafter Krankheit) dauerhaft nicht mehr in der Lage, Ihre Leistung zu erbringen.
Lassen Sie sich nicht drängen. Ihr Lebensalter ist kein Freifahrtschein für eine einfache Kündigung. Die Arbeitswelt benötigt Ihre Erfahrung und Kompetenz.

